Die perfekte Präsentation „Es gibt eine feine Linie zwischen Vision und Halluzination“

Quelle: Manor Lux Photography

Über einhundert Pitches für Gründer haben die Organisatoren des „Rheinland-Pitches“ organisiert. Woran sie Schaumschläger erkennen und welche Tipps sie für die Vorbereitung haben.

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Gut 1500 Start-ups haben sich beworben, über 350 Gründerinnen und Gründer schafften es auf die Bühne – und mussten ihr Geschäftsmodell in wenigen Minuten vor insgesamt mehr als 15.000 Zuschauern erklären. Der „Rheinland Pitch“ ist eine der traditionsreichsten Start-up-Veranstaltungen Deutschlands. Anfang Oktober steht bereits die 102. Ausgabe bevor. Die Digital-Unternehmer Vidar Andersen und Lorenz Gräf haben das Format 2013 aus der Taufe gehoben, seit einiger Zeit gehört Gräfs Sohn Lukas zum Team. 

WirtschaftsWoche: Sie erleben seit acht Jahren Gründerinnen und Gründer, die auf der Bühne ihre große Idee präsentieren. Was hat sich da verändert?
Vidar Andersen: Wir sehen eine enorme Professionalisierung. Es kommt nur noch sehr selten vor, dass jemand sich bewirbt, der eigentlich keine Ahnung hat. Die Gründer sind heute viel besser vorbereitet und haben ein viel größeres Wissen. Das macht die Auswahl für uns schwerer. Aber zum Glück weiß auch das Publikum heute besser Bescheid – und stellt sehr spezifische Fragen.

Die Ursprungsidee der Veranstaltung war, jungen Start-ups eine Übungsmöglichkeit vor großem Publikum zu geben. Ist das dann nicht heutzutage überholt?
Lorenz Gräf: Es ist immer noch total wichtig, weil Start-ups eine Bühne brauchen, um zu üben und zu lernen. Man tritt im Gründeralltag ständig vor fremde Leute, die man überzeugen muss – seien es Kunden oder Investoren. Vor einem Auftritt vor vielen Leuten ist man nervös, da ist man angespannt, da hat man wackelige Knie. Wir stimmen das Publikum mit Kaltgetränken etwas milde, aber die Fragen zielen immer auf den Kern des Geschäfts. So eine direkte Rückmeldung kann sehr hart sein. Aber das ist gut so, das muss man als Gründer lernen.

Welche Fehler wurden in den vergangenen Jahren häufig gemacht?
Andersen: Früher tauchten in den Pitchdecks, den Unterlagen zur Präsentation, der Wettbewerb gar nicht auf. Das geht so nicht, da muss man als Gründer schon die Hose runterlassen, gegen wen man alles antreten will. Aber es passiert immer seltener, dass die Pitchdecks mit Businessplänen verwechselt werden – und die Gründer dann hunderte Folien mit viel zu kleinteiligen Projektionen mitbringen.

Lukas Gräf: Neben dem Wettbewerb fehlten häufig auch Angaben zur Marktgröße. Und immer noch tun sich manche Gründer schwer, sich vom Text der Folien zu lösen und eine einheitliche Story zu präsentieren.

Droht nicht eher die Gefahr, eine zu idealistische Geschichte zu präsentieren, wenn es eigentlich um schnöde Software geht?
Andersen: Natürlich gibt es eine feine Linie zwischen Vision und Halluzination. Aber im Vergleich zu Amerikanern sind hierzulande noch viele Gründer zu zurückhaltend. Bei den wenigsten denkt man wirklich „Wow“. Bescheidenheit muss nicht unbedingt schlimm sein, aber es ist wichtig zu sehen, dass jemand für seine Idee wirklich brennt.

Wird so aus einer Präsentation dann nicht einfach eine Marketing-Show?
Lukas Gräf: Eine Story ist schon wichtig. Allein deswegen, weil die Aufmerksamkeitsspanne vieler Menschen wirklich kurz ist. Wenn man die am Anfang seiner Präsentation nicht erreicht, sind die direkt wieder an ihrem Handy.

Lorenz Gräf: Ein richtig gutes Start-up bearbeitet ein Problem, dass viele Menschen wirklich stört. Diesen Punkt zu finden, ist nicht immer einfach. Aber wenn es gelingt, kann man das auch gut in eine Erzählung verpacken. Zum Glück hat das Publikum aber einen ziemlich guten Fake-Filter. Ein Kaiser ohne Kleider ist noch nie bei uns durchgekommen.

Welche Präsentation ist Ihnen denn besonders in Erinnerung geblieben?
Andersen: Keine konkrete Präsentation, aber das Durchhaltevermögen einiger Gründer. Manche kamen beim ersten Mal mit sehr fragwürdigen Pitches herein, bei denen sie ihre Idee nicht richtig erklärt haben. Aber einer hat es geschafft, immer wieder zu kommen. Und beim dritten Anlauf hat er dann sogar den Abend für sich gewonnen.

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Wie können sich Gründer denn generell vorbereiten – ob auf den Auftritt auf der Bühne oder vor Investoren?
Andersen: Am wichtigsten ist es, mit jedem jederzeit zu sprechen. Und das am besten mit fremden Menschen. Freunde möchten, dass du erfolgreich bist, Kollegen haben vielleicht andere Motive. Wenn man mit Wildfremden spricht, haben die keine Agenda. Die sagen dir, ob dein Baby hässlich ist oder stinkt.

Und wie schult man sich konkret für den Pitch selbst? Da bleiben in der Regel ja nur wenige Minuten, um zu überzeugen.
Lukas Gräf: Eine sehr einfache Antwort ist: Auf Youtube kann man sich jede Menge Videos von erfolgreichen Präsentationen anschauen. Das hilft, einen professionellen Eindruck zu kriegen. Und dann sollte man natürlich vor dem Spiegel üben.

Andersen: Das ist wichtig. Und es hilft, sich nicht zu sehr an das Skript zu klammern. Sonst fokussiert sich das Gehirn allein darauf – und sobald man einmal den Faden verliert, war es das. Mir hat zudem geholfen, jemanden zu finden, der mir hilft, meine Ticks abzulegen. Ich habe früher viel zu häufig das amerikanische „Soooo“ einfließen lassen. Darum habe ich meinen Mitgründer gebeten, mir jedes Mal einen kleinen Tritt in die Hacken zu geben. Dann war das schnell weg.

Welchen Einfluss haben eigentlich Shows wie „Die Höhle der Löwen“ auf Ihr Format?
Lorenz Gräf: Als wir mit dem „Rheinland Pitch“ begonnen haben, mussten wir immer wieder erklären, warum es eigentlich ständig etwas Neues geben muss. Seit der „Höhle der Löwen“ ist es völlig akzeptiert, dass man nach neuen Dingen sucht. Insofern ist es ein gutes Aufklärungsprogramm dafür, was ein Start-up überhaupt ist und wofür es Geld braucht. Aber natürlich bildet es nur einen kleinen Teil der Start-up-Szene ab. Software, die die Welt verändern will, lässt sich dagegen schwerer im Fernsehen darstellen.

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