E-Bikes Corona gibt Fahrrad-Start-ups Rückenwind

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Kapitalgeber verlassen Komfortzone

Den Pitch-erprobten Gründern gelang es dann, auch zwei Großinvestoren zu überzeugen, die 13,2 Millionen Euro in Cowboy steckten – darunter Index Ventures. Fremd sind der renommierten Venture-Capital-Firma Mobilitätsthemen dank früher Beteiligungen an Drivy (privates Carsharing) und Blablacar (Mitfahrzentrale) zwar nicht. Doch anders als die Plattform-Start-ups baut Cowboy physische Produkte – ein Vorhaben, an dem unzählige Jungunternehmen scheitern.

„Die VCs haben angedeutet, dass sie sich mit uns außerhalb ihrer Komfortzone bewegen”, sagt Roose. Der zuständige Partner bei Index Ventures habe die Gründer ermuntert, Ende vergangenen Jahres zusätzlich noch eine Crowdfunding-Kampagne zu starten. Das enorme Interesse der Kleinanleger dürfte den professionellen Wagniskapitalgeber bestätigt haben: Mehr als 3.000 Investoren aus 70 Ländern unterstützten Cowboy mit zusammen 4,7 Millionen Euro.

Üppig mit Kapital ausgestattet ist auch Konkurrent Vanmoof, der in Presseartikeln gern als „Tesla der Fahrradbranche” bezeichnet wird: 12,5 Millionen Euro sammelte das 2009 von zwei Brüdern gegründete Unternehmen kürzlich ein. Geldgeber ist neben dem Montagepartner Sinbon Electronics mit Balderton Capital ebenfalls eine renommierte VC-Firma. Mit dem Anschub wolle man nun die Marke von 100 Millionen Euro beim Jahresumsatz knacken, teilte das bereits 2009 gegründete Unternehmen mit.

Ungebrochener Trend zum E-Antrieb

„Die Risikokapitalgeber bringen den Markt durcheinander”, sagt Coboc-Chef Horsch. „Der Wettbewerbsdruck nimmt für uns natürlich zu.” Anders als die Konkurrenten in Belgien und den Niederlanden haben sich die Heidelberger bisher weitgehend alleine durchgeschlagen. Eine Anschubfinanzierung kam von Horschs Familie, vor zweieinhalb Jahren sind zwei Business Angels eingestiegen. Die lokale Sparkasse finanziert Lieferungen vor. Einem finanzkräftigen Gesellschafter wäre das Start-up nicht abgeneigt, lässt der Gründer durchblicken.

Was Start-ups wie Coboc für potenzielle Investoren besonders interessant macht: Weil sie viele Komponenten selbst entwickeln, erzielen sie potenziell höhere Margen. Und weil die Räder digital vernetzt sind, könnten künftig kostenpflichtige Updates der Steuerungseinheit und der Software eine Erlösquelle werden. Cowboy bietet gegen eine monatliche Gebühr bereits Versicherungen an, Abonnenten erhalten zudem eine Warnung auf ihr Smartphone, wenn das E-Bike unbefugt bewegt wird.

Technisch fühlt sich Coboc den Konkurrenten überlegen – und kann eine größere Auswahl vorweisen. Neben dem schlanken „One“ produzieren die Heidelberger inzwischen auch Trekkingräder sowie geländetaugliche Gravelbikes. Zudem ist jedes Modell in unterschiedlichen Rahmengrößen erhältlich. Das günstigste Rad kostet 3000 Euro, das teuerste doppelt so viel. Zum Vergleich: Cowboy ruft für sein aktuelles Modell einen Preis von knapp 2300 Euro auf, Vanmoof 2000 Euro und das von TV-Moderator Joko Winterscheidt unterstützte Start-up Sushi Mobility aus München verlangt sogar nur 1000 Euro.

Ringen um die richtige Vertriebs-Strategie

Die Preisunterschiede erklären sich nicht alleine durch Ausstattung und Qualität. Auch das Vertriebsmodell ist ein wichtiger Faktor. Denn Coboc setzt vor allem auf Fachhändler – und die verdienen natürlich mit. „E-Bikes waren vor allem anfangs stark erklärungsbedürftig“, sagt Co-Geschäftsführerin und Vertriebschefin Annalena Horsch. In den ersten Jahren habe man mühsam Klinken putzen müssten. Viele Händler scheuten die Zusammenarbeit mit einem jungen Unternehmen. „Inzwischen hat sich das Blatt gewendet“, sagt die Nichte des Gründers. Rund 100 Händler in Deutschland verkaufen die Produkte aus Heidelberg aktuell. Seit der Corona-Krise können sich Kunden die Räder auch online bestellen und nach Hause liefern lassen.

Vanmoof und Cowboy haben die mühsame Händler-Akquise übersprungen – und setzen vor allem auf den Online-Direktverkauf. Cowboy-Gründer Roose weiß um die Nachteile: „Die meisten Interessenten wollen zuerst eine Probefahrt machen.“ Die Lösung: Das Start-up arbeitet mit Freiberuflern zusammen, die das Fahrrad beim Kunden vorbeibringen. Nach demselben Modell baut Cowboy gerade einen mobilen Reparaturdienst auf. Im Heimatland experimentiert Roose zudem mit eigenen Geschäften – vorerst nur temporär mit sogenannten Popup-Stores.

Vertreten ist Cowboy über sein Freiberufler-Netzwerk inzwischen in 70 europäischen Städten, Deutschland ist der wichtigste Markt: Vier von zehn Räder werden hier verkauft. Für dieses Jahr rechnet der Gründer – auch dank des Corona-Effekts – mit insgesamt 15.000 verkauften E-Bikes. Gegenüber 2019 wäre das eine Verdreifachung. Auch Coboc rechnet mit einem satten Plus, gerade wird ein Auslandsvertrieb aufgebaut. Das Rennen um die Vorherrschaft im Markt für sportliche E-Bikes nimmt so weiter an Fahrt auf – den aktuellen Rückenwind für die Branche wollen alle Start-ups gleichermaßen nutzen.

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