Gründerwettbewerb Avocado Store setzt auf die grüne Welle

Philipp Gloeckler und Stephan Uhrenbacher wollen ihr Startup Avocado Store zu Deutschlands größtem Ökomarktplatz machen. Die Gründer setzen auf den Bioboom und profitieren vom zweiten Frühling des E-Commerce. Jetzt haben sie den WirtschaftsWoche-Gründewettbewerb gewonnen.

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Philipp Gloeckler, 26, und Stephan Uhrenbacher,41 Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Ob Aktentasche, Babystrampler oder Schranksystem: Auf dem Online-Marktplatz „Avocado Store“ gibt es fast alles, was man auch in einem gut sortierten Kaufhaus findet. Mit einem großen Unterschied: Sämtliche Produkte stammen aus nachhaltiger Produktion, sind also unter besonders umweltfreundlichen und sozialen Bedingungen hergestellt.

Die Aktentasche „Huari“ etwa haben Arbeiter aus Ecuador hergestellt, die mit fairen Löhnen bezahlt wurden. Der Strampler ist aus Baumwolle, die ohne Pestizide angebaut wird. Und die Schränke sind aus Ölfässern gemacht, die im Hamburger Hafen ausrangiert wurden.

„Wir sind Deutschlands größter Ökomarktplatz“, sagt Philipp Gloeckler, der das Startup vor gut einem Jahr mit Stephan Uhrenbacher gegründet hat. Doch wer am Firmensitz an der Hamburger Binnenalster ein Lager erwartet, in dem sich Modeartikel und Möbel türmen, hat sich getäuscht. Avocado handelt nicht mit den Waren, sondern stellt nur ähnlich wie Ebay die Handelsplattform bereit.

BioProdukte sind gefragt

Dafür verlangen Gloeckler und Uhrenbacher von jedem Händler eine einmalige Einrichtungsgebühr von rund 69 Euro. Außerdem berechnen sie für jeden verkauften Artikel 15 Prozent Provision.

Für die meist kleinen Ökolabel dennoch ein lohnender Umschlagplatz: Inzwischen bieten 126 Händler auf der Plattform mehr als 2100 grüne Produkte an. Sie können von der Reichweite und der Technologie von Avocado Store profitieren, ohne selbst einen Web-Shop eröffnen zu müssen.

Mit ihrer Geschäftsidee haben Gloeckler und Uhrenbacher jetzt den WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerb 2010 gewonnen. Der Online-Marktplatz für Ökoprodukte trifft den Zeitgeist, sind die Juroren des Wettbewerbs überzeugt (siehe Kasten auf dieser und der nächsten Seite).

Tatsächlich sorgen der Klimawandel, Skandale um verdorbene Lebensmittel und Umweltkatastrophen dafür, dass immer mehr Verbraucher beim Einkaufen auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz achten. Längst interessieren sich nicht mehr nur Wollpulli-Ökos für Bioprodukte, sondern auch Manager, Beamte, Programmierer und Anwälte.

Avocado Store setzt damit auf eine Entwicklung, die Experten als Zukunftstrend ausgemacht haben. So kommt eine Studie der Universität Hohenheim zu dem Ergebnis, dass es inzwischen mindestens fünf Millionen Haushalte in Deutschland gibt, die zu den sogenannten Lohas zählen. Das Akronym ist die Abkürzung von „Lifestyle of Health and Sustainability“ und bezeichnet eine Konsumentengruppe, die besonders viel Wert auf einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil legt und als konsumfreudig und finanzstark gilt. Ihre Kaufkraft liegt der Studie zufolge bei mindestens 200 Milliarden Euro im Jahr.

Das Interesse an Ökoprodukten beschränkt sich nicht nur auf Biolebensmittel. Auch grüne Mode steht hoch im Kurs: „Viele Verbraucher suchen nach Kleidung, die sowohl stylish und szenetauglich ist als auch unter umweltfreundlichen und fairen Bedingungen hergestellt wurde“, sagt Mark Starmanns, der an der Universität Zürich soziale und ökologische Fragen in der globalen Bekleidungsindustrie erforscht.

Das Wahrzeichen des Avocado-Store Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Von der Entwicklung können Startups in besonderem Maße profitieren. So setzen die Avocado-Gründer Gloeckler und Uhrenbacher darauf, dass umweltbewusste Konsumenten nicht auf Marktplätzen wie Amazon oder Ebay nach Ökoartikeln suchen. „Solche Vollsortimenter sind im Biobereich wenig glaubwürdig“, bestätigt Jochen Krisch, der in seinem Blog „Exciting Commerce“ über Trends im elektronischen Handel berichtet. „Avocado kann umweltbewusste Konsumenten viel besser erreichen und mit Anbietern grüner Produkte zusammenbringen.“

Zum Beispiel mit Menschen wie Bernd Hausmann. Hausmann hat Glore gegründet, ein Unternehmen, das grüne Mode verschiedener Hersteller verkauft. Er hat beobachtet, dass junge Modelabels oft Probleme haben, im Markt Fuß zu fassen. Für sie sei ein Marktplatz wie Avocado der schnellste Weg, um Kunden zu erreichen. Obwohl Hausmann einen eigenen Web-Shop betreibt, nutzt auch er Avocado Store: „Für uns könnte Avocado ein wichtiger Absatzkanal werden!“

E-Business-Start-ups sind beliebt

Gloeckler und Uhrenbacher hilft außerdem, dass der elektronische Handel zurzeit einen Boom erlebt. Das zeigt sich daran, dass jede zweite Venture-Capital-Gesellschaft laut einer Umfrage der WirtschaftsWoche aus diesem Sommer zurzeit verstärkt in E-Commerce-Startups investieren will. Auch im aktuellen „Business Angels Panel“ des Business Angel Netzwerks Deutschland nehmen E-Business-Startups erstmals den ersten Platz auf der Beliebtheitsskala der Investoren ein.

