Frank Thelen „Wir lernen mehr durch Schmerz als durch Glück“

Unternehmer und Gründer Frank Thelen bringt Ende August seine Autobiografie auf den Markt. Quelle: Presse

Frank Thelen ist 42 Jahre alt. Höchste Zeit für eine Autobiografie. Darin erklärt der Startup-Investor, warum sein Erfolg viel mit Skateboard-Fahren zu tun hat – und warum er sich jetzt um Deutschland kümmern will.

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Die Narbe an seiner Lippe hat sich Frank Thelen als Jugendlicher auf der Skateboard-Rampe geholt, beim Einstudieren des Manövers „50/50 to Fakie“. Thelen landete mit dem Gesicht auf der Rampe, ein Zahn bohrte sich durch seine Lippe. Auf die Narbe ist er heute stolz.

Die Geschichte erzählt Thelen in seiner Autobiografie (Murmann-Verlag, 22 Euro), die in dieser Woche erscheint. Der Mann ist gerade mal 42, hat aber in dieser Zeit schon so viele Rollen eingenommen, dass dies locker die 292 Seiten des Buches füllt: vom Pleitier zum erfolgreichen Unternehmer, vom TV-Star zum Retter der Bundesrepublik Deutschland. Und dazu die überraschende Erkenntnis: „Ohne das Skateboard wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“ Wer ist dieser Mann, wie sieht er sich selbst?

„Wir lernen mehr durch Schmerz als durch Glück“

Bad Godesberg: In den 80er-Jahren: Frank Thelen wächst in einer Mittelschicht-Familie auf, der Vater vertreibt Funkgeräte, die Mutter ist Hausfrau. Der junge Frank tut sich – im Gegensatz zu seiner älteren Schwester – schwer in der Schule, er gehört zu den Losern in seiner Klasse. Er fremdelt mit dem Auswendig-Pauken, muss das Gymnasium verlassen, wird auch an der Realschule nicht glücklich.

So richtig wohl fühlt er sich nur in seiner Freizeit, auf dem Skateboard. Er schwänzt die Schule, um im Kurpark von Bad Godesberg zu fahren. Der Sport bringt ihm Spaß, Anerkennung. Er überzeugt den Bezirksbürgermeister, einen Skatepark mit drei Rampen zu bauen. „Das hat mich geprägt und ist mir bis heute geblieben“, schreibt Thelen. „Wenn mich etwas packt, gebe ich alles.“ Auf dem Höhepunkt seiner Skater-Laufbahn kann er sechs Stufen herunterspringen, während sich das Brett unter seinen Füßen einmal um die Längs- und einmal um die Querachse dreht.

Sein erstes Erfolgserlebnis abseits der Rampen hat er, als er aus Versehen die Festplatte des Familiencomputers formatiert. Binnen kurzer Zeit bringt er sich selbst das Programmieren bei und macht den Fauxpas wieder gut. Sein Fachabitur macht er an einer Schule, die ihn parallel zum Informatiker ausgebildet hat. Das Informatik-Studium bricht er aber schnell ab. Er will Firmen gründen.

„Damals bin ich ungebremst auf den Hosenboden gefallen“

Die Softwarefirma Twisd AG ist Thelens erste große Gründung. Es ist die Zeit des Neuen Marktes, Thelen und sein Partner wollen an die Börse. Sie sammeln erstes Geld ein, heuern Mitarbeiter an, konzentrieren sich zu wenig auf das Kern-Geschäft. Thelen bestellt sich einen BMW 33i, 300 PS, sechs Zylinder, mit Fernseher. Für einen Kredit bürgt Thelen mit seinem Privatvermögen – „der dümmste Fehler meines Lebens“. Die Firma muss Insolvenz anmelden, Thelen ist ruiniert, die Bank fordert eine Million Euro von ihm. Deprimiert verkriecht sich Thelen in seinem alten Kinderzimmer, lässt die Jalousien herunter.

Doch dann startet er neu. Mit der Bank macht er einen Deal: 500 Euro monatlich soll er zehn Jahre lang abbezahlen. Er hat es bis zum Ende getan, obwohl er sie später leicht auf einen Schlag hätte tilgen können. „Doch ich wollte, dass mich die monatliche Überweisung an diese schwere Zeit in meinem Leben erinnert und mahnt, die Fehler aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen.“

Frank Thelen: „Mein ganzes Leben baue ich Startups auf “

Thelen gründet eine neue Firma: den Online-Fotoservice IP Labs, der aus digitalen Fotos Abzüge und Fotobücher erstellt. 2008 verkaufen Thelen und seine Partner die Firma an Fujifilm. Nach dem Deal legt das Thelen-Team von dem Erlös eine Million zurück – als Wagniskapital für andere Gründer. So wird aus Thelen der Startup-Investor. Zum Beispiel für die To-do-Listen-App Wunderlist, das 2015 an Microsoft verkauft wird – „eine fantastische Erfolgsstory mit Happy End“.

Kein Happy End hingegen hat Thelen mit der Dokumenten-App doo, die die Ordner-Struktur abschaffen sollte – aber bei Nutzern durchfällt. „Scheitern gehört zum Erfolg, das müssen besonders wir Deutschen dringend lernen.“ Ein Teil von doo ist laut Thelen dann aber doch noch zum Erfolg geworden: die Scanner-App Scanbot, mit der man Dokumente abfotografieren und in pdf-Dateien umwandeln kann.

„Du musst dich exponieren. Es gibt dich, dein Brett und die Treppe vor dir. Du musst da runter“

Durch einen Bekannten landet Thelen in der Gründer-Show „Höhle des Löwen“, die von Vox ausgestrahlt wird. Anfangs sei er „ein wenig nervös“ gewesen, als acht Kameras auf ihn gerichtet waren, berichtet Thelen. Doch dann habe er erkannt, dass er „goldrichtig“ in der Sendung sei: „Mein ganzes Leben baue ich Startups auf – ob als Gründer oder Investor. Das ist meine DNA.“

„Wir müssen jetzt die positive Spirale aktivieren“

Thelen verrät, dass er in der Sendung gerne mit Judith Williams zusammenarbeite – mit Freizeit-Unternehmer Jochen Schweizer eher nicht. Dieser habe nach Thelens Eindruck „seinen Sessel heimlich höher als die anderen ,Löwen‘ bauen lassen“, um größer zu wirken. Auch habe er sich beim Trailer „so in den Vordergrund gedrängt, dass mich die Kamera nicht mehr sah“. Zu Thelens Erleichterung ist Schweizer nicht mehr dabei.

Über die „Höhle der Löwen“ ist Thelen übrigens zum Food-Unternehmer geworden, investierte etwa in „Little Lunch“ (Bio-Suppen) oder 3Bears (Porridge).

„Beim Skaten ist jeder der Erste“

Doch sein Hauptaugenmerk gilt den Zukunftstechnologien – die neuen Bereiche, in denen es noch keine Regeln gibt, wie auf einer neuen, leeren Skateboard-Rampe. „Deutschland hat fast alle großen neuen Technologien verpasst“, schreibt Thelen. Amerikanische und chinesische Konzerne wie Amazon, Google, Apple, Facebook, Twitter, Tesla und Alibaba hätten die wichtigsten Felder besetzt. Deutschland laufe Gefahr, zum „Nokia unter den Staaten“ zu werden.

Deshalb investiere er in das Münchner Flugtaxi Lilium. Deshalb will er dafür sorgen, dass ein deutsches Unternehmen zu einer Plattform wie Google werden kann. Er nennt die Schlagworte Künstliche Intelligenz, Sensoren, Sprachsteuerung, 3D-Druck, Roboter und E-Transport.

Die Politik solle dabei helfen, Deutschland voranzubringen – durch weniger Regulierung, ein einfacheres Steuersystem und einen Ausbau der digitalen Infrastruktur. „Die Politik hat noch nicht begriffen, dass wir wirklich jetzt handeln müssen“, schreibt Thelen. Und: „Eventuell brauchen wir einen unabhängigen charismatischen Demokraten, der eben nicht aus dem Apparat der etablierten Parteien kommt und dort bis zur Unkenntlichkeit rundgelutscht wurde“, schreibt er. Es scheint fast so, als ob er damit sich selbst meint.

Frank Thelens „Startup-DNA - Hinfallen, aufstehen, die Welt verändern“ erscheint am 27. August im Murmann Verlag. Quelle: Presse

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