„Gender Gap“ nennt Christine Volkmann diese Kluft zwischen Frauen und Männern in der Gründerszene. An der Schumpeter School of Business and Economics der Universität Wuppertal leitet Volkmann den Lehrstuhl für Unternehmensgründung und Wirtschaftsentwicklung. Sie untersucht, warum in der Gründerszene Frauen gegenüber Männern in der Minderheit sind. Und verweist gerne auf die Theorien Joseph Schumpeters, wenn sie zeigen will, dass Unternehmertum traditionell als männliche Domäne verstanden wird. Der renommierte Ökonom prägte den Begriff des Unternehmers im 20. Jahrhundert wie kein anderer und hat ihm Eigenschaften zugeschrieben, die durchweg als männlich gelten – Kampfes- und Siegeswille zum Beispiel. „Frauen“, sagt Volkmann, „spielten bei ihm überhaupt keine Rolle.“
Auch heute noch führten Gründerinnen oft Schattenexistenzen, hat die Forscherin beobachtet. In einem Vortrag fragte sie kürzlich ihre Zuhörer, welche Unternehmerinnen sie denn kennen würden. „Da war erst mal Ruhe im Saal“, sagt Volkmann. Und wünscht sich „mehr Gründerinnen als Rollenvorbilder“.
Unternehmerinnen wie Anike von Gagern und Kathrin Weiß von Tausendkind zum Beispiel, die überzeugt sind, dass sich Unternehmertum gut mit Privatleben und Familie verbinden lässt. Das ist vielen Gründerinnen wichtig: Fast 90 Prozent sind nicht bereit, dem Geschäft gegenüber dem Privatleben Priorität einzuräumen, so die HVB-Studie. Weshalb, so die naheliegende Schlussfolgerung, viele Frauen vermeintlich zugunsten der Familie darauf verzichten, eine oft gute Idee in ein tragfähiges Geschäftsmodell umzumünzen.
Von Gagern und Weiß haben nicht nur vorgemacht, wie man erfolgreich ein Startup gründet, sondern auch, wie sich Familie und Unternehmertum in Einklang bringen lassen. Just als die beiden ihre Jobs als Unternehmensberaterinnen bei McKinsey kündigten, um zu gründen, wurde Weiß zum ersten Mal Mutter. Das zweite Mal schwanger war sie während einer Finanzierungsrunde. Zeitweilig stillte sie ihre Kinder im Büro, arbeitete oft abends und von zu Hause aus. Wichtig sei natürlich gewesen, dass auch ihr Mann mitgespielt habe, der selbst Unternehmer ist. „Aber als Unternehmerinnen können wir uns eben die Arbeitszeiten auch viel freier einteilen als in einer Festanstellung.“
Diese Flexibilität ist für viele Gründerinnen ein zentrales Motiv, um sich selbstständig zu machen – laut HVB-Studie entscheidender als eine gute Geschäftsidee.
Anders als Männer, die im Vorfeld einer Unternehmensgründung meist gezielt mehrere Märkte nach einer lukrativen Nische absuchen und sich dann für den heißesten Trend oder die gewinnbringendste Möglichkeit entscheiden, entwickeln Frauen ihre Geschäftsidee oft aus einem eigenen Bedürfnis heraus – etwa weil sie in ihrem Alltag ein Problem entdeckt haben, das sie lösen wollen.