Fritz-Kola-Gründer „Mir war die Abhängigkeit von Risikokapital immer zuwider“

Mirco Wolf Wiegert gründete 2003 Fritz-Kola. Mittlerweile vertreibt sein Unternehmen diverse Getränke, veranstaltet sogar Festivals. Quelle: Fritz Kola

Mirco Wolf Wiegert leitet das Unternehmen hinter der populären Fritz-Kola seit fast 20 Jahren. Ein Gespräch über epische Finanzierungsrunden, Langeweile als Chef und sein unternehmerisches Vorbild: seinen Vater.

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Seit 19 Jahren steht Mirco Wolf Wiegert als geschäftsführender Gesellschafter an der Spitze des Unternehmens Fritz-Kulturgüter, der Firma hinter der Fritz-Kola. Als Wiegert mit seinem Mitgründer Lorenz Hampl 2003 Fritz-Kola startete, lag der Boom der Start-ups in Deutschland noch in weiter Ferne, Risikokapital haben die Gründer nie aufgenommen. Und doch wird das Unternehmen noch als Start-up wahrgenommen. Was Wiegert an dem Einfluss der Geldgeber bei Start-ups stört und warum er bereits darüber nachgedacht hat, bei Fritz-Kola aufzuhören und doch weitergemacht hat.

WirtschaftsWoche: Herr Wiegert, Sie leiten Fritz-Kola seit fast 20 Jahren. Deutlich länger als die allermeisten Gründer. Stellen Sie sich eigentlich inzwischen als erfahrener Manager vor, wenn Sie privat neue Leute kennenlernen?
Mirco Wolf Wiegert: Ich bin Unternehmer, der Typ hinter Fritz-Kola. Der Satz hat sich in den vergangenen Jahren bewährt.

Sie haben mal erzählt, dass Ihr Vater in Ihnen die Begeisterung für die Selbstständigkeit weckte. Finden Sie Unternehmertum nach all der Zeit immer noch so toll?
Ja, ich glaube, nach 19 Jahren ist man endgültig versaut. Ich will die Freiheit und die Verantwortung, die Möglichkeiten als Selbstständiger nicht mehr missen. Es ist eine Lebenseinstellung, sich selbstständig zu machen.

Wie hat Ihr Vater Ihnen diese Lebenseinstellung vorgelebt?
Ich wurde zu nichts gedrängt. Ich habe natürlich gesehen, wie viel das Unternehmertum meinem Vater bedeutet hat: Wenn er sonntags mal nicht gearbeitet hat, war er schon total unruhig und freute sich auf den Montag. Er hat einfach mit dieser Begeisterung davon erzählt, dass er sich wieder mit den Wettbewerbern rumschlagen musste oder welche Produkte gut laufen. Da kam immer viel Ehrgeiz durch, das hatte beinahe etwas Sportliches. Ganz am Anfang, als ich noch Kind war, hat er auf Märkten Korbwaren verkauft, die waren Ende der Siebziger ganz angesagt. Später hat er dann Damenoberbekleidung verkauft, in mehreren Geschäften an der Ostseeküste.

Tatsächlich zeigen auch Studien, dass der Drang zum Unternehmertum erblich ist, vor allem aber die Sozialisation der Kinder ausschlaggebend dafür ist, ob sie eines Tages selbst gründen.
Ich betreibe auch ein wenig Familienforschung und die meisten meiner Vorfahren waren schon selbstständig: als Schmied, Landwirt oder Steuerberater etwa. Die konnten sich mit ihren Dickschädeln immer im Beruf austoben, nur wenige waren angestellt. Den Dickschädel und diesen Drang zum Unternehmertum haben sie auch an mich weitergegeben.

Viele Unternehmerkinder berichten davon, dass sie schon im Kindesalter in der Firma helfen mussten. Hat Ihr Vater Sie auf die Märkte mitgenommen?
Ich habe häufig in den Ferien mitgeholfen, war mit meinem Vater auf den Märkten unterwegs und hatte mit 16 Jahren zeitweise meinen eigenen Stand für Damenmode an der Ostsee, den ich morgens auf- und abends wieder abbauen musste. Ich konnte eine Zeit lang Frauen beraten, ihnen Tipps geben zu Schnitten, Farben und Größen. Das habe ich allerdings längst wieder verlernt. Tatsächlich stand schon in meiner Kindheit zu 90 Prozent fest, dass ich Unternehmer werden würde. Ich habe verschiedene Geschäftsideen in einer Kladde skizziert. Als in den Neunzigern die ersten Hostels in Deutschland eröffneten, habe ich als Subunternehmer auch mal einen kleinen Fahrradverleih in einem Hostel aufgebaut. Das hat nicht wirklich funktioniert.

Als Sie Fritz-Kola dann 2003 mit Ihrem Mitgründer starteten, haben Sie zuerst niemandem von Ihrem Vorhaben erzählt. Warum nicht?
Wir hatten keine Lust, dass andere uns das Projekt zerreden. Heute ist es ja völlig normal und sogar total angesagt, sich selbstständig zu machen. Das war damals anders, fast alle träumten von der Karriere im Konzern. Das habe ich bis heute nicht verstanden.

Gab es denn Ausnahmen von der Regel? Haben Sie es ihrem Vater etwa trotzdem erzählt?
Nein, niemandem.

Wer hatte dann die große Ehre, zuerst von Ihrem Unternehmen zu erfahren?
Meine Großeltern. Als wir die ersten Kisten produziert hatten, mussten wir sie irgendwo lagern. Ich habe dann meine Oma und meinen Opa gefragt, ob wir unsere neue Kola bei ihnen im Keller deponieren können. Das war für die gar kein Problem.