„Zehn Jahre nach dem Platzen der Dotcom-Blase boomt der Handel im Internet“, erklärt Hendrik Brandis, Managing Partner beim Risikokapitalgeber Earlybird, das Interesse der Investoren. „Wir können mit wenig Geld unheimlich viel bewegen. Gleichzeitig ist das Risiko, dass die Investition sich nicht auszahlt, deutlich gesunken.“

Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen ist es für viele Menschen heute eine Selbstverständlichkeit, im Netz zu shoppen. Selbst Brillen lassen sich online -verkaufen, wie das erfolgreiche Start-up MisterSpex beweist: Gründer Dirk Graber sammelte im September sieben Millionen Euro Kapital ein und beschäftigt drei Jahre nach dem Start bereits 75 Mitarbeiter.

Zum anderen wissen Gründer und Investoren heute viel mehr darüber, wie man einen Web-Shop erfolgreich macht. „Um die Jahrtausendwende war E-Commerce eine Kunst“, sagt Daniel Wild, „heute ist es eine Wissenschaft.“

Wild muss es wissen: Der Diplom-Kaufmann hat 1999 das Unternehmen Getmobile gegründet, das Handys übers Internet verkauft. Inzwischen ist er CEO der Ecommerce Alliance, die E-Commerce-Unternehmen gründet und aufbaut. „Wer heute Produkte im Internet verkauft, kann seine Web-Seite so optimieren, dass sie von Suchmaschinen wie Google besonders prominent angezeigt wird“, sagt Wild. „Außerdem sollten Web-Shop-Betreiber wissen, wie sie ihre Produkte über soziale Netzwerke vermarkten.“

Philipp Gloeckler hat das erkannt und von Anfang an darauf geachtet, potenzielle Kunden in einer Community um Avocado Store zu scharen. Gloeckler bloggt regelmäßig, lässt die Fangemeinde über Features des Web-Shops mitbestimmen und belohnt die besten Vorschläge mit Einkaufsgutscheinen.

Chocri-Gründer Franz Duge (links) und Michael Bruck

„Das trägt dazu bei, dass Kunden dem Anbieter vertrauen und sich mit den Produkten identifizieren“, sagt Niklas Mahrdt, Professor an der Rheinischen Fachhochschule in Köln und Gründer-coach. Mahrdt hat untersucht, was Mode-Web-Shops erfolgreich macht, und festgestellt, dass nur jeder dritte Händler auf Social Media setzt. Vermutlich ein Fehler.

Nicht so Avocado Store: Im Netzwerk Facebook hat das Startup über 1600 Fans. Wer bei Avocado shoppt, kann seinen Face-book-Kontakten per Knopfdruck mitteilen, was ihm gefällt. Außerdem können Kunden die Produkte kommentieren. „Wer heute online einkauft, will sich ein möglichst gutes Bild von den Produkten machen und setzt solche Features quasi voraus“, ist Forscher Mahrdt sicher.

Dass Avocado den Zeitgeist so genau getroffen hat, dürfte auch daran liegen, dass sich die beiden Gründer gut ergänzen. Der eine ist ein Internet-Profi, der andere ein Experte für grüne Mode – und beide sind überzeugte Unternehmer.

Stephan Uhrenbacher baute Mitte der Neunzigerjahre die Reiseplattform Travel-Channel auf und entwickelte im Jahr 2005 die Bewertungsplattform Qype. Vier Jahre später wechselte er in den Aufsichtsrat des Unternehmens, das heute mehr als 14 Millionen Nutzer zählt.

Philipp Gloeckler wiederum hat an der European Business School studiert und sich danach bewusst fürs Gründen entschieden. Beim ersten Versuch ließen ihn zwei Partner im Stich, beim zweiten baute er ein Ökomodelabel mit auf. Und beim dritten Anlauf, im Sommer 2009 traf er Uhrenbacher. Seitdem ist das Startup rasant gewachsen und konnte einige Business Angels überzeugen, sich zu beteiligen. In Kürze könnten die Gründer wieder Geld brauchen – dann allerdings eine siebenstellige Summe: Damit wollen sie in Länder expandieren, in denen es noch keine vergleichbaren Ökomarktplätze gibt.

Dabei können die Partner des WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerbs helfen, die die Sieger mit Leistungen im Wert von rund 300 000 Euro unterstützen:

Die Werbeagentur Jung von Matt berät Avocado Store bei der Markenstrategie und seinem Kommunikationsauftritt.Das Business-Angel-Netzwerk BrainsToVentures unterstützt die Gründer bei der Suche nach Investoren und coacht die Gründer für ein Jahr in Alltagsfragen.Die Personalberater von Heidrick & Struggles helfen bei der Personalauswahl und beim Aufbau eines Beirats.Die Kanzlei Osborne Clarke berät die Gewinner bei rechtlichen Fragen – etwa bei der rechtssicheren Ausgestaltung ihres Geschäftsmodells oder bei internet- und markenrechtlichen Themen.Alle Finalistenteams bekommen ein Jahr Gründertraining im Accelerator-Programm der Entrepreneurs’ Organization.

Wie ernst es die Gründer mit der Internationalisierung meinen, hat Gloeckler nach der Jurysitzung des Wettbewerbs unter Beweis gestellt. Zwei Tage später saß er im Flieger. Sein Ziel: New York.

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