
Outfittery zeigt Sinn für Tradition. Der Online-Bestellservice für Männerbekleidung residiert in einem für Berlin typischen Gebäudekomplex mit Hinterhöfen im Stadtteil Kreuzberg. Hier, in dem über 100 Jahre alten Gemäuer, saß einmal eine Nähfabrik, wo sich Outfittery nun auf zwei Etagen eingemietet hat.
Zugleich ist Outfittery supermodern. Das Start-up verkauft nach einem telefonischen Beratungsgespräch mit einer Style-Expertin eine Auswahl an Hosen, Hemden, Pullovern und Schuhen – zugeschnitten auf die Vorlieben des Kunden. Das Unternehmen ist jung und wächst schnell. Anna Alex und Julia Bösch haben Outfittery vor zwei Jahren gegründet, heute machen sie laut Wirtschaftsauskunftei Creditreform knapp sieben Millionen Euro Umsatz und beschäftigen 150 Mitarbeiter.
Die 29-jährige Volkswirtin Alex und die 30-jährige Betriebswirtin Bösch sind typische Vertreter der Berliner Start-up-Szene und doch Ausnahmen. Denn sie sind Frauen und damit noch Exoten in der deutschen Internet-Gründerszene. Laut einer Studie des Bundesverbandes Deutsche Start-ups waren im vergangenen Jahr gerade mal 13 Prozent aller Gründer weiblich.
"Frauen benötigen Vorbilder"
Doch es gibt sie mittlerweile, eine Gründerinnenszene in Berlin. Und Frauen wie die Outfittery-Chefinnen arbeiten daran, ihre Rolle zu stärken – durch ihr Vorbild, durch Vernetzung mit anderen Gründerinnen, kontinuierlichen Erfahrungsaustausch und die Veranstaltung spezieller Events, etwa sogenannte Ladies Dinner.





„Frauen benötigen Vorbilder, die anfassbar sind; amerikanische Beispiele wie die prominente Yahoo-Chefin Marissa Meyer sind schlicht zu weit weg“, sagt Alex. Sie glaubt, dass der Anteil Frauen unter den Gründern in Deutschland in den nächsten Jahren überproportional steigen wird. „Es ist schön, wenn wir dazu einen Teil beitragen können.“
Die beiden Gründerinnen wissen: Allein dass Frauen ein Unternehmen führen, verschafft ihnen gesteigerte Aufmerksamkeit und könnte deswegen Geschlechtsgenossinnen zum Nachahmen animieren. Doch betont Bösch, dass das Geschlecht am Ende zweitrangig ist: „Für mich zählt letztlich nur die unternehmerische Performance – im Alltag mache ich mir über mein Frausein wenig Gedanken.“
Kein Einzelfall
Der Erfolg gibt Alex und Bösch recht: Mehr als 100 000 Männer in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden kaufen mittlerweile bei Outfittery. Noch in diesem Jahr soll das Unternehmen in zwei weiteren großen Ländern das Geschäft aufnehmen. Dabei sind die Chefinnen froh, dass sie zu zweit an der Unternehmensspitze stehen. So hätte jede von ihnen stets einen Sparringspartner, wenn es im Unternehmensalltag mal irgendwo rappelt oder hakt.
Die WirtschaftsWoche sah sich in Berlin nach weiteren Gründerinnen wie Alex und Bösch um und stieß auf eine Reihe von Vertreterinnen, die jeweils eine eigene Rolle in der kleinen, aber feinen Szene spielen.
Verena Delius legt sich ins Zeug, um Gründerinnen zu helfen, die bisher allein unterwegs sind. Die 35-jährige Mutter zweier Kinder ist seit mehreren Jahren in der Berliner Start-up-Szene unterwegs. So leitet sie seit 2010 den Internet-Spielehersteller Goodbeans im Prenzlauer Berg. Zudem hat die Betriebswirtin im vergangenen Jahr mit ihrem Geschäftspartner Moritz Hohl den Anbieter von Spiele-Apps für Kinder, Fox & Sheep, gegründet.
Delius lässt sich einiges einfallen, um Frauen der Berliner Start-up-Szene zu vernetzen und an einen Tisch zu bringen. Anfang 2013 rief sie mit Unterstützung der Unternehmensberatung KPMG ein Ladies Dinner ins Leben. Seitdem lädt sie vierteljährlich jeweils 40 Frauen in eine wechselnde coole Location zum Abendessen inklusive Kurzvorträgen und Debattieren ein. Sechs Ladies Dinner haben bisher stattgefunden. „Da entsteht gerade ein echtes Netzwerk“, sagt Delius. „Und es widerlegt das Klischee, Frauen könnten nicht netzwerken, würden untereinander nur Zickenkrieg führen oder bloß über Babys und Windeln sprechen.“