Gründungsstandort Labore sollen Biotechfirmen nach Sachsen locken

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Lokale Investoren schieben an

Was die Ecovery-Gründer allerdings umtreibt, ist die Finanzierung. „Das ist absolut machbar, aber in den ostdeutschen Bundesländern noch deutlich mühsamer als beispielsweise in Berlin“, sagt Rehwald. Dazu komme, dass Investoren selten seien, die Verständnis für die lange Entwicklungs- und Zulassungsdauer bei Medizinprodukten hätten. Um mit der Therapie-App weiter wachsen zu können und mehr Nutzer mit Knie-, Rücken- und Hüftproblemen bei der Reha zu unterstützen, bereitet die Firma derzeit eine neue Finanzierungsrunde vor.

Zuletzt konnte sich Ecovery eine sechsstellige Summe vom Inkubator Inqventures sichern, hinter dem der Softwareentwickler und IT-Berater Adesso steht. Im vergangenen Jahr investierte unter anderem der Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) in die junge Firma. Der TGFS setzt sich zum einen aus Mitteln des Freistaats Sachsen zusammen. Zum anderen stecken in dem Fonds auch Gelder der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Sachsen sowie von mehreren Sparkassen.

Wagniskapitalgeber sind ein entscheidender Faktor für aufstrebende Gründungsstandorte. Auf staatlicher Seite ist die Förderbank des Freistaates, die Sächsische Aufbaubank, ein wichtiger Anlaufpunkt. Aber auch einige wenige Investmentfonds und Venture-Capital-Gesellschaften (VCs) haben ihren Sitz in Leipzig: Darunter mit Smart Infrastructure Ventures der erste private Risikokapital-Fonds in den neuen Bundesländern. Der Wagniskapitalgeber nimmt unter anderem die Themen intelligente Städte, E-Mobilität und digitale Gesundheit in den Blick. Der Leipziger VC Monkfish Equity ist in ähnlichen Bereichen unterwegs und hat beispielsweise das Berliner Start-up Feral im Portfolio, das unter der Marke Inne ein Gerät zur Fruchtbarkeitsmessung entwickelt.

Doch nicht nur die ortsansässigen Investoren stehen auf der Habenseite: Für Leipziger Gründer wie Michael Aleithe vom Pflege-Start-up Sciendis spielen auch die noch vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten eine Rolle. So seien beispielsweise die Mieten noch nicht ganz so stark gestiegen wie in Berlin, und auch bezahlbare Büroflächen seien zu finden, sagt der 34-Jährige. „Wir finden hier auch viele junge, talentierte Menschen, die etwas bewegen wollen.“ Die Offenheit für unternehmerische Experimente sei ein großes Plus in Leipzig, so der Geschäftsführer der 2019 gegründeten Firma. Das Start-up mit 15 Mitarbeitern arbeitet an einer Smartphone-App namens Wundera, mit der Pflegekräfte den Heilungsverlauf von Wunden digital dokumentieren können. Die Idee kam Aleithe und seinem Mitgründer Philipp Skowron während der Promotion an der Universität Leipzig. Heute spüre das Team den enormen Bedarf an digitalen Lösungen für die Pflege, so Aleithe.

Hoffen auf den Gründergeist

Vorerst dürften neidische Blicke dennoch in andere Bundesländer gehen. Die bayerische Landeshauptstadt München beispielsweise sieht Biosaxony-Geschäftsführer Hofmann als Vorbild. Dort entsteht vor allem um die Technische Universität München (TUM) ein starkes Netzwerk aus jungen Medizintechnik-Herstellern wie Inveox , digitalen Therapiebegleitern wie Kaia Health oder Spezialisten für Gesundheitsdaten und klinische Studien wie Climedo Health. Doch auch Niedersachsen hat Life Sciences und die Gesundheitswirtschaft als Schlüsselmärkte für sich ausgemacht und sieht regionale Stärken zum Beispiel in der Implantat-Forschung. 

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In die Universitätsstadt Göttingen lockt ein neuer Inkubator ab 2022 speziell Start-ups aus der Biotech- und Medtech-Branche. Hinter dem Vorstoß steht der Gründer des Berliner Arzneimittel-Entwicklers Eternygen, Marco Janezic. Er will junge Biotech-Firmen über die gemeinnützige Life Science Factory fördern – insbesondere in der Zeit nach der Corona-Pandemie, wenn die Aufmerksamkeit für das Thema wieder abflachen dürfte. Denn: Auch wenn die Fördersummen im Bereich Medtech und Biotech derzeit hoch erschienen, bleibe die Frage, wie es nach dem aktuellen Hype weitergehe, so Janezic. „Wer innovative, mitunter lebensrettende Ideen hat, braucht Starthilfe in vielen Bereichen.“ Ein Mentoren-Programm gibt es in Göttingen bereits. Künftig sollen junge Firmen zudem Büros und Labore auf mehr als 3000 Quadratmetern nutzen können, ausgestattet etwa mit Zentrifugen und Kühlschränken zur Zelllagerung. Damit sich die Gründungsteams nicht langwierig mit sicherheitstechnischen und baurechtlichen Aspekten von Laboren befassen müssten, so der Geschäftsführer des Inkubators.

Angesichts der Konkurrenz wird es keine leichte Aufgabe für das sächsische Cluster Biosaxony, Medtech-Gründer von sich zu überzeugen. Bis sich das Angebot herumgesprochen hat, geht Geschäftsführer Hofmann pragmatisch vor: Der Aufruf zu Bewerbungen geht gezielt auch an Nachwuchsfirmen aus dem Ausland. Denn der Biosaxony-Chef will realistisch bleiben: „Es wird anfangs noch schwierig sein, in der Region pro Jahr acht Medtech-Start-ups mit der richtigen Reife zu finden.“

Mehr zum Thema: Start-ups schaffen nicht nur Arbeitsplätze, sie bilden auch die Gründer von morgen aus – und stärken damit die Wirtschaft gleich doppelt. Doch nicht immer läuft das ganz reibungslos.

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