Digitalisierung auf der Baustelle Per Klick zum Kran

Wenn es schnell gehen muss: Maschinen zur Miete Quelle: dpa

Material kommt zu spät, Maschinen fehlen: Start-ups packen mit an, um Bauprojekte voranzutreiben. Für die Miete etwa von Baggern und Lastwagen geben Bauunternehmen jedes Jahr viele Millionen aus. Nur zu digital darf es nicht werden.

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Pragmatisch geht es zu, wenn das Team von Tomas Zelic einspringt: Bricht in einem Rohbau irgendwo in Deutschland die Kälte herein, organisiert das Start-up Klickrent kurzfristig Heizgeräte. Oder vermietet spezielle Bagger, die auf der Baustelle nur ein paar Tage gebraucht werden. Den Kontakt zu Bauleitern, Polieren und Handwerkern hält die 2015 gegründete Firma schlicht: Die Anfragen kommen klassisch per Mail, über die Webseite oder nicht selten auch über die Telefon-Hotline. 

Denn zu rasant darf die Digitalisierung in der Branche nicht gehen: Eine Handy-App hat die Berliner Mietplattform für Bautechnik vorerst wieder eingestellt. „Der Standard auf der Baustelle ist immer noch der Anruf“, sagt Geschäftsführer Zelic, der auch den Inkubator Z Lab des Mutterkonzerns Zeppelin führt. „Wenn Bauleiter ihre drei Top-Kontakte abtelefoniert haben und dort nicht weiterkommen, landen sie über die Suche im Netz bei uns.“ Entsprechend wichtig ist es für das Start-up, bei den Treffern der Suchmaschinen oben zu landen. Aufmerksamkeit erhofft sich Klickrent von Werbekampagnen in sozialen Netzwerken wie Instagram.

Ob fehlende Geräte, Engpässe beim Material oder Absprachen mit anderen Handwerkerteams: Start-ups wie Klickrent finden auf Baustellen jede Menge Arbeit. Mit Software und digitalen Plattformmodellen versuchen sie, Bauunternehmen und Logistikern, Installateuren und anderen Handwerksbetrieben unter die Arme zu greifen. Denn es geht ums Geld: Verzögerungen treiben die Baukosten enorm in die Höhe, das sorgt nicht nur bei Prestigeprojekten wie Teslas Fabrik in Grünheide für Unruhe. Wo in wenigen Monaten die ersten E-Autos vom Band rollen sollen, können Baufirmen nicht lange etwa auf Maschinen warten, die gerade anderswo im Einsatz sind.

Arbeitsbühne per Express

Die Maschinenmiete ist nur ein Baustellenareal, auf dem sich Start-ups drängen. Es ist ein kleinteiliger und umkämpfter Markt. Fast fünf Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften die Vermieter von Baggern, Arbeitsbühnen und Betonmischern im Jahr. Ein Wachstum von bis zu fünf Prozent hält der Bundesverband der Baumaschinen-, Baugeräte- und Industriemaschinen-Firmen (BBI) in diesem Jahr für möglich. Start-ups wie Klickrent schalten sich als Vermittler ein: hier drei freie Bagger, dort fünf Gabelstapler – damit Bauleiter die Anbieter in ihrer Nähe nicht einzeln abklappern müssen, behalten die jungen Firmen den Überblick. Immerhin zählt der Verband über 4000 Vermieter von Bauequipment in Deutschland. Deren Maschinen stärker auszulasten, damit werben die jungen Wettbewerber. Sie bringen entweder Vermieter und Mieter zusammen oder schalten sich als Vertragspartner dazwischen.

Ein Geschäft mit guten Aussichten, glaubt man den Aufsteigern: Klarx aus München etwa verzeichnet kräftiges Wachstum, sagt der Gründer und Geschäftsführer Florian Handschuh. „Das war eine sehr aufregende Zeit in den vergangenen 14 Monaten.“ Der 31-Jährige baut die Firma seit 2015 mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Matthias Handschuh und dem gemeinsamen Freund Vincent Koch auf. Die Unsicherheit, ob im Zuge der Pandemie etwa Baustellen geschlossen werden müssten, habe das Neugeschäft zwar belastet. „Doch jetzt boomt die Baubranche trotz Corona, und auch wir spüren die Beschleunigung gerade im Wohnungsbau“, so Handschuh. Der Umsatz lege mit dreistelligen Raten zu, konkrete Zahlen aber nennt er nicht. 

Um auch im europäischen Ausland angreifen zu können, wirbt das Start-up mit 100 Mitarbeitern gerade wieder um Investoren. Die sollen sich von bestehenden Allianzen überzeugen lassen: Mit dem Heizungsbauer-Start-up Thermondo beispielsweise hat Klarx einen Exklusivdeal. Weil Thermondo bei Installationen hin und wieder kurzfristig an Schornsteine heran muss, organisiert Klarx dafür innerhalb von 24 Stunden die Arbeitsbühnen. Um solche Aufträge konkurrieren die Münchener mit Start-ups aus ganz Deutschland: In Nürnberg hat die 2017 gegründete Firma Rentem mit dem Spezialisten für Lagerkennzeichnung ONK aus Köln einen strategischen Investor gefunden. Und in Bremen sind seit drei Jahren die beiden 23- und 26-jährigen Gründer Rezi Chikviladze und Manuel Kimanov auf Kundenfang. Ihr Start-up Sharemac entstand aus einem Studienprojekt an der privaten Bremer Hochschule Jacobs University.

