„An weniger Unternehmen gleichzeitig zu arbeiten ergibt bessere Ergebnisse, daher die Anteilsverkäufe“, hat Hebenstreit mittlerweile erkannt. Sein Hauptaugenmerk gilt heute dem europaweiten Pizza-Lieferdienst Delivery Hero, der in Deutschland als Lieferheld unterwegs ist. Bei einer Finanzierungsrunde unter Führung des amerikanischen Risikokapitalanbieters Insight Venture aus New York gelang es Delivery Hero Mitte Januar, fast 90 Millionen Dollar einzusammeln – eine der größten Kapitalkollekten in der Berliner Szene.
Neupositionierung, Verkauf von Beteiligungen und Konzentration aufs Wesentliche gehören mittlerweile zur Berliner Internet-Szene wie Dollar zu Startups. Grund für die Kurskorrektur sind die teilweise fragwürdigen Geschäftsmodelle der jungen Entrepreneure. Allmählich zeigt sich, dass es für den Erfolg eines neuen Portals nicht ausreicht, möglichst viele potenzielle Kunden zu erreichen.
Bekannte Kopien erfolgreicher Firmen
Rabattgutscheine übers Internet: Die Idee der US-Plattform Groupon lockte in Deutschland mehrere Nachahmer. Einen davon kaufte sich Google. Aber der erfolgreichste hieß Citydeal: Den Klon der Samwer-Brüder schnappte sich Groupon selbst – im Tausch gegen Firmenanteile, von denen die Citydeal-Gründer und Investoren später einen Teil für 170 Millionen Dollar verkauften.
Zwei Millionen individuelle Produkte, 130.000 Anbieter: „Die Einzigartige“ bedeutet der Name des Online-Marktplatzes Dawanda. Doch das Unternehmen ist ein Klon des US-Portals Etsy.
Rot statt blau – das war anfangs einer der wenigen Unterschiede zwischen Facebook und StudiVZ. Anfangs Marktführer in Deutschland, wurde StudiVZ 2009 von Facebook überholt. Heute fristet es ein Schattendasein.
Kurz nachdem in den USA Twitter gestartet war, ging in Deutschland Frazr auf Sendung. Als Twitter im Jahr 2009 bereits mehr als eine Million Nutzer in Deutschland zählte, gab Frazr auf.
DailyDeal und Citydeal
Das bekam Fabian Heilemann schmerzhaft zu spüren. Der studierte Jurist aus dem westfälischen Hameln hatte Ende 2009 gemeinsam mit seinem Bruder Ferry das Online-Rabatt-Portal DailyDeal gegründet. Ungefähr zeitgleich hatte Oliver Samwer, einer der drei Samwer-Brüder, mit Citydeal ein ähnliches Portal aus der Taufe gehoben und damit die Geschäftsidee vermeintlich geadelt. Und tatsächlich: Die Samwers verkauften Citydeal im Mai 2010 für 126 Millionen Dollar an das US-Vorbild Groupon, das inzwischen an der Börse ist. Eineinhalb Jahre später, im September 2011, zogen die Heilemann-Brüder nach und verscherbelten DailyDeal angeblich für 114 Millionen Dollar an den US-Internet-Riesen Google.
Doch die große Rabatt-Party vor gut zwei Jahren ist vorbei, geblieben ist ein schlimmer Kater. Die Aktie von Groupon notiert heute rund 60 Prozent unter dem Ausgabekurs. Google hat jedes Interesse an DailyDeal verloren. Im Frühjahr 2013 räumten die Heilemann-Brüder ein, sie hätten DailyDeal zurückgekauft und würden das Unternehmen nun wieder „in Eigenregie“ führen. Ob für den Rückkauf von DailyDeal Geld floss und gegebenenfalls wie viel, verschweigen beide Seiten.
Profitabilität
Immerhin haben die Heilemanns aus dem Flop die Konsequenz gezogen und trimmen DailyDeal nun in erster Linie auf Profitabilität, statt die Wachstumsfantasien potenzieller Investoren zu beflügeln. Dadurch komme DailyDeal inzwischen ganz ohne Risikokapital aus, sagt Fabian Heilemann und ergänzt: „Die Szene ist insgesamt sensibler bezüglich Geschäftsmodellen geworden, die Geld verbrennen.“
Die kritischere Sicht der Risikokapitalgeber hinterlässt inzwischen deutliche Spuren in Deutschlands Internet-Dorado. Kürzlich noch hipp und heiß, nähren Unternehmen wie das Meinungsportal Amen oder der Erlebnis-Marktplatz Gidsy zunehmend die Skepsis der Investoren. Die beiden Startups wurden über Deutschland hinaus bekannt, nachdem der amerikanische Hollywood-Star Ashton Kutcher über seine Beteiligungsgesellschaft A-Grade 2011 und 2012 in sie investiert hatte.