Gründerzeit Neue Gründerzeit-Initiative: „Wir müssen Gründen sexy machen“

Wie wird Deutschland zum Top-Gründerstandort? Über diese Fragen haben Beat Balzli, Chefredakteur der WirtschaftsWoche, und Varinia Bernau, Ressortleiterin Erfolg sowie Innovation & Digitales, mit Entscheidern aus der Start-up-Szene diskutiert. Quelle: Screenshot

So hart es auch klingen mag: Deutschland ist kein gutes Gründungsland. Deshalb ruft die WirtschaftsWoche eine neue Gründerzeit aus. Den Startschuss gibt ein Event mit zahlreichen Pitches und überraschend viel Optimismus.

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Die Botschaft ist eindeutig: Die deutsche Start-up-Szene muss im internationalen Wettkampf mit den USA und China endlich bissiger werden. Nicht umsonst ziert ein Wolf das Logo der neuen „Gründerzeit“-Initiative, die die WirtschaftsWoche am Donnerstagabend mit einem digitalen Auftaktevent ausgerufen hat. Fast zwei Stunden lang diskutierten Entscheiderinnen und Entscheider aus Start-up-Szene, Politik und Forschung im Livestream über die drängendsten Fragen der deutschen Gründer, die die Arbeitsplätze von morgen sichern sollen: Wie arbeiten wir besser zusammen? Wie werden wir diverser? Und wie kommen wir an mehr Geld? Wie werden wir uneinholbar? Oder, um es mit nur einer Frage zu sagen: Was müssen Unternehmen, Politik und Geldgeber tun, um aus Deutschland einen besseren Gründer-Standort samt internationaler Strahlkraft zu formen?

Denn die hiesige Start-up-Landschaft gleicht momentan mehr einem zahmen Haushund als einem Wolf. Nur etwa ein Viertel der Deutschen will beruflich lieber selbstständig sein statt angestellt, zeigen Zahlen der KfW. Der Anteil der Gründerinnen und Gründer an der Erwerbsbevölkerung dümpelt auch deshalb seit Jahren bei etwas mehr als einem Prozent herum. Und die Politik? Die will sich mit Start-ups nur schmücken, sei aber nicht an den Problemen der Gründer interessiert. Dieser Aussage stimmen zumindest fast 80 Prozent der befragten Gründer in einer Bitkom-Studie zu. Und China und die USA schlafen nicht. Ganz im Gegenteil: Ausländische Investoren zerren an den deutschen Hoffnungsträgern.

Schon in der Titelgeschichte der WirtschaftsWoche von Mitte Februar wurde deutlich, was hierzulande noch schiefläuft: Behörden bremsen. Es mangelt an Kapital. Und es fehlt ein attraktiver Finanzplatz für Börsengänge visionärer Jungunternehmen. Anders als in den USA und China verteilt der Staat hierzulande auch nur selten hochkarätige Aufträge an Gründer. Da geht mehr. Viel mehr.

von Dominik Reintjes, Thomas Stölzel

Darüber herrschte im Livestream große Einigkeit. Dennoch dürfte zu den Zuschauerinnen und Zuschauer Aufbruchsstimmung herübergeschwappt sein: „Unsere Ausgangslage ist gut“, sagte etwa Jörg Goschin, Geschäftsführer von KfW Capital. Er sehe immer mehr attraktive Start-ups, die sich auch in der Pandemie behauptet hätten. „Wir haben in Deutschland den richtigen Nährboden“, sagte Deepa Gautam-Nigge, sie leitet bei SAP das Next-Gen Ecosystem. Aber: „Wir haben eine Menge Hausaufgaben, die wir jetzt machen müssen“, gestand Thomas Jarzombek. Der CDU-Politiker ist Beauftragter des Bundeswirtschaftsministeriums für Start-ups. „Wir müssen das Gründen sexy machen“, forderte Marius Rosenberg, Geschäftsführer des „Exzellenz Startup Centers“ an der RWTH Aachen.

Unbegründet ist der Optimismus keinesfalls. Denn die Voraussetzungen sind tatsächlich gut. Teils sogar sehr gut: „Viele der Gründer kommen direkt von den Universitäten. Europa kann hier ohne Weiteres mithalten, mit herausragenden, oft weltweit führenden Leistungen in der Forschung“, sagte etwa zuletzt selbst Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) der WirtschaftsWoche. „An der Uni trifft Talent auf Technologie“, sagte Marius Rosenberg in seinem Pitch. Er hofft übrigens gerade darauf, an der Universität in Aachen das nächste deutsche Unicorn zu finden.

Dafür braucht es allerdings vor allem: Geld. Das zu bekommen, ist in Deutschland jedoch alles andere als leicht. In einer Bitkom-Studie aus dem Dezember 2020 gaben fast 70 Prozent der befragten Gründer an, dass es in Deutschland zu wenig Venture Capital für Start-ups gibt. Fast ein Viertel der jungen Unternehmen überlegt deshalb ins Ausland zu gehen.

EIB-Präsident Hoyer beklagte zuletzt: „Es klafft eine große Lücke zwischen der EU und den USA und China, wenn es um die Finanzierung und Kommerzialisierung geht.“ Das Problem für europäische Start-ups liege insbesondere in späteren Finanzierungsrunden. „Sie sind in Europa nur halb so umfangreich wie in den USA.“ Außerdem komme das Geld dann überwiegend von amerikanischen oder asiatischen Investoren.“ Anna Alex, Gründerin vom Softwareanbieter Planetly, sieht das ähnlich. „Die Luft wird in späteren Phasen dünner. Da muss man häufig nach Amerika gucken“, sagte Alex im WiWo-Livestream.

Jörg Goschin will das ändern: Seit der Gründung 2018 leitet er die KfW Capital. Vorher arbeitete Goschin bei Investmentfirmen wie Blackstone und Cerberus, weiß mit Geld umzugehen. In der Start-up-Szene kommt das an. Die KfW-Tochter investiert nicht in einzelne Start-ups, sondern in Venture-Capital-Fonds. Goschin forderte in seinem 90-sekündigen Pitch neben mehr Wagniskapital und mehr Transparenz bei der Vergabe der Gelder vor allem mehr nachhaltige Investments. So wird der Standort zukunftsfähig. Und so spielt Deutschland auch bei den Technologien von morgen eine führende Rolle. Gelingt das, müssen Gründer nicht ständig neidisch ins Ausland blicken.

Das will auch Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds, verhindern. In seinem Pitch im Livestream forderte er deshalb bessere Voraussetzungen für Börsengänge. Und zwar für deutsche Unternehmen, die in Deutschland an die Börse wollen. Vor allem zwei Start-ups, die gerade an einem existenziellen Produkt arbeiten, stützen von Frankenbergs These: Die Impfstoffhersteller Biontech und Curevac gingen in den USA an die Börse.

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Neben dem Start-up-Ökosystem brauche es also auch ein „Ökosystem für Börsengänge“, so von Frankenberg. Dann lassen sich die Top-Arbeitgeber von morgen auch im Land halten. Gründer dürften nicht zu früh verkaufen, warnt von Frankenberg. „Nicht mal für eine Milliarde“, wenn sie denn Weltmarktführer werden wollen.

Immerhin: Als der High-Tech Gründerfonds vor 16 Jahren startete, sei Deutschland noch eine „Gründerwüste“ gewesen, sagt von Frankenberg. Schon bald könne Deutschland allerdings in der Champions League spielen. Auf diesen Aufstieg lässt sich doch aufbauen.

Mehr zum Thema: Die WiWo-Titelgeschichte: Die neuen Gründer sind Deutschlands letzte Chance. Jetzt müssen nur noch Politik und Geldgeber mitspielen – sonst droht ihre Abwanderung.

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