Die Höhle der Löwen „Wir bieten gutem Journalismus eine neue Bühne“

Mit Articly will Wolf Weimer ein „Spotify der Zeitungsbranche“ aufbauen Quelle: RTL Bernd-Michael Maurer

Mit Articly will Verlegersohn Wolf Weimer ein „Spotify der Zeitungsbranche“ aufbauen und hat über die Vox-Sendung Carsten Maschmeyer als Investor gewonnen. Doch Medienhäuser von dem Modell zu überzeugen, bleibt mühsam.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Mit der Medienbranche ist Wolf Weimer schon in der Kindheit in Berührung gekommen: Sowohl seine Mutter als auch sein Vater haben lange als Redakteure gearbeitet und 2012 gemeinsam die Weimer Media Group gegründet. Unabhängig vom elterlichen Verlag will der 28-Jährige die Medienbranche mit einem eigenen Start-up aufmischen: Articly vertont ausgewählte Stücke aus verschiedenen Zeitungen und Magazinen für die Generation Podcast. Inzwischen um die tausend Artikel finden sich in der App, die mit Jahres- und Monatsabos Geld verdienen soll. In die „Höhle der Löwen“ gab es viel Lob für die Idee – sowohl Carsten Maschmeyer als auch Janna Ensthaler wollten investieren. Im Interview verrät Wolf Weimer, wie es für sein Start-up nach der Aufzeichnung der Sendung im Februar 2022 weitergegangen ist.

WirtschaftsWoche: Herr Weimer, Ihre Firmenbewertung haben Sie in „Die Höhle der Löwe“ vergleichsweise gering angesetzt – und 20 Prozent der Anteile für 70.000 Euro an Carsten Maschmeyer abgegeben. Auch Janna Ensthaler wäre zu dem Kurs gerne eingestiegen. Haben Sie sich hinterher geärgert, nicht höher gepokert zu haben?
Wolf Weimer: Aus heutiger Sicht wäre vielleicht mehr drin gewesen. Zum Zeitpunkt der Sendungsaufzeichnung habe ich die Bewertung als angemessen empfunden. Ich habe das Ganze damals nur nebenbei gemacht und war als Sologründer ohne Team unterwegs. Mir war klar, dass 70.000 Euro ein Start-up nicht weit tragen. Es ging mir in erster Linie darum, Expertise ins Unternehmen zu holen – etwa in Sachen Vertrieb und Marketing.

Eine griffige Vision hatten Sie in der Sendung schon: Sie wollen mit Articly „ein Spotify für die deutsche Zeitungsbranche“ aufbauen. Ihre Eltern sind ein bekanntes Verlegerpaar – kam daher die Idee?
Bei der Gründung haben meine Eltern unmittelbar keine Rolle gespielt. Natürlich ist mir die Medienbranche durch meine Familie sehr nah. Als Kind habe ich eine Schülerzeitung gegründet und später mit meinen Brüdern eine Nachrichten-Webseite aufgebaut. Nach dem Studium habe ich beruflich aber etwas ganz anderes gemacht und war Unternehmensberater im Innovationsbereich von PwC. Die Idee zu Articly ist entstanden, weil ich so ein Angebot selbst vermisst habe: Ich interessiere mich eigentlich sehr für hochwertige journalistische Inhalte. Aber ich lese einfach nicht gerne – und damit bin ich in meiner Generation eher die Regel als die Ausnahme.

Wer Audio lieber mag, hat bereits eine riesige Auswahl. Neben dem guten alten Radio ringen Hörbücher und immer mehr Podcasts um Aufmerksamkeit – 70.000 deutschsprachige Formate zählte Spotify vor einem Jahr. Braucht es da zusätzlich noch vorgelesene Zeitungsartikel?
Podcasts decken längst nicht alle Bereiche ab – und legen häufig den Fokus auf unterhaltende Inhalte. In klassischen Printmedien findet man viele spannende Reportagen und aufwendig recherchierte Analysen. Wir bieten gutem Journalismus eine neue Bühne. Denn Articly erreicht Menschen, die keine Muße zum Zeitunglesen haben, sondern die Inhalte beim Autofahren, Kochen oder beim Sport konsumieren. Dass das Modell funktioniert, haben Audm und Curio in den USA beziehungsweise Großbritannien vorgemacht.

Dass Audioinhalte zukunftsträchtig sind, haben aber auch die Verlage selbst erkannt. Im Jahr 2020 hatten zwei Drittel der Tageszeitungen laut einer Studie bereits eigene Podcasts. Und auf vielen Nachrichtenseiten kann man sich die Artikel vorlesen lassen.
Es ist richtig, dass der Audio-Boom die Verlage erreicht hat. Aber wenn man den Vorlesen-Knopf drückt, rattert eine Computerstimme die Inhalte runter. Mit künstlicher Intelligenz wird die automatische Vertonung zwar besser, aber noch hört man da deutliche Unterschiede. Wir setzen deswegen bewusst auf Schauspieler und professionelle Sprecher.

