Endeit Capital Big-Brother-Erfinder wird zum Einhorn-Züchter

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Der deutsch-niederländische Fonds Endeit Capital will einen Großteil seiner 250 Millionen Euro in deutsche Start-ups investieren. Auf welche Gründer die einstigen Endemol-Manager dabei setzen.

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Für Geschäftsreisebüros waren die vergangenen Monate hart. Manager und Berater zogen sich ins Homeoffice zurück, die Reisetätigkeit sank fast auf Null ab. Dem Start-up Comtravo aber erwies sich die Coronakrise als optimale Einkaufsgelegenheit: Im Januar etwa übernahmen die Berliner sechs Büro der insolventen Reiseagentur Bühler. Deren Kunden will das junge Unternehmen nun mit seiner Technologie weiterhelfen, die softwaregestützt die Buchung und Planung von Dienstreisen effizienter gestaltet. Schon zu Beginn der Pandemie im vergangenen Frühjahr hatte Comtravo einen ähnlichen Zukauf verkündet.

Das Start-up ist damit nur ein Beispiel aus dem Portfolio eines besonders umtriebigen Investors, der es sich zum Ziel gesetzt hat, in den kommenden Monaten den deutschen Markt aufzurollen und mit seinen vielen Millionen tatsächlich für Aufsehen sorgen könnte: Endeit Capital, eine deutsch-niederländische Gesellschaft, die Unternehmen nicht nur kauft, sondern sie in der Folge zu extrem forschen Wachstumsambitionen treibt.

Neben einem organischen Wachstum ermuntert der niederländisch-deutsche Geldgeber seine Gründer, sich auch nach möglichen Übernahmekandidaten umzusehen, um in bestimmte Länder oder Produktgruppen schneller vorstoßen zu können. Die Idee: Aus national aufgestellten Start-ups sollen zügig Marktführer in bestimmten digitalen Nischen werden. „Wir haben in Comtravo schon vor der Corona-Krise mit der These investiert, dass sich der Markt konsolidieren wird“, sagt Hubert Deitmers, Mitgründer des Fonds.

Viel Erfahrung mit Übernahmen im Fließbandtakt

Auch Deitmers selbst ist eine interessante Figur. Neben der Tätigkeit als Investor stand er viele Jahre auch bei der TV-Produktionsfirma Endemol, die einst das global erfolgreiche TV-Format „Big Brother“ erfand, in der Verantwortung. Das Prinzip Endeit erinnert durchaus an das von Endemol, wenn auch auf einem anderen Feld. Endemol selbst wurde im Jahr 2000 für stolze 5,5 Milliarden Euro an den Telekommunikationskonzern Telefonica verkauft. Mehr als 80 Firmen habe man zuvor zusammengekauft, um in zahlreichen Ländern eine führende Position zu erlangen, berichtet Deitmers.

Sein Ziel als Investor: Die Beteiligungen sollen das Potenzial haben, zu den drei wichtigsten Firmen in Europa oder den fünf relevantesten weltweit aufzusteigen. Welche Branche ein Tech-Unternehmen dabei angreift, ist dem Investor relativ egal. Im Portfolio finden sich Finanz-Start-ups ebenso IT-Spezialisten – und aus alter Verbundenheit noch einige Medienfirmen. Im Fokus steht im Moment eher die Technologie: Besonders Start-ups, die maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz oder Quantencomputing nutzen, stoßen auf das Interesse von Endeit. Die Erfolgsformel für das weitere Wachstum ist dabei die gleiche geblieben: „Wenn man schnell wachsen will, muss man sich darauf konzentrieren, durch Innovation zu wachsen – und durch Übernahmen“, sagt Deitmers.

Neuer Fonds mit 250 Millionen Euro

Mit seinen Investitionen liefert Endeit Capital den Start-ups das nötige Spielgeld, um Konkurrenten zu kaufen. Die eigenen Kassen sind frisch gefüllt: Heute gibt der Risikokapitalgeber mit Büros in Amsterdam und Hamburg bekannt, den mittlerweile dritten Fonds mit einem Volumen von 250 Millionen Euro zu schließen. An etwa 16 bis 20 Start-ups will sich Endeit Capital mit diesem Geld in den kommenden Jahren beteiligen. Der Großteil soll dabei vor allem in junge Technologie-Unternehmen in den Benelux-Ländern oder in Deutschland fließen.

