Michael Brandkamp Warum der Architekt des High-Tech-Gründerfonds jetzt auf die Bioökonomie wettet

Michael Brandkamp: Der Architekt des High-Tech-Gründerfonds wettet jetzt auf Bioökonomie. Quelle: PR

Michael Brandkamp hat für den deutschen Staat einen erfolgreichen Frühphaseninvestor aufgebaut. Nun will er mit einem neuen Fonds europäische Nachhaltigkeits-Start-ups groß machen – und wird dafür selbst zum Unternehmer. Was treibt ihn an?

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Die Vision ist groß, doch das Budget ist klein: Die typischen Start-up-Sorgen waren Michael Brandkamp als Chef des High-Tech-Gründerfonds (HTGF) bestens bekannt. 14 Jahre lang hatte er mitentschieden, welche jungen Unternehmen die dringend benötigten Anschubinvestitionen bekommen. Doch nach dem eigenen Sprung ins Unternehmertum wurde ihm etwas mulmig zumute. Der 57-Jährige drückt das so aus: „Das Gefühl, Risiken zu erleben, ist als Gründer ein ganz anderes als auf Investorenseite.“

Mit dem Vorhaben, einen neuen Risikokapitalfonds für die Bioökonomie aufzubauen, hatte Brandkamp zum Jahresende 2019 seinen hochdotierten Job gekündigt – und musste sogleich Rückschläge einstecken. Denn bevor ein Fonds als Investor tätig werden kann, muss er seinerseits Geld einsammeln. Doch verunsichert von der gerade beginnenden Corona-Pandemie zogen Geldgeber schon sicher geglaubte Investments zurück. „Wir sind sehr stark ins Schlingern geraten“, sagt Brandkamp. Erst im Oktober 2020 kamen Zusagen von Geldgebern. „Im Grunde waren wir monatelang arbeitslos.“

Von der Katerstimmung der Anfangstage ist wenig geblieben. Vor ein paar Tagen hat Brandkamps „European Circular Bioeconomy Fund“ (ECBF) bekanntgegeben, einen Deckel auf den Topf zu machen. Statt der erhofften 250 Millionen kamen sogar mehr als 300 Millionen Euro zusammen. Beteiligt haben sich 25 Unternehmen und Institutionen. Darunter sind der Lebensmittelkonzern Nestlé, die Schwarz-Tochter Prezero und die französische Landesgesellschaft des Versicherers Allianz. Manche Investoