Digitaler Beauty-Markt Der Duft des Erfolgs

Begehrte Ikonen: Die Flacons berühmter Parfums in einer Ausstellung in Hagen. Quelle: dpa Quelle: dpa

Douglas contra Flaconi und Sephora: Das Online-Geschäft mit Kosmetik und Parfums ist hart umkämpft. Doch über den langfristigen Sieg könnte ausgerechnet die analoge Strategie entscheiden. 

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In der digitalen Welt kommt selbst das berühmteste aller Parfums nicht ohne erläuternde Worte aus. Chanels No. 5 sei die „Essenz der Weiblichkeit“ so schreiben die Texter der Pariser Luxusmarke im eigenen Online-Shop. Alles daran sei besonders, selbst das banale aufsprühen, bei Chanel: die „Kunst der Parfümierung“ Denn: „Das Eau de Parfum im Zerstäuberflakon erlaubt eine großzügige Anwendung (…) in einer graziösen Geste.“

Angesichts solch unbeholfener Worte erstaunt es umso mehr, dass ausgerechnet Flakons wie das von Chanels No.5 im Mittelpunkt einer der spannendsten Wachstumsstorys des E-Commerce der vergangenen Jahre standen: der Parfumbranche. Es konkurrieren das aufstrebende Berliner Start-up Flaconi mit Branchenriesen mit ebenso hohen Online-Ambitionen: Douglas, europäischer Marktführer mit Wurzeln im stationären Handel, sowie die französische Kette Sephora, Tochter des Luxuskonzerns LVMH, zu dem auch Dior gehört.

Wer den Wettstreit für sich entscheidet, ist derzeit   völlig offen. Klar aber ist, woran es dabei ankommen wird, sagt E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann: „Entscheidend ist, wer die großen Marken für sich gewinnen oder stabil halten kann. Douglas wird alles tun, um hier einen Verlust von Marktanteilen zu verhindern“, so der Professor für Handel an der Hochschule Niederrhein.

Parfüms als Puffer
Speziell sind die hochwertigen Düfte in mehrfacher Hinsicht. Erstens in ihrer Zielgruppe – die gilt als überaus treu. Wer sich einer Note zugeneigt fühlt, bleibt meist dabei. Das spielt den jungen Onlinern in die Hände: Bekannte Produkte lassen sich im Netz einfach nachbestellen.  Davon profitiert etwa Flaconi. „Klassiker wie Chanel No. 5 werden jedes Jahr aufs Neue nachgekauft“, sagt Paul Schwarzenholz, der die Online-Parfümerie 2011 mitgegründet hat. „Wie viele Leute gehen noch gerne ins Geschäft? Uns war damals schon klar, dass es ein gutes digitales Einkaufserlebnis auch für Parfüms geben muss“, so der Gründer. Etwa ein technisch verbesserter Shop und hochwertigere Optik bis hin zu den Päckchen brachten die Onliner auf Wachstumskurs: Ein Umsatzplus von zuletzt 48 Prozent nennt Eigner ProSieben Sat 1 – in 2018 lag der Wert bei 135 Millionen Euro.

Bis heute ärgert man sich beim Platzhirsch Douglas, dass sich die Parfüm-Legende Chanel von dem Start-up zu einem Online-Listing bewegen ließ, dabei ist das bereits acht Jahre her. Aus Sicht des Handelsexperten Heinemann tatsächlich eine entscheidende Leistung, denn: „Einige hochwertige Anbieter behindern bis heute den Onlineverkauf und machten es auch Branchenriesen wie Douglas sehr schwer.“ Der Hintergrund: Einer Verramschung ihrer Produkte im Netz wollen die Luxushäuser unbedingt entgehen. Seit jeher sind Parfüms deshalb vom Preiskampf wie bei Kosmetik- und Pflegeprodukten weitgehend ausgenommen – durch Depotsysteme mit Preisbindung.

Werben um die Jugend  
Douglas selbst versucht derweil alles, um im digitalen Geschäft doch noch die Dominanz zu entfalten, die man aus dem stationären Handel gewohnt ist. Mit einem Umsatzplus von zuletzt 38,2 Prozent auf 585 Millionen Euro ist der Onlinehandel längst wichtigster Wachstumstreiber. Andere junge, aufstrebende Onliner hat sich die Parfümeriekette mit einem Umsatz von 3,5 Milliarden Euro bereits einverleibt: Der im selben Jahr wie Flaconi gegründete Hamburger Shop für Luxus-Kosmetik Niche Beauty gehört seit dem vergangenen Sommer mehrheitlich zu Douglas. Ebenso Parfumdreams, der bereits 2004 gegründete Online-Shop der Parfümerie Akzente aus der Nähe von Heilbronn.

Bleibt Flaconi, wo man sich kämpferisch gibt: „Unsere Marktanteile gewinnen wir online. Da ein rasanter Wechsel von offline zu online stattfindet, wachsen wir schneller als der Markt und die Konkurrenz“, sagt CRO Benjamin Ludigs. Er setzt auf eine Zielgruppe, bei der Experten dem Branchenriesen eine Schwachstelle bescheinigen: „Der Fokus liegt auf jüngeren Kunden, die über traditionelle Kanäle nicht erreicht werden“, so Ludigs.

von Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher

Douglas Strategie dagegen geht in die Breite: Chefin Tina Müller will Kunden sowohl über die 2400 Filialen als auch online stärker binden – dafür baut sie die traditionsreiche Parfümeriekette zu einem sogenannten Marktplatz für Beauty-Produkte aus. Drittanbieter sollen darüber etwa zusätzliche Produkte wie Accessoires und Naturkosmetik vertreiben. Ähnlich verbreitert der Modehändler Zalando sein Angebot, zu dem inzwischen auch Parfüms gehören. „Mit dem Launch unseres Marktplatzes machen wir einen weiteren wichtigen Schritt bei unserer Plattform-Strategie und werden so zum Vorreiter der Branche“, lässt sich die zuständige Douglas-Managerin Vanessa Stützle in einer Pressemitteilung zitieren.

Abschrecken lässt sich Flaconi davon bislang nicht, vielmehr sieht CRO Ludigs noch ungenutztes Potenzial im europäischen Ausland: „Unser Ziel ist es, der größte Online-Shop für Beauty-Produkte in Europa zu werden“, gibt er selbstbewusst bekannt. Die neuen Webshops in Österreich und Polen hätten gezeigt, dass das Start-up innerhalb kürzester Zeit skalieren könne, so Ludigs. Im Visier hat die Online-Parfümerie nun vor allem Skandinavien und die Benelux-Länder sowie Frankreich und Großbritannien.

Zwei Welten vereint
Auch wenn Flaconi ohne weitere Filialen wachsen will – ganz ohne physischen Anlaufpunkt geht es für die Onliner nicht. So präsentiert sich die junge Firma seit knapp zwei Jahren in einem sogenannten Concept-Store in Berlin. Zudem kommen laut Ludigs auch Pop-up-Stores für größere Kampagnen in Frage. Aufmischen dürfte den Wettbewerb vor allem die französische Kosmetikkette Sephora, erwartet der E-Commerce-Experte. Das Unternehmen kündigte im vergangenen Jahr eigene Läden in Deutschland an. In der Präsenz vor Ort sehen Handelsexperten entscheidende Vorteile: An Bedeutung gewinnen zum Beispiel sogenannte „Click-and-Collect“-Angebote, beobachtet Georg Wittmann, Geschäftsführer des Forschungsinstituts ibi Research der Uni Regensburg. Online kaufen und im Laden abholen: „Aus Verbrauchersicht spielen die verschiedenen Kanäle immer stärker zusammen“, sagt Wittmann. Hier könne das Start-up noch nicht mithalten. Flaconis künftigem Erfolg sieht auch Handelsprofessor Heinemann Grenzen gesetzt: „Die Zukunft ist ganz klar Multichannel – die Coronakrise einmal außen vor gelassen.“

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