Gründer Geh pleite und rede darüber!

In Düsseldorf bittet ein neues Format gescheiterte Gründer auf die Bühne. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch wichtig für eine Start Up-Szene, die die Möglichkeit zu Scheitern meistens totschweigt.

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Frau Quelle: Lev Dolgachov - Fotolia.com

Die Liste der guten Ratschläge für Gründer ist lang: „Morgen machen wir bessere Fehler!“ Oder: „Scheiter! Scheiter nochmal! Und dann scheiter besser!“ Bei der Düsseldorfer Fuck Up-Night treffen sich Gründer, die solche Parolen mit Leben füllen wollen – indem sie von ihrem Scheitern berichten.

Kaum jemand redet gerne darüber, doch gescheiterte Gründer sind in guter Gesellschaft. Nach fünf Jahren existiert laut dem Deutschem Industrie- und Handelskammertag nur noch jedes zweite neu gegründete Unternehmen. Von Geschäftsideen wird in Deutschland nur jede zweite umgesetzt, aus Angst vor dem Scheitern. In den USA betrifft das immerhin nur ein Drittel aller potentiellen Neugründungen. „Mit einem Unternehmen zu scheitern gilt zunehmend weniger als Makel“, sagt Marc Evers, Existenzgründungsexperte des DIHK. „Aber bei diesem Kulturwandel sind wir noch ganz am Anfang.“ Deswegen seien Veranstaltungen wie die Düsseldorfer Fuck Up-Night besonders wertvoll.

„Neue Gründer müssen scheitern dürfen“, sagt Businesscoach und Mitveranstalter Oliver Wüntsch. Wichtig sei nur, dass man das Scheitern nicht zu persönlich nehme – auch wenn es das Herzensprojekt ist.

Auf der Bühne haben die Gründer zehn Minuten Zeit, die Geschichte ihres Scheiterns vorzustellen: von der Idee bis zur Pleite und der Lektion daraus. Dabei betont Organisator Benjamin Teeuwsen: „Es geht hier nicht um persönliches Scheitern, sondern um Business.“ Das kann sehr unterschiedlich aussehen, vom eigenen Plattenlabel über eine iPhone-App bis zu einem Coworking-Space. Alles ausprobiert, alles gescheitert.

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„Wir wollten nicht klein anfangen“

Vor einem Jahr hätte sich Anna Bidowetz mit ihrer Geschichte noch nicht auf die Bühne gestellt, erzählt die heute 27-Jährige. Sie hatte 2011 das betahaus Köln mitgegründet, im vergangenen Jahr meldete sie Insolvenz an. Ihr Coworking-Space war schon bei seiner Gründung der größte der Stadt und er sollte innerhalb von zwei Jahren doppelt so groß werden, erzählt sie. „Wir wollten nicht klein anfangen.“

Anfang 2013 konnten sie und ihre Mitgründerin dann die Rechnungen nicht mehr zahlen. „Das Projekt war vom ersten Tag an sehr eng finanziert“, berichtet Bidowetz. „Jung und unerfahren“ seien sie an das Projekt herangegangen, Scheitern sei gar nicht infrage gekommen.

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Laut starten, leise scheitern

Die Insolvenz sei für viele Kunden und Freunde dann überraschend gekommen“, sagt Bidowetz. „Wir wollten immer als Erfolgsstory gelten.“ Über Scheitern überhaupt zu reden, sei vielen Menschen schon unangenehm. Businesscoach Oliver Wüntsch hat ein ähnliches Verhalten bei Start Ups schon häufig beobachtet. „In der Startphase machen sie groß von sich reden und dann verschwinden sie leise“, sagt er.

Die Fuck Up-Night soll das ändern, indem sie das Scheitern in den Mittelpunkt des Gesprächs rückt. Unter den rund 50 Zuschauern sind viele Freiberufler, potentielle und tatsächliche Gründer. Sie sollen frühzeitig aus den Fehlern anderer lernen.

Zum Beispiel aus denen von Mladen Panov. Der 26-Jährige entwickelte mit einem Kommilitonen die Idee für eine App. Sie sollte ähnlich funktionieren wie myTaxi. Am nächsten Tag kauften sie bei IKEA Schreibtische und Blumen für ihr Büro. Sie schrieben Businesspläne, sprachen mit anderen Unternehmern und suchten einen Programmierer. Neun Monate habe das in Anspruch genommen, erzählt Panov. Bis dahin hatten sie nicht einmal ihre potentiellen Kunden befragt.

„Wir waren monatelang mit Aufgaben beschäftigt, die uns nicht weitergebracht haben“, erzählt er. Nach zwei Monaten Marktforschung stellte sich heraus: Diese App braucht keiner. „Im Nachhinein bin ich froh, dass wir keinen Programmierer gefunden haben“, sagt der gescheiterte Gründer mit einem Lächeln.

Vom gescheiterten Gründer zum Berater

„Wir haben nicht viel verloren, aber viel gelernt“, sagt Panov heute. Die Kundenorientierung stehe an erster Stelle. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Für seine erste Idee habe er rund 10.000 Euro investiert, jetzt brauche er nur noch wenige Hundert Euro, um neue Ideen zu testen – und notfalls schnell zu verwerfen. Die Erfahrung hat Panov nicht nur für eigene Gründungen gerüstet. Heute berät er selbst Gründer.

Die Idee zu der Veranstaltung hat Organisator Benjamin Teeuwsen aus Mexico City importiert. Dort haben sich angeblich fünf Gründer eines Abends gegenseitig von ihrem Scheitern berichtet. Das hatte ihnen so gut getan, dass sie das Konzept weiterentwickelten und verbreiteten. Mittlerweile gibt es Fuck Up-Nights in über zehn Ländern und 30 Städten. Mit Blick auf die berühmte Start Up-Szene in Berlin sagt Organisator Teeuwsen: „Schön, dass wir in Düsseldorf die ersten waren.“

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