Freytags-Frage

Warum geht die Zahl der Unternehmensgründungen zurück?

In Deutschland werden weniger Firmen gegründet. Das liegt einerseits an der seit Jahren sinkenden Arbeitslosigkeit. Andererseits tut die Politik zu wenig, um Unternehmertun zu fördern.

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Schild Start-Up-Stage Quelle: dpa

Im Vergleich zu 2010 hat sich die Anzahl der Unternehmensgründungen in 2014 um etwa 100.000 auf etwas über 400.000 verringert. Im Vergleich zum Rekordjahr 2004 sind es somit über 150.000 weniger gewesen. Dies ist zunächst einmal eine gute Nachricht. Denn ein großer Anteil der Neugründungen von Unternehmen umfasst die Unternehmer aus Notwendigkeit (necessity entrepreneurs), d.h. Unternehmer, die aus der Notwendigkeit heraus, z.B. wegen Arbeitslosigkeit, gründen und deren Geschäftsmodelle deshalb oftmals nicht sehr nachhaltig sind. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Deutschen sichere Jobs der Selbständigkeit häufig vorziehen. Daneben verdienen viele Angestellte mehr als die meisten Selbständigen, zumal die getriebenen.

Und in der Tat hat die Arbeitslosigkeit seit 2004 deutlich abgenommen, viele der (potenziell) Selbständigen aus der Not haben einen Arbeitsplatz gefunden.

Es gibt aber auch große Nachteile, wenn es weniger Unternehmensgründungen gibt, vor allem wenn diese wegen einer Gelegenheit (opportunity entrepreneurs) bzw. eines gewinnversprechendem Geschäftsmodells vorgenommen werden. Diese Unternehmen sorgen nicht nur dafür, dass der Gründer nicht mehr arbeitslos ist, sondern schaffen in der Regel gutbezahlte Arbeitsplätze für andere.

Die teuersten Städte für Unternehmer
Spasskaya tower im Kreml Quelle: dpa
Oper in Sydney Quelle: dpa
Ein Mann schaut vom 124. Stockwerk des Burj Dubai auf die Hochhäuser der Stadt. Quelle: dpa
Skyline von Tokio Quelle: AP
Boat Quay nahe der Wolkenkratzer an der Marina Bay in Singapur Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Market Street in San Francisco Quelle: REUTERS
Als Napoleon und seine Garde verkleidete Reiter vor dem Pariser Louvre Quelle: Reuters

Neben den neugeschaffenen Arbeitsplätzen sind die Dynamik und das Innovationspotential, die von gelegenheitsgetriebenen Neugründungen ausgehen, ins Kalkül zu ziehen. Neue Unternehmen von jüngeren Gründern dürften ein höheres Potential als etablierte Unternehmen dafür aufweisen.

Drittens muss gewürdigt werden, welche Rolle erfolgreiche Unternehmer in der Gesellschaft spielen. Sie bilden gerade in den ländlichen Räumen das Rückgrat der Zivilgesellschaft, indem sie sich politisch engagieren, Kunst, Kultur und Sport als Sponsoren oder Mäzene unterstützen und sich auch sonst einbringen. Sie dienen derart auch als Vorbilder für jüngere und können viel zur Festigung der Mittelschicht und der Zivilgesellschaft beitragen.

Umso dramatischer wäre es, wenn es dauerhaft immer weniger Unternehmen geben würde. Um diesen negativen Trend der abnehmenden Unternehmensgründungen zu stoppen, ist es deshalb im ersten Schritt hilfreich, die Frage nach den Ursachen sorgfältig zu klären. Welche Ursachen werden hauptsächlich ins Feld geführt?

- Wie erwähnt ist die gute Arbeitsmarktlage ein Grund für geringere Gründungsaktivitäten. Dieser Teil der Gründungen ist deshalb auch eher unproblematisch.

Mit diesen Typen sollten Sie ein Unternehmen gründen
Gründer und Co-Founder„Nur weil sich zwei Menschen privat, beim Feiern und Kaffee trinken gut verstehen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch gut zusammenarbeiten können“, warnt Thorsten Reiter, dessen Buch „Start up – Jetzt! Endlich loslegen und es richtig machen“ gerade im Campus-Verlag erschienen ist. Er rät eher davon ab, im Freundeskreis nach potentiellen Mitgründern zu suchen und empfiehlt statt dessen sich im Kreis derer umzusehen, mit denen man bereits zusammengearbeitet hat. „Jeder Gründer muss den Geschäftspartner finden, der zu ihm passt und der die eigenen Fähigkeiten komplettiert.“ Reiter hat gewisse Charaktere ausgemacht, die in Kernteams vieler erfolgreicher Gründungen vertreten sind... Quelle: dpa
Visionäre, Leader und ProjektmanagerViele Gründer fallen in diese Kategorie, denn sie haben das große Ganze vor Augen und die Fähigkeit, andere für ihre eigenen Ziele zu begeistern. Sie rücken mit dem Holzhammer an, wenn es um die Umsetzung von Strategien geht und haben selten Zeit für Details. Die Teammitglieder bekommen immer wieder Sprüche wie: „Ich weiß nicht wie, aber ich weiß, dass!“ oder „Geht nicht, gibt’s nicht!“ zu hören. Reiter: „Sie sind beinahe idealistisch kompromisslos und profitieren von einem starken Team, das sie herausfordert und ergänzt.“ Quelle: dpa
Techies und EntwicklerWenn sie nicht gerade Minecraft spielen, sind das die Geeks im Team. Sie hacken scheinbar unzusammenhängende Zahlen- und Buchstabenkombinationen in die Matrix hinein und verstehen das Produkt wie niemand sonst. Das Problem ist nur: Sie halten die Vorteile für so eindeutig, dass sie sie nicht vermitteln können. „Ohne sie gäbe es kein Produkt – wären sie ohne Team“, sagt Reiter, „würde es sich nie verkaufen und letztlich als Open-Source-Lösung irgendwo im Netz landen Quelle: dpa
DesignerAuch dieser Charakter lässt sich häufig in Gründungsteams finden. Sie sind die Schöngeister, die Künstler des Teams. Egal ob in digitaler oder analoger Form, ihr Auge für Schönheit macht das Produkt für ein breites Publikum erst interessant und benutzbar. Reiter: „Eine Enge Zusammenarbeit zwischen ihnen und den Entwicklern ist essenziell für jede erfolgreiche Produktinnovation.“ Quelle: dpa
Marketer und Sales-People„Wenn der Preis stimmt, würden sie sogar ihre Großmutter verkaufen“, so das klare Urteil von Thomas Reiter über die Verkaufstalente im Team. Sie bringen das Produkt unter die Leute, verstehen den Markt und die Kundenwünsche. Für den Experten sind diese Kenntnisse in der Gründungsphase unerlässlich – Sales-Personal kann auch später angeheuert werden. Quelle: REUTERS
Buchhalter und Finance-PeopleFrüher oder später braucht jedes Gründungsteam Leute, die sich um die Zahlen kümmern. Auch wenn viele Start-ups diesen Part oft extern auslagern, ist jemand, der die Zahlungsströme versteht laut Reiter im Kernteam „sehr zu empfehlen.“ Manchmal wird die Rolle indirekt von Financiers wie dem Venture Capitalist übernommen, die darüber wachen, dass Einnahmen und Ausgaben ausbalanciert sind oder in der Wachstumsphase zumindest die prognostizierten Ziele erreicht werden. Quelle: dpa Picture-Alliance
Administrator und Office-ManagerDie Leute fürs Detail – sie dürfen in keinem Gründer-Team fehlen. Denn: „Während die Visionäre die langfristige Strategie im Auge haben und Techies sich um die Weiterentwicklung des Produkts kümmern, sollte es jemanden geben, der die täglich anstehenden Aufgaben im Blick hat“, rät Thomas Reiter. Er sagt es ist essentiell, das Tagesgeschäft nicht ständig selbst überwachen zu müssen, sondern sich auf das Wachstum des gesamten Unternehmens konzentrieren zu können. Quelle: AP

- Zweitens wird ins Feld geführt, dass die staatliche Förderung der Unternehmensgründungen nach 2011 abgesenkt wurde. Allerdings ist die Frage, ob wirkliche Unternehmertypen (in Abgrenzung vom Unterlasser, den der Kieler Volkswirt Herbert Giersch in seinen Vorlesungen als Gegenmodell zum Unternehmer skizzierte) auf diese Art der Förderung angewiesen sind bzw. sich von deren Abwesenheit bremsen lassen.

- Drittens wird die überbordende Bürokratie und dabei vor allem die Steuerbürokratie als Argument genannt. Obwohl die Bundesregierungen, egal welcher Farbkombinationen, immer wieder den Bürokratieabbau als Ziel formulieren, scheinen die bürokratischen Hürden für junge Unternehmer eher zuzunehmen als zu sinken. Hier besteht noch politischer Spielraum. Man denke nur an die Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit dem Mindestlohn.

- Zu fragen ist auch nach den Zukunftserwartungen der Bürger. Obwohl die wirtschaftliche Lage im Moment sehr günstig zu sein scheint, ist Skepsis begründet. In gewisser Weise scheint Deutschland ein Scheinriese zu sein – je näher man hinsieht, desto kleiner die Erscheinung. Angesichts der –politisch allseits ignorierten – demographischen Herausforderungen mag sich mancher potentieller Gründer überlegen, ob sein Geschäftsmodell eine Zukunft hat. Allerdings sollte man das Argument nicht überstrapazieren, schon gar nicht für die vergangenen fünf Jahre.

- Wichtiger für die Zukunft mag ein Argument sein, dass für den Rückgang der Gründungen zwischen 2010 und 2014 noch keine Rolle spielen kann, die Niedrigzinspolitik der EZB nämlich. Diese dürfte – sofern langfristig betreiben – den Geschäftsbanken das Geschäft verhageln und sie dazu zwingen, neuen Kunden, die zumindest aus Sicht der Banken ein höheres Risiko als der Kreditbestand darstellen dürften, sehr vorsichtig gegenüber zu treten. Banken dürften dann mehr Kreditgesuche von Gründern ablehnen (und das Geld den alten und wenig innovativen, zum Teil sogar akut gefährdeten) Unternehmen oder gleich dem Staat als Arbeitgeber leihen. Dies ist das in Japan „erprobte“ Modell: Zombiebanken finanzieren Zombiefirmen (und in Europa bald Zombiestaaten).

Im Moment scheint die gesamte politische Energie in die Rettung Griechenlands zu gehen, was den unschönen Nebeneffekt hat, dass die deutschen Politiker Deutschland für einen wirtschaftspolitischen Wunderknaben halten und keine weiteren Anstrengungen zur Erhöhung und Sicherung der Standortqualität für notwendig erachten. Das ist fatal. Es gibt genug zu tun. Das Aufrechterhalten einer gründungsfreundlichen Atmosphäre – vor allem für die gelegenheitsgetriebenen Gründer – ist von hoher Bedeutung. Schließlich muss ja irgendeiner die Steuern bezahlen, die gerade so lustvoll in wiederholten Rettungspaketen, Rentengeschenken und Subventionen versenkt werden.

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