Wie hat Ihr Vater reagiert?
Der war zuerst total skeptisch. Denn unser Geschäft funktionierte ganz anders als seins, wir wollten eine große Marke in einem umkämpften Markt aufbauen. Er brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was wir genau vorhatten.

Haben Sie in den vergangenen fast 20 Jahren mal daran gedacht, auszusteigen und etwas Neues aufzubauen? Ein neues Unternehmen zu gründen?
Ja, tatsächlich. Als mein Mitgründer 2016 ausgestiegen ist, habe ich mich intensiv mit solchen Fragen beschäftigt. Es hatte sich eine Art Trott eingeschlichen: Ich saß nur noch im Büro, arbeitete total zahlengetrieben. In dieser Position hatte ich aber einfach nichts zu suchen, das ist nicht mein Job. Das musste ich erst lernen. Ich habe Langeweile verspürt und Hilfe bei einem Coach gesucht. Mittlerweile habe ich auch einen erfahrenen Manager an meiner Seite, von dem ich mir viel abschauen kann. Wir sind bei Fritz-Kola mit rund 300 Kollegen mittlerweile so groß, dass ich Dinge delegieren, Verantwortung abgeben kann. Als Geschäftsführer und Gesellschafter entwickle ich heute maßgeblich die Strategie der Firma. Und dafür muss ich draußen unterwegs sein, bei Kunden, Lieferanten, Partnern. Ich muss wissen, wie unsere Produkte bei den Menschen ankommen.

Sie sitzen also nicht mehr so viel im Büro?
Ganz im Gegenteil: Ich vereinbare bewusst viele Termine mit unseren Außendienstlern. Die begleite ich regelmäßig zu Kunden, zeige Präsenz. Viele unserer Kunden sind auch selbstständig, leiten eine Bar, einen Dönerladen oder den eigenen Edeka-Markt. Mit ihnen tausche ich mich aus, von Unternehmer zu Unternehmer.

Wo die Langeweile besiegt ist: Bleiben Sie jetzt bis zum Ruhestand bei Fritz?
Ja, die Karten sind bei mir tatsächlich gelegt. Man wird ja auch älter, ich bin jetzt 46 und habe ganz andere Bedürfnisse als noch vor zwanzig Jahren. Ich hätte heute keine Lust mehr, eine Firma von null aufzubauen, das erste Büro anzumieten und einzurichten, die ersten Mitarbeiter zu suchen. Ich verspüre ehrlicherweise auch keinen großen Drang mehr, 80 Stunden die Woche zu arbeiten. In der Anfangsphase war das völlig normal. Uns unterscheidet von vielen anderen jungen Unternehmen, dass wir mit einer Perspektive von 100 Jahren planen. Das klingt immer absurd, ich weiß. Aber wenn man eine langlebige Marke aufbauen will, braucht das Zeit.

Das klingt vor allem vor dem Hintergrund absurd, dass viele Start-ups heute schon nach wenigen Jahren an die Börse gehen oder aufgekauft werden, nachdem sie Millionenbeträge von großen Kapitalgebern erhalten haben.
Richtig. Mir war diese Abhängigkeit von Risikokapital immer zuwider. Viele Start-ups sind heute viel zu sehr von Investoren abhängig, müssen Entscheidungen mit ihnen abstimmen. Die Geldgeber quatschen dir rein und hemmen dich. Darauf habe ich einfach keinen Bock. Wenn ich heute von diesen epischen Finanzierungsrunden lese, male ich mir immer aus, dass die Gründer jetzt noch eine Hand voll neuer Investoren befriedigen müssen. Das könnte ich beim besten Willen nicht. Die Finanzierungsrunden mit ihren immer neuen Rekorden führen zu einer Hektik, einer Kurzatmigkeit im Geschäft. Das mag im Techbereich vielleicht Sinn ergeben, wo sich die Dinge so schnell weiterentwickeln. Wenn ich allerdings eine Marke aufbauen und Kunden begeistern will, kann ich nicht getrieben sein vom Druck der Investoren. Das geht nicht.

Das große Geld hat Sie nie gelockt?
Mir ist es super wichtig, diese Unabhängigkeit zu bewahren, allein mit dem eigenen Geld arbeiten zu können. Klar, wir wachsen dadurch nicht so schnell wie heutige Start-ups. Aber ich muss bei uns fast nur auf eine Geschäftszahl gucken: den Kontostand. Geht der hoch, läuft es. Geht er runter, haben wir ein Problem. Das ist ein einfaches Business. Alle anderen Zahlen, wie etwa einzelne Sorten funktionieren, wertet unser Team aus.

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Die Unabhängigkeit können Sie sich aber doch nur leisten, weil Kola nicht so kapitalintensiv ist wie Computerchips oder Raketen.
Naja, günstig ist es auch nicht. Wir haben eigene Kühlschränke, in denen unsere Produkte verkauft werden. Die Kisten und Flaschen sind teuer. Ich sage immer scherzhaft: Wir sind eine Kühlschrankfirma, die nebenbei auch Getränke verkauft.

Mehr zum Thema: Statt in die Firma der Eltern einzutreten, gründen viele Unternehmerkinder ein eigenes Start-up. Wie die Jugend im elterlichen Betrieb sie prägt und warum ausgerechnet die Langeweile sie eines Tages zurück in den Mittelstand führen könnte.

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