Internationaler Vergleich Geldregen für Deeptech-Gründer – doch die Aufholjagd bleibt aus

Das Raketen-Start-up Isar Aerospace erhielt bisher 180 Millionen Euro von Investoren. Quelle: dpa

Damit sie Raketen und Roboter bauen können, benötigen deutsche Deeptech-Start-ups eine Menge Kapital. Nach jahrelangen Problemen erhielten sie 2021 erstmals mehrere Milliarden Euro. Und doch hapert es an vielen Stellen.

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Wollte man Deeptech-Gründern in den vergangenen Jahren die Stimmung vermiesen, reichte es häufig, mit ihnen über Geld zu sprechen. Denn während Risikokapitalgeber Lieferdienste mit ihren Fahrradkurieren oder Handelsplattformen für Aktien und Fonds mit Hunderten Millionen Euro zuschütteten, klagten Deeptech-Gründer über wenig Risikokapital, über schleppende staatliche Aufträge oder die Formalitäten öffentlicher Förderungen. Und für viele war das auch deshalb bitter, weil sie Hightech als wichtigstes Mittel zur Sicherung des Wohlstands verstehen: Sonja Jost etwa, Gründerin eines Chemie-Start-ups, schrieb im vergangenen Jahr in einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche mit Blick auf die größten deutschen Start-ups, dass der Industriestandort Deutschland gegen China und die USA nicht mit „Essen auf Rädern“ gewinnen werde.

Deeptech-Gründer wie Jost forschen jahrelang an Raketen und Robotern, an industriellen 3D-Druckern, autonomen Fahr- und Flugzeugen oder an revolutionären Softwarelösungen samt künstlicher Intelligenz. Um diese Produkte nach jahrelanger Entwicklung auf den Markt bringen zu können, brauchen sie vor allem: viel Geld. Und zwar weitaus mehr Geld als Lieferdienste oder Fintechs. Doch davon gab es nach Ansicht vieler Gründerinnen und Gründer in den vergangenen Jahren viel zu wenig, von privaten wie staatlichen Investoren.

Eine neue Studie der KfW deutet nun allerdings auf eine Wende hin und zeigt, dass sich die deutschen Deeptech-Gründer im vergangenen Jahr über einen Geldregen freuen durften: Bei insgesamt 149 Deals flossen 2021 3,6 Milliarden Euro in deutsche Deeptech-Start-ups – eine Steigerung von fast 400 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren davor stieg das Investitionsvolumen lediglich um 15 Prozent (2020) und um rund 90 Prozent (2019) an. Die begehrten Biotech-Unternehmen, in die aufgrund der Pandemie viel Geld floss, sind bei dieser Berechnung nicht einmal berücksichtigt.

von Dominik Reintjes, Thomas Stölzel

Dass es im vergangenen Jahr auch für Deeptech-Gründer mehr Geld gab, überrascht nicht. Schließlich erlebte der gesamte deutsche Start-up-Markt 2021 einen Finanzierungsboom. Und doch reichte dieser nicht an das Wachstum im Bereich der Deeptech-Start-ups heran: Das Investitionsvolumen in deutsche Start-ups stieg im vergangenen Jahr über alle Branchen hinweg „nur“ um 230 Prozent auf mehr als 17 Milliarden Euro, zeigt eine Analyse des Beratungshauses EY.
Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist der Geldregen bei den Deeptech-Start-ups auf den ersten Blick eine gute Nachricht: Unternehmen wie Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg oder Lilium und Volocopter könnten Tausende Arbeitsplätze schaffen und so auch für den Arbeitsmarkt zur großen Chance werden. „Die Kommerzialisierung von Zukunftstechnologien im eigenen Land ist volkswirtschaftlich wichtig, da damit die technologische Modernisierung der Wirtschaft unterstützt wird und jene fit für die Zukunft macht“, schreibt auch die KfW in ihrer Analyse.


Allerdings überwiegen dann doch wieder die schlechten Neuigkeiten: Andere Branchen, von denen sich Investoren versprechen, innerhalb kürzester Zeit eine schnellere Rendite zu erwirtschaften, waren im vergangenen Jahr offenbar beliebter als die komplexen Technologien. Investments in Biotech und Deeptech machten am gesamten Investitionsvolumen im Jahr 2020 noch 41 Prozent aus. 2021 fiel dieser Anteil jedoch wieder auf 31 Prozent zurück, zeigt die Analyse der KfW.