Auch „Die Zeit“ oder „Der Spiegel“ lassen Artikel vertonen. Bekommen Mediennutzer dort nicht schon das, was Sie versprechen?
Die professionelle Vertonung ist in der Zeitungslandschaft noch die große Ausnahme. Articly hebt sich von einzelnen Verlagsangeboten außerdem dadurch ab, dass man bei uns nicht nur Inhalte aus einer einzelnen Zeitung oder einem einzelnen Magazin findet. Wir bündeln Inhalte aus verschiedenen Quellen und wählen die interessantesten aus. Unsere Nutzer schätzen es sehr, dass sie sich querbeet bedienen können – ohne sich mit einem Abo an eine einzelne Medienmarke zu binden.

Versuche, medienübergreifende Plattformen aufzubauen, waren bisher nicht sehr erfolgreich – die Verlage treten da auf die Bremse. Befürchten die nicht zu Recht, dass ihnen Abonnenten verloren gehen, wenn die Inhalte auch anderswo zu finden sind?
Bei textbasierten Plattformen kann ich die Sorge vor einer Kannibalisierung des eigenen Geschäfts verstehen. Mit unserem Ansatz bieten wir den Verlagen die Chance, über das Audioformat mehr Menschen zu erreichen und zusätzliche Umsätze zu erzielen. Niemand wird sein Abo bei der Süddeutschen Zeitung kündigen, weil er ein paar Artikel bei uns hören kann. Umgekehrt entdecken manche Nutzer über uns aber vielleicht Medienmarken neu.

Und den Verlagen zahlen Sie nach dem Spotify-Vorbild ein paar Cent pro Abruf?
Das ist ein mögliches Modell. In anderen Fällen lizenzieren wir Inhalte gegen einen festen Betrag. Auch Tauschgeschäfte sind möglich: Wir bekommen kostenlos Inhalte, vertonen die und stellen dem Verlag die Audiodatei für die eigenen Kanäle zur Verfügung.

Wie viele Verlage konnten Sie bisher überzeugen?
Aktuell arbeiten wir mit mehr als 30 Medienhäusern zusammen, darunter sind große Namen wie „Die Welt“ und die „Süddeutsche Zeitung“. Es ist auch nicht so, dass wir immer in der Rolle des Bittstellers sind. Inzwischen klopfen viele Verlagsmanager auch von sich aus bei uns an. Die Bereitschaft, sich neuen Geschäftsmodellen zu öffnen, wächst. Trotzdem muss man viel Überzeugungsarbeit leisten. Ich hoffe, dass wir mit der Ausstrahlung der Sendung nun in auch noch einmal mehr ins Bewusstsein rücken.

Wie sieht es auf Nutzerseite aus?
Bislang nutzen mehrere Hundert Menschen Articly regelmäßig, allerdings ist bisher nicht viel Geld in Marketing geflossen. Das werden wir jetzt hochfahren – mit Lukas Paetzmann habe ich kürzlich auch einen Marketingexperten, der vorher bei Google gearbeitet hat, an Bord geholt. Außerdem setzten wir verstärkt auf das Geschäft mit Firmenkunden, es gibt nun zum Beispiel eine Partnerschaft mit der Deutschen Bahn. Über das Unterhaltungsportal im ICE könne Zugreisende kostenlos Articly nutzen. Ähnliches planen wir mit Fluggesellschaften.

WiWo Coach Gesetzliche Rente oder Versorgungswerk – was ist besser?

Als Anwalt kann unser Leser bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk einzahlen. Was lohnt eher? Rentenberater Markus Vogts antwortet.

Abwanderungswelle bei Sixt „Es beiden recht zu machen, ist eine unlösbare Aufgabe“

Der robuste Führungsstil von Sixt-Gründer Erich Sixt war legendär. Seine Söhne übertreffen ihn wohl noch. Die Abgänge häufen sich. Der Digitalvorstand ist schon weg, ein Finanzchef wird mal wieder gesucht.

Biontech „Das würde ein neues Zeitalter in der Krebstherapie einleiten“

Biontech arbeitet an über zwanzig Medikamenten gegen Krebs. Der Mediziner und Fondsmanager Markus Manns erklärt, wo es Hoffnung gibt, welche Präparate die besten Chancen haben – und wo es noch hakt.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Und wohin geht die Reise für Articly, wenn das Start-up nun größer wird? Audm aus den USA wurde bereits von der New York Times gekauft.
Grundsätzlich ist es denkbar, dass ein Medienunternehmen das interessant findet. Aber man müsste sich gut überlegen, ob es sinnvoll ist, einen Investor unmittelbar aus der Branche an Bord zu holen. Das könnte andere Verlage abschrecken, sich für die Plattform zu öffnen. Davon abgesehen ist Articly aber ohnehin noch in einer zu frühen Phase, um an einen Exit zu denken. Wir legen jetzt erst richtig los.

Lesen Sie auch: Gründer sind die besseren Investoren

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%