Gründer „Wenn das Produkt stimmt, kannst du dir Provokation leisten“

Trivago, True Fruits & Co: Gründer im Interview Quelle: Henning Ross für WirtschaftsWoche

Die Selfmade-Unternehmer und Freunde Rolf Schrömgens, Marco Knauf und Elvir Omerbegovic über skandalträchtige Werbung, ursprüngliche Werte und gute Führung.

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Manchmal täuscht der erste Eindruck. Wer Rolf Schrömgens, Marco Knauf und Elvir Omerbegovic an einem dieser heißen Frühlingstage begegnet, könnte sie für Studenten halten. Von Businessoutfits halten die drei Unternehmer wenig. Stattdessen tragen sie Shorts, T-Shirts und Sportschuhe. So sieht er heute eben aus, der Dresscode der Macht. Jeder der drei Gründer hat erfolgreiche Unternehmen aufgebaut. Und alle drei sind miteinander eng befreundet, seitdem sie sich über Geschäftskontakte kennenlernten.

WirtschaftsWoche: Herr Knauf, Sie bewerben Ihre Fruchtsäfte mit Wortspielen wie „Oralverzehr“, „Samenstau“ oder „Besamt und befruchtet“. Passt diese Art des Humors in die Zeit?
Knauf: Warum denn nicht? Es geht uns ja nie nur darum, zu provozieren.

Dann erklären Sie uns doch mal die tiefer gehende inhaltliche Aussage ...
Knauf: In erster Linie wollen wir unseren Humor vermitteln und ihn dennoch ganz direkt auf das Produkt beziehen. Die skandalträchtige Deutung passiert ja nur im Kopf der Betrachter. Besamt und befruchtet – in dem Smoothie sind nun mal wirklich Früchte und Chia-Samen drin.

Zu den Personen

Denken Sie nicht rückblickend manchmal, die ein oder andere Geschmacksgrenze wäre auch sinnvoll gewesen?
Knauf: Natürlich fragen wir uns: Kann man das bringen, oder ist das zu krass? Wir wollen ja auch nicht, dass die Leute das Gefühl kriegen, dass es uns nur um die Marketinghülle geht, nicht mehr um das Produkt.

Trotzdem polarisieren Sie zwangsläufig.
Knauf: So arbeiten wir nun mal. Die einen finden es super, die anderen völlig bescheuert. Wir fragen uns vorher aber nicht: Was könnte funktionieren, was nicht? Wir machen keine Marktforschung oder so einen Quatsch, weder in der Kommunikation noch bei den Produkten. Wir machen, was uns gefällt. Wer die Smoothies kaufen will – super! Wer uns doof findet, auch okay. Die Marke ist Ausdruck unserer Persönlichkeiten.

Ist Provokation eine Bedingung für Erfolg?
Omerbegovic: Zunächst mal muss das Produkt stimmen. Wenn das der Fall ist, kannst du dir Provokation leisten. Ich brauche keinen Streit, finde Reibung aber wichtig. Sonst wird es ja auch langweilig – und nichts ist schlimmer als Langeweile, egal, ob bei Menschen oder bei Produkten.

Wo muss Provokation enden?
Omerbegovic: Klar ist, dass nicht alles geht. Ich kann mich an eine Platte erinnern, den Künstler nenne ich jetzt mal nicht, deren Texte viele Vergleiche zu Vergewaltigungen zogen. Da habe ich gesagt: Das kann ich nicht verantworten.

Herr Knauf, Sie haben gerade 35 Prozent der True-Fruits-Anteile an Eckes-Granini verkauft. Werden Sie nun brav?
Knauf: Der Verkauf der Anteile verändert gar nichts. Eckes ist völlig klar, dass das Produkt nicht funktionieren würde, wenn die da ihre Compliance-Geschichten drüberschütten. Deshalb haben sie uns relativ viel Handlungsspielraum zugesichert.

Sie haben alle Erfahrungen mit strategischen Investoren. Wie bewahrt man die ursprüngliche DNA, wenn ein größeres Unternehmen Anteile erwirbt?
Schrömgens: Betrachten wir doch mal den Grund, warum ein junges Unternehmen von einem etablierten übernommen wird. Meist hat das kleine Start-up irgendwelche Talente und Kompetenzen, die der große Konzern gerne nutzen würde. Aber klar ist doch: Je mehr sich das größere Unternehmen nun einmischt, desto mehr zerstört es diese Fähigkeiten – und dann verschwindet der Wert des Kaufs.

Warum haben das viele nicht begriffen?
Schrömgens: Gute Frage. Deswegen haben wir, ähnlich wie Marco, auch unsere Unabhängigkeit sichergestellt, bevor wir uns Expedia als Investor an Bord geholt haben. Man muss seine ursprünglichen Werte ständig im Blick haben – in Bezug auf das Produkt ebenso wie in Bezug auf die Mitarbeiter. Das mag manchen Leuten gefallen, manchen nicht – aber letztlich entsteht daraus Profil. Und wenn man dieses Profil verliert, verliert man auch den Wert.
Omerbegovic: Ich wollte nach dem Einstieg von Universal unbedingt vermeiden, dass mir jemand einen Geschäftsführer zur Seite stellt, auf den ich dann auch noch hören muss. Das geht nicht. Du musst als Gründer deinen eigenen Weg gehen, es gibt für Erfolg kein Patentrezept. Deswegen ist der individuelle Weg so wichtig.