Noch dazu dürfte ein ganz wesentlicher Teil des Risikokapitals aus den USA kommen. „Im Jahr 2021 kam es zu einer in dieser Höhe unerwarteten Steigerung des Dealvolumens im Gesamtmarkt. Ein hoher Zufluss von US-Kapital führte zu einer Verdreifachung des Dealvolumens gegenüber dem Jahr 2020“, heißt es etwa in der Analyse der KfW.
Den ausländischen Summen, vor allem in den USA und Großbritannien, hinken die Investments in die forschungsintensiven Start-ups hierzulande noch weit hinterher: Während deutsche Deeptech- und Biotech-Start-ups im vergangenen Jahr 4,66 Milliarden Euro erhielten, konnten sich diese Start-ups in den USA über 122 Milliarden und in Großbritannien über 8,7 Milliarden Euro freuen.



Zwar fiel der relative Anstieg in Deutschland stärker aus, zeigt die Analyse der KfW. Allerdings: „Die Krux ist, dass das Ausgangsniveau in Deutschland sehr gering war. So erwecken die hohen Steigerungsraten den Eindruck einer Aufholjagd, das Gegenteil ist aber der Fall“, heißt es in der KfW-Analyse. Die absoluten Differenzen bei den Investitionssummen wurden gegenüber den USA und Großbritannien sogar größer, Deutschland fällt zurück.

Große Investoren, kleine Experimente

Das liegt auch daran, dass deutsche Fonds zwar auch hier und da in Deeptech-Unternehmen investieren. Doch nur die wenigsten Fonds fokussieren sich vollends auf die anspruchsvollen Geschäftsmodelle, die viel Geld und Forschung verlangen. Herbert Mangesius investiert mit seiner Wagniskapitalfirma Vsquared ausschließlich in Deeptech, in den Raketenbauer Isar Aerospace etwa oder Micropsi Industries, die an Software für Industrieroboter arbeiten. Zwar würde Vsquared bei manchen Finanzierungsrunden von Deeptech-Start-ups „immer häufiger“ mit den großen Risikokapitalgebern des Landes zusammenarbeiten, sagt Mangesius. „Allerdings investieren die Großen dann meist vergleichsweise kleine Summen und wollen mal schauen, ob die Technologie auch wirklich funktioniert, bevor sie stärker ins Risiko gehen“, sagt Mangesius. „Die großen Investoren verlassen ihre Komfortzone manchmal, aber da geht noch viel mehr“.

Die Analyse der KfW zeigt auch auf, in welchen Deeptech-Branchen noch mehr geht, wo der Geldregen also zuletzt deutlich schwächer ausfiel: Während in Deutschland in den vergangenen drei Jahren vor allem in Biopharmazie, in maschinelles Lernen und Maschinenbau investiert wurde, hinken etwa autonome Fahrzeuge, Augmented Reality, 3D-Druck oder Nanotechnologie hinterher.


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Ein besonders umkämpfter Markt nennt sich „New Space“. Hier arbeiten Start-ups an neuen Raketen und Satelliten sowie Technologie, um Weltraummüll zu reduzieren oder Kollisionen im Weltall zu verhindern. „Bei New Space experimentieren die großen Risikokapitalgeber ein wenig herum, machen kleine Ausflüge“, sagt Mangesius. Bloß: „Die US-amerikanischen Investoren machen ernst und sind uns hier um einige Jahre voraus.“ Das dürfte die Politik mittlerweile erkannt haben. Denn es tut sich etwas. Der Europäische Investitionsfonds (EIF), der zur Europäischen Investitionsbank, der EU-Kommission und verschiedenen Finanzhäusern gehört, sei laut Mangesius ein „sehr gutes Beispiel dafür, dass sich in Europa viel tut und dass auch von staatlicher Seite viel möglich ist“.

Und Gabriel Matuschka, der beim Geldgeber Fly Ventures ebenfalls in Deeptech investiert, meint: „Es wäre sicherlich mehr Geld da.“ Doch es brauche auch mehr Gründungen im Deeptech-Bereich. „Und mehr Gründungen führen dann später auch zu mehr Erfolgsgeschichten“, sagt Matuschka. Bloß: Es brauche noch Geduld.

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