Gründerpreis Zwei Tüftler mit einer Vision

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Ziel: Vom Hardware- zum Softwareanbieter

Politik und Wirtschaft beschreiben diese Entwicklung gern mit dem Schlagwort Industrie 4.0. Dabei geht es um mehr als vernetzte und intelligente Fabriken. So wird international auch eher vom „Internet der Dinge“ gesprochen, bei dem künftig von der Nachttischlampe über das Auto bis zu Kleidungsstücken viele Alltagsgegenstände durch Sensoren vernetzt sind. Schon im Jahr 2020 werden 50 Milliarden Geräte mit dem Internet verbunden sein, schätzt der Netzausrüster Cisco. Neben Großkonzernen wie Siemens, SAP, der Deutschen Telekom und Mittelständlern können dabei auch Start-ups eine wichtige Rolle spielen.

Das zeigen die Beispiele deutscher Gründer, die bereits international bekannt sind. So wie das Start-up Relayr, das eine Onlineplattform für Anwendungen im Internet der Dinge entwickelt hat. Zu den Nutzern gehören Coca-Cola oder die Stadt Paris. Die Berliner haben gerade eine Finanzierung von elf Millionen Dollar erhalten, Hauptinvestor ist mit Kleiner Perkins Caufield & Byers einer der bekanntesten Wagniskapitalgeber. Das Kölner Start-up Parstream hat eine Technologie zur schnellen Datenanalyse entwickelt, die beispielsweise bei Windrädern oder anderen Anlagen lokal integriert werden kann. Cisco will das Unternehmen bereits übernehmen.

Hardware und Hightechideen dominierten Wettbewerb

Auch Kirchner und Günther haben das Potenzial für großen Erfolg. „ProGlove zeigt, dass man als Start-up mit großen Unternehmen erfolgreich zusammenarbeiten kann“, sagt Michael Wieser, Investment-Manager beim High-Tech Gründerfonds (HTGF), „und das ist nicht sehr häufig.“

Baumarkthandschuh mit iPod: Der erste Prototyp von ProGlove. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Der Weg ins Finale des Neumacher-Wettbewerbs war nicht einfach. Mit mehr als 280 Start-ups gab es so viele Teilnehmer wie nie zuvor. „Die Qualität aller Unternehmen war in diesem Jahr wirklich bemerkenswert“, sagt Karen Heumann, Vorstandssprecherin der Werbeagentur thjink, die zum neunten Mal als Jurymitglied dabei war. Auch Vorjahressiegerin Anna Rojahn zeigte sich beeindruckt: „Ich bin wahnsinnig froh, dass wir im letzten und nicht in diesem Jahr dabei waren, es wäre sehr viel härter geworden.“ Viele der Start-ups hatten sich mit Hardware und Hightechideen beworben.

Vom Arbeiterkind zum Gründer

Dabei schien Thomas Kirchner nicht zum Gründer geboren. „Ich komme aus einer Stahlarbeiterfamilie im Osten und wusste früher gar nicht, dass man Unternehmen gründen kann“, sagt der 29-Jährige.

Die größten Hemmnisse für Unternehmensgründungen

Doch während seines Maschinenbau- und BWL-Studiums an der TU München lernte er auf einer Veranstaltung Paul Günther kennen. Seitdem brüteten sie ständig über Geschäftsideen und starteten einen Onlineshop für grüne Technologien. Doch jetzt konzentrieren sie sich voll auf ProGlove. Derzeit gibt es Gespräche mit potenziellen Investoren, Anfang kommenden Jahres soll die erste Version des Handschuhs regulär auf den Markt kommen.

Als Hauptanwendung haben die Münchner dabei einen Scanner integriert, mit dem Werkstücke automatisch erfasst werden können. Bevor beispielsweise ein Autositz am Band eingebaut wird, erfasst der Arbeiter den Strichcode bislang mit einem separaten Scanner. Mit dem ProGlove-Handschuh braucht er bei jedem Arbeitsschritt ein paar Sekunden weniger – und eine Fabrik spart jedes Jahr Millionen Euro.

Getestet wird der Handschuh derzeit auch an einem großen Flughafen. Dort müssen Arbeiter jeden Koffer scannen, wenn er vom Band auf die Wagen verladen wird, die ihn zum Flugzeug transportieren. Das Flughafenpersonal hat daher einen Scanner in der einen Hand und wuchtet die Gepäckstücke mit der anderen auf den Wagen. Das geht auf Arm und Rücken. Mit dem ProGlove-Handschuh können die Arbeiter scannen und beide Hände benutzen. Der intelligente Handschuh kann einerseits die Arbeit erleichtern, andererseits können seine Träger damit stärker kontrolliert werden. „Wenn wir mit Gewerkschaftern sprechen, sehen die unser Produkt immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Kirchner. Allerdings sollen Datenschutzregeln und andere Bestimmungen Missbrauch vorbeugen.

Solche Fragen dürften sich umso häufiger stellen, je erfolgreicher die Handschuhe werden. Denn perspektivisch soll die Analyse der generierten Daten das Hauptgeschäftsfeld werden. „Wir starten als Hardwareunternehmen und wollen zum Softwareanbieter werden“, sagt Kirchner.

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