Der hiesige Markt habe sich gut entwickelt, sagt Philipp Schröder, Partner im Hamburger Büro: „Die Gründer in Deutschland sind ambitionierter als je zuvor, auch weltweite Marktführer in ihren Bereichen aufzubauen“. Aktuell ist Endeit Capital neben Comtravo unter anderem am Cloud-Start-up Gridscale und am Luxusuhren-Marktplatz Chronext, beide mit Sitz in Köln, beteiligt.

Zu den frühen Erfolgen gehörte ein nur kurz gehaltener Anteil an dem Handwerker-Marktplatz Contorion. Der wurde 2017 für damals beachtliche 120 Millionen Euro von der mittelständischen Hoffmann-Gruppe gekauft. Heute sieht Schröder jedoch noch deutlich größere Potenziale für den Investor: „Ich habe einige Beteiligungen an Firmen aus heutiger Sicht sicher etwas zu früh verkauft.“

Investoren brauchen immer tiefere Taschen

Sowohl Börsengänge als auch Übernahmen durch Konzerne sind dabei Möglichkeiten für den Geldgeber, sein Kapital zu vervielfachen. Deals wie die Flaschenpost-Übernahme durch Dr. Oetker im vergangenen Jahr haben zahlreiche Investoren in Aufregung versetzt. „Das war ein Wendepunkt, dass europäische Unternehmen jetzt auch Tech-Firmen für 500 Millionen Euro und mehr kaufen“, sagt Schröder. Das Ziel für die Zukunft ist es, immer wieder Anteile an sogenannten Einhörnern zu besitzen. Das sind Start-ups, die zu einer Bewertung von über eine Milliarde Dollar gehandelt werden.

Doch allein ist das niederländisch-deutsche Investorenteam mit solchen Ambitionen nicht. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche institutionelle Geldgeber auf dem europäischen Markt deutlich größere Fonds aufgelegt: Darunter sind etwa Atomico mit 760 Millionen Euro, sowie Lakestar und Highland mit um die 700 Millionen Euro an Kapital. „Es gibt mehr Wettbewerb um gute Start-ups“, bestätigt auch Schröder.

Dazu kommt: Rein rechnerisch kann Endeit pro Start-up etwa zehn bis 15 Millionen Euro investieren. In der Regel beteiligt sich der Investor in der sogenannten Series-B-Runde. Zu dem Zeitpunkt haben Start-up bereits ein gut funktionierendes Produkt und ein solides Team aufgebaut – das Geld wird dann für eine Expansion benötigt. In der jüngeren Vergangenheit sind die aufgerufenen Summen hier jedoch explodiert. Ein Beispiel ist der Express-Lieferdienst Gorillas, der bereits ein Jahr nach der Gründung über 240 Millionen Euro einsammeln konnte. Fonds-Gründer Deitmers mahnt zur Vorsicht: „Die aktuellen Bewertungen sind sehr hoch. Und wenn sie aus unserer Sicht zu hoch sind, dann machen wir es nicht.“

Gute Beziehungen zu Gründern gesucht

Doch um sich zukünftig an vielversprechenden Start-ups beteiligen zu können, wird Endeit nicht um höhere Summen herumkommen. Eine Option für einen Investor dieser Größenordnung: Der Zusammenschluss mit anderen Geldgebern, über den auch höhere zweistellige Millionenbeträge zusammenkommen können. Eine andere, so Schröder: Man versuche, bereits deutlich früher mit Gründern in Kontakt zu kommen und für das eigene Modell zu werben. „Das hilft uns, auch in wettbewerbsintensiven Runden zum Zuge zu kommen“, sagt Schröder.

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Auf langfristige Partnerschaften setzt Endeit auch bei seinem eigenen Investorenkreis. Ein Teil des frischen 250-Millionen-Fonds stammen von Start-up-Gründern, die zuvor mit Endeit-Millionen ihr Unternehmen wachsen lassen konnten. Wie selbstbewusst Fonds-Mitgründer Deitmers ist, zeigt eine Nachricht aus den vergangenen Wochen: Gemeinsam mit seinem Kollegen Martijn Hamann übernahm er 50 Prozent der Anteile an Endeit Capital von der Produzentenlegende Joop van den Ende. Der 79-Jährige will sich langsam aus dem Berufsleben zurückziehen – aber hier und da weiterhin privat investieren: „Endeit Capital war ein großartiges Kapitel in meinem Leben, aber jetzt wird es Zeit, mich auf andere Dinge zu fokussieren.“

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