"Mann muss eine Idee haben, aber auch in der Lage sein zu exekutieren."

Sie sind gerade mit dem Rapper Rin erfolgreich, der in den Charts steht und auch von den Feuilletons gelobt wird. Wieso waren Sie von seinem Erfolg überzeugt?
Omerbegovic: Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber wenn ich einen Künstler höre, weiß ich, ob das funktionieren kann. Auch weil ich weiß, welchen Anteil wir an der Vision zu diesem Act leisten können.
Knauf: Das kenne ich. Wir werden bei neuen Produkten auch ständig gefragt, warum das funktionieren sollte. Und ich sage dann immer: weil mein Bauchgefühl das sagt.

Funktioniert das in einem Konzern wie Trivago mit mehr als 1000 Mitarbeitern auch?
Schrömgens: Ich finde Visionäre wirklich beeindruckend und bewundernswert. Aber ab einer gewissen Größenordnung ist diese instinktgeleitete Methode schwer reproduzierbar. Zumal ich die Behauptung wage: In dem Moment, in dem Elvir vom Bus überfahren wird, ist sein Label nicht mehr so erfolgreich.

Und das wäre bei Trivago anders?
Schrömgens: Ich glaube schon. Wenn man zum Konzern wächst, will man ein System für nachhaltigen Erfolg aufbauen. Deshalb geht es bei uns kollektiver zu, weniger individualistisch.
Omerbegovic: Aber hast du nicht ein besseres Gefühl dafür, was funktioniert, weil du von Anfang an dabei warst?
Schrömgens: Zumindest glaube ich, dass ich für viele Themen das bessere Bauchgefühl habe. Aber es gibt bei uns so viele Entscheidungen, dass ich gar nicht mehr in alles involviert sein kann. Woher soll ich wissen, was in Thailand gerade gut funktioniert? Ich könnte jetzt da rumrennen und den Chef spielen, aber das würde nichts bringen – weil ich nicht alle Informationen verarbeiten kann, die man in einem großen Unternehmen braucht.

Dresscode der Macht. Die Selfmade-Unternehmer beim Gespräch in der WirtschaftsWoche-Redaktion Quelle: Henning Ross für WirtschaftsWoche

Ist Ihnen diese Umstellung vom Gründer zum Manager schwergefallen?
Schrömgens: Ich habe immer gesagt, dass ich hoffentlich merke, wenn ich mit der Unternehmensführung überfordert bin. Trotzdem versuche ich, Trivago immer noch so zu führen wie beim Start im Jahr 2005. Ich versuche, gar nicht der klassische Manager zu sein, der per Direktive führt. Die Welt heute ist viel zu dynamisch, um Unternehmen durch starre Prozesse zu managen.

Was ist für Gründer die wichtigste Eigenschaft?
Schrömgens: Autonomie. Und zuhören, nicht nur senden.
Omerbegovic: Ich würde sagen – Drive. Man muss eine Idee haben, aber auch in der Lage sein zu exekutieren.
Knauf: Es gibt nicht die eine Eigenschaft. Wenn du total entscheidungsstark bist, aber nicht an Details dranbleiben kannst, bringt das auch nichts.

Also ist es egal, ob nun die Finanzierungsbedingungen oder der Rechtsrahmen für Gründungen in einem Land gut sind?
Knauf: Ja. Wir haben in unserem Unternehmen einmal pro Woche eine Gründersprechstunde. Da merken wir: Es scheitert in der Regel nicht an Geld. Das Problem ist eher, dass vielen Gründern die Fähigkeit fehlt, kontinuierlich an etwas zu arbeiten und sich die richtigen Partner zu suchen.
Schrömgens: Eine gute Finanzierung kann nie schaden, aber es geht schon viel um Persönlichkeit. Als ich Trivago gegründet habe, war ich relativ weit unten und hatte auch so recht keine anderen Optionen. Das ist natürlich eine starke Triebkraft.
Omerbegovic: Alle Unternehmer, die ich kenne, haben einen besonderen Antrieb. Es reicht nicht, ein Geschäftsführer sein zu wollen, weil man auf Glamour aus ist oder auf ein hohes Gehalt. Wenn du ein guter Unternehmer bist, kommt als Erstes dein Job – und dann ganz lange nichts.
Schrömgens: Es ist trotzdem gut, wenn für Gründungen geworben wird. Aber es ist noch kein Kunde vom Himmel gefallen, nur weil man die äußeren Umstände für Gründungen verbessert.
Omerbegovic: Ich hatte nie jemanden, der mir etwas beibringen wollte – im Nachhinein das Beste, war mir passieren konnte. So musste ich mir sehr viel selbst beibringen und habe gelernt: Ich brauche niemanden. Ich war auch nie ein großer Netzwerker, der auf Veranstaltungen herumspringt: Wenn du gute Arbeit leistest, kommen die Leute irgendwann zu dir.

Inwiefern unterscheidet ihr euch von Traditionsunternehmern?
Schrömgens: Wir müssen uns ständig selbst reflektieren, weil sich die Rahmenbedingungen stetig ändern. Du kannst nicht sagen: So wie ich bin, ist toll, deswegen bleibe ich so. Man muss sich immer wieder selbst hinterfragen.

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