Überall schnell aushelfen zu können, ist ihr Ziel. Bei schwerem Gerät allerdings eine Herausforderung: Klarx setzt deshalb ganz analog auf Logistikzentren, wo Vermieter und auch Hersteller ihre Maschinen parken können – um von dort aus möglichst effizient und flexibel disponieren zu können. „Unsere Maschinen sollen im Schnitt nicht mehr als 60 Kilometer vom jeweiligen Standort zur Baustelle fahren müssen“, sagt Handschuh. Über die Logistikzentren, das erste eröffnete im Oktober in München, will das Start-up auch die Abwicklung der Miete inklusive Schadenserfassung vereinheitlichen und damit beschleunigen. 350.000 Maschinen von Partnerbetrieben listet Klarx inzwischen – vom Bagger und Lader bis zum Kran. Die mietet das Start-up selbst und organisiert damit als zentraler Ansprechpartner für die Bauunternehmen auch den Transport und die Versicherung. „Dass wir die Verfügbarkeit sämtlicher Maschinen garantieren, ist unser Mehrwert gegenüber den oft spezialisierten lokalen Vermietern“, sagt der Gründer.

Fundgrube für Tüftler

An der Digitalisierung auf dem Bau arbeiten auch junge Firmen aus anderen Branchen: Den Einkauf und Transport von Sand, Schotter und Kies beispielsweise hat sich Schüttflix aus Gütersloh vorgenommen. Die Dokumentation von Mängeln auf der Baustelle und die Aufgabenplanung wollen Start-ups wie das Wiener Proptech Planradar vereinfachen. Mit seiner Software kommt die 2014 gegründete Firma auch bei Instandhaltungsarbeiten zum Einsatz: neuerdings etwa in den 22 Schnellrestaurants der amerikanischen Kette Five Guys in Deutschland. Und nicht zuletzt sind Sensorik-Experten und Datenanalysten auf Baustellen unterwegs, um Gebäude- oder Maschinendaten auszuwerten.

So rüstet PowerX Wohnungen mit Sensoren aus, um den Strom-, Wasser- und Gasverbrauch auszuwerten und letztlich mit Hilfe einer Software zu reduzieren. Und das Münchener Start-up Konux etwa spezialisiert sich auf Daten aus Industriemaschinen, um deren Wartung intelligent vorauszuplanen.

Mittels Datenanalysen will sich auch das Konzerngewächs Klickrent bei der Maschinenmiete zukunftsfähig aufstellen. Das Berliner Start-up arbeitet deshalb an seiner Datenbank und den nötigen IT-Schnittstellen, um Informationen zu den gelisteten Baugeräten künftig automatisiert nachzuhalten: Wo steht die Maschine, ist sie gerade frei oder möglicherweise in der Reparatur? Den Boden bereiten soll ein zweites internes Innovationsprojekt namens Klickcheck, das derzeit laut Zelic bei 80 Partnervermietungen im Einsatz ist. Mittels Software will Klickcheck zunächst die Übergabe der Baugeräte vereinfachen: Schäden mit den zugehörigen Fotos beispielsweise werden direkt digital registriert.

Vom gewonnenen Know-how soll der gesamte Zeppelin-Konzern mit weltweit knapp 10.200 Mitarbeitern profitieren. Das Stiftungsunternehmen erwirtschaftet mit dem Vertrieb von Baumaschinen etwa des US-Herstellers Caterpillar sowie Baustellenlogistik und -management einen Jahresumsatz von zuletzt 3,3 Milliarden Euro. Der Konzern ist gleichzeitig ein Rivale für Klickrent: Denn die Geschäftseinheit Rental wirbt um dieselben Mietaufträge wie das eigene Start-up. Von einem „kollegialen Konkurrenzverhältnis“ spricht Klickrent-Geschäftsführer Zelic. Sein Team hat die Aufgabe, neue Geschäftsmodelle zu erproben und vor allem Standardprozesse zu digitalisieren.

Neugier auf neue Lösungen

Unabhängige Testläufe sind die Idee: Auch deshalb wachsen die Zöglinge Klickrent und Klickcheck nun aus dem internen Inkubator heraus. Noch in diesem Jahr sollen sie eine eigenständige 100-prozentige Tochter des Konzerns werden und weiterhin von Berlin aus tüfteln, wie Zelic ankündigt. Mit einiger Distanz zur Zentrale in Garching bei München will das Team aus derzeit 20 Mitarbeitern dann in weitere europäische Länder expandieren.

Was dabei helfen dürfte: Die Pandemie weckt neue Hoffnungen auf die Digitalisierung in der Baubranche, wie etwa eine Umfrage des Beratungsunternehmens PwC zeigt: Um von Telefonaten, unübersichtlichen Mailverläufen und Zettelwirtschaft wegzukommen, wollen in den kommenden fünf Jahren fast drei Viertel der Bauunternehmen und mehr als die Hälfte der Planer und Projektsteuerer investieren, geht aus einer im Dezember veröffentlichten Befragung unter 100 Unternehmen in Deutschland hervor. „Die vergangenen Monate haben viel verändert. Unsere Kunden sind für digitale Lösungen deutlich offener geworden“, sagt auch der Geschäftsführer von Klickrent.

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So hat die App womöglich doch noch eine Chance. Immerhin die Kundentermine per Videokonferenz haben sich seit Ausbruch der Pandemie etabliert. Auf die Baustelle müssten seine Mitarbeiter nur noch selten rausfahren, sagt Zelic. Denn die meisten Fragen ließen sich einfach am Computer oder über das Smartphone klären. Vor Corona stieß die Idee trotzdem auf wenig Gegenliebe, sagt der Geschäftsführer und lacht: „Da hatten wir sogar einmal Prämien für Außendienstmitarbeiter gezahlt, die unsere Kunden für digitale Meetings begeistern sollten.“

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