Handwerksportale in der Kritik „Myhammer interessiert nur der eigene Profit“

Handwerker bei der Arbeit. (Symbolbild) Quelle: imago images

Fliesenleger, Elektriker und Heizungsexperten per Mausklick: Der Zulauf von Privatkunden zu Vermittlungsplattformen ist ungebrochen. Doch viele Betriebe emanzipieren sich von den großen Playern – und suchen den direkten Kontakt zu potenziellen Auftraggebern.

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Im vergangenen Jahr wurde es Andreas Schönfeld zu bunt: Der „freundliche Allround-Handwerker“, wie sich der Berliner selbst beschreibt, kündigte sein Monatspaket bei Myhammer – mehr als zehn Jahre nach der Anmeldung. Den Anstoß gegeben hat eine neue Preisstruktur, auf die das Vermittlungsportal schrittweise in den vergangenen drei Jahren umgestellt hat. Handwerker zahlen nun Gebühren, wenn sie sich um einen Auftrag bewerben und der Auftraggeber den Kontakt bestätigt. Für Abo-Kunden gibt es dabei Rabatte, vormals entstanden für sie keine Extrakosten. „Myhammer interessiert nur der eigene Profit“, klagt Schönfeld. „Wir Handwerker bleiben dabei auf der Strecke.“

Mit seinem Ärger ist der Einzelunternehmer, der überwiegend von Kleinstaufträgen lebt, nicht allein: Auf Bewertungsportalen lassen viele Handwerker Dampf ab. Kritisiert wird nicht nur die Höhe der Gebühren, sondern auch, dass diese je nach Größe und Art der Arbeiten stark schwanken. Manche kündigen an, sich von Myhammer zu verabschieden – oder die Nutzung stark einzuschränken, so wie Schönfeld. „Mittlerweile kommen viele Kunden über andere Kanäle zu mir“, sagt er.

Myhammer teilt auf Anfrage mit, das neue Preissystem sei insgesamt fairer, „und die meisten Gewerbetreibenden stimmen dem zu.“ Die Zahl der registrierten Betriebe sei trotz der neuen Gebühren auf mehr als 90.000 gestiegen. Das Feedback nehme man aber ernst. Für das 2005 gestartete Portal steht viel auf dem Spiel: Wie auch der Rivale Blauarbeit.de verspricht Myhammer Privatkunden, dass sie schnell passende Handwerker für Arbeiten aller Art finden – und will ihnen ersparen, sich durch die Gelben Seiten zu telefonieren. Doch mit jedem Handwerker, der sich von den Portalen zurückzieht, wächst die Gefahr, dass Ausschreibungen ins Leere laufen.

Ob Badsanierung, Heizungsbau oder Elektrotechnik: Handwerker haben seit Jahren volle Auftragsbücher. Auf digitale Vermittlungsplattformen sind sie nicht angewiesen. Deshalb gehen die nun einen ungewöhnlichen Schritt.
von Steffen Ermisch

Volle Auftragsbücher auch ohne Vermittler 

Wie schwer es ist, im Handwerk Angebot und Nachfrage zusammenbringen – und mit der Vermittlung auch Geld zu verdienen, mussten in den vergangenen Jahren mehrere Konkurrenten erfahren. So haben zwei Gründer in Bremen mit viel Herzblut die regionale Plattform Uniqwork aufgebaut. Doch die Seite wird derzeit nicht weitergeführt, „aus persönlichen Gründen“, wie einer der Mitgründer auf Anfrage mitteilt. Schon 2020 die Segel streichen musste Homebell – trotz mehrmaliger Strategieschwenks.
Angewiesen auf die Vermittler sind viele Handwerker ohnehin nicht: Fachleute wie Heizungstechniker, Elektriker oder Metallbauer bekommen ihre Auftragsbücher in der Regel auch so voll – und bräuchten mehr Personal, um die Wartezeiten für Kunden erträglich zu machen. Von einer „angespannten Situation“ spricht die Blauarbeit.de-Mutter Portal United mit Blick auf den Fachkräftemangel der Betriebe. „Dennoch spüren wir, dass genau deshalb auch die Nachfrage seitens privater Auftraggeber auf unserer Plattform ungebrochen hoch ist“, sagt Portal-United-Chef Alexander Oberst.

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Die Hoffnung, online doch noch einen der begehrten Fachleute zu finden, beschert auch Myhammer einen Zustrom an Nutzern. Nach Angaben des Unternehmens wurden allein im vergangenen Jahr eine Million Aufträge ausgeschrieben. Wie viele davon erfolgreich vermittelt wurden, gibt das Portal nicht an. Im letzten Geschäftsbericht 2020 räumte das Unternehmen, das inzwischen in die US-Firmengruppe Angis Homeservices eingegliedert ist, ein: In regulierten Gewerken gebe es viele Aufträge, „die nur wenige oder sogar keine Angebote von Betrieben erhalten“. Man gehe aber davon aus, dass sich die starke Position der Handwerker gegenüber Nachfragen im nächsten konjunkturellen Abschwung umkehre.

Betriebe rüsten technisch auf 

Gute Auftragslage, steigende Preise – selten ging es dem Handwerk so gut. Trotzdem sinkt die Zahl der Unternehmensgründungen. Dahinter steckt eine Entwicklung, die die Handwerkerwelt grundlegend verändern dürfte.
von Steffen Ermisch, Manuel Heckel

Dass das aktuelle Auftragshoch nicht ewig anhalten wird, ist indes auch vielen Handwerkern bewusst. Mehr und mehr befassen sich Tischler, Gerüstbauer oder Dachdecker damit, wie sie ihr Geschäft digitaler und krisenfester machen können. Dass sich etwas tut, zeigt auch das im Herbst 2020 veröffentlichte „Digitalisierungsbarometer für das Bau- und Ausbauhandwerk“: Von den 1800 befragten Betrieben haben immerhin 80 Prozent eine Homepage. Knapp jeder fünfte bietet darauf auch Tools für Terminvergaben und Preiskalkulationen an – Funktionen, die bei den ebenfalls befragten Wohnungs- und Hausbesitzern weit oben auf der Wunschliste stehen.

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Treiber des Wandels sind junge Betriebsinhaber wie Christopher Schröer. Vor zwei Jahren hat sich der Installateur- und Heizungsbauermeister sowie Elektrotechnikermeister im niedersächsischen Lorup selbständig gemacht. Dem Impuls, über Myhammer erste Kunden zu gewinnen, hat er nicht nachgegeben. Er wolle sich nicht abhängig machen, sagt er: „Den Plattformen haftet immer an, dass der günstigste Anbieter gewinnt.“ Stattdessen investierte er in die eigenen Online-Auftritte – mit Erfolg: Obgleich der heute 31-Jährige ohne großes Netzwerk gestartet ist, ist der fünfköpfige Betrieb inzwischen ausgelastet.

Handwerker suchen Anschluss 

Dazu beigetragen hat nach Überzeugung Schröers auch, dass er ein von den Portalen gewohntes Feature auf seine eigene Homepage übertragen hat: Interessenten können sich durch Bewertungen früherer Kunden klicken. Technisch realisiert wird das vom Konstanzer Start-up Wirsindhandwerk.de, das auch Auftraggeber des Branchenbarometers ist. „Ich kaufe ja bei Amazon in der Regel auch den besser bewerteten Artikel, obwohl der vielleicht ein paar Euro teurer ist“, sagt Schröer. Den Link zum Bewertungsformular druckt der Gründer sogar auf Rechnungen und Visitenkarten.

Den Antrieb, sich intensiv mit digitalen Tools auseinanderzusetzen, bringen jedoch nicht alle Handwerker mit. Die Verlockung, sich doch Vermittlern anzuschließen, sind dann groß. Viele Tech-Start-ups locken Handwerksbetriebe gezielt damit, den Online-Vertrieb zu übernehmen und auch im Hintergrund viele Prozesse zu optimieren. „Die meisten Handwerker haben keine Lust, Beratungen und Besichtigungen zu machen“, sagt Mirco Grübel, Mitgründer der inzwischen eingestellten Plattform Myster, die als Generalunternehmer auftrat und die online eingesammelten Aufträge an Handwerker weitervermittelte.

Gescheitert sei das Dortmunder Start-up nicht am mangelnden Zuspruch, beteuert der Unternehmer, der inzwischen einen Schnelllieferdienst für Backwaren aufbaut. Durch die Coronakrise sei aber eine Finanzierungsrunde geplatzt, die Anfang 2021 zur Insolvenz von Myster führte. Andere Handwerk-Start-ups konnten sich mit ähnlichem Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren durchaus etablieren: Stegimondo etwa positioniert sich als Onlinedachdecker, Banovo als Bäderspezialist und im Firmenkundenbereich vermittelt beispielsweise Plentific Handwerker an Hausverwalter. 

Die Sorge, die Digitalisierung alleine nicht gestemmt zu bekommen, hat auch Alexander Pape umgetrieben. Im vergangenen Jahr haben er und sein Geschäftspartner beschlossen, mit ihrem in Göttingen ansässigen Elektrotechnikunternehmen Bode & Stephan bei 1komma5° unterzuschlüpfen. Gegründet von Philipp Schröder, der sich unter anderem als Deutschlandchef von Tesla einen Namen gemacht hat, baut das Start-up Solaranlagen, Batteriespeicher, Ladesäulen und Wärmepumpen in Privathäusern ein. Während Konkurrent Enpal verstärkt Installateure ausbildet, kauft das Start-up Handwerksbetriebe auf, beteiligt die Inhaber aber am eigenen Unternehmen.

„Wir gingen vorher in administrativen Dingen unter“, sagt Pape. 50-mal am Tag hätten Mitarbeiter in seinem Büro gestanden. Per Excel-Listen versuchte er den Überblick zu Kundenanfragen und -aufträgen zu bewahren. Das Start-up helfe dabei, die internen Prozesse zu verbessern und Arbeitsschritte zu standardisieren. Mit Hilfe von 1komma5° soll nun ein Kundenmanagement-System eingeführt werden. Das Start-up leitet Anfragen an den Betrieb weiter – die Firma agiert aber auch unter eigenem Namen. „Wir können uns jetzt wieder auf die Dinge konzentrieren, die uns Spaß machen und uns voll auf unsere Kunden und unsere Mitarbeiter konzentrieren”, so der Geschäftsführer.

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Hinzu kommt: Das Start-up hat laut Pape eine halbe Millionen Euro in den Betrieb investiert. Angeschafft wurden unter anderem ein großes Baugerüst und ein neuer Transporter. Auch das aktuell 46-köpfige Team wächst, die Personalsuche übernimmt 1komma5°. Bis Ende des Jahres sollen zehn neue Mitarbeiter hinzukommen – geplant ist eine neue Niederlassung in Lüneburg. „Als Einzelbetrieb hätten wir wohl auch in Zukunft die Auftragsbücher voll bekommen“, sagt Pape. „Aber bei der Mitarbeitergewinnung wären wir untergegangen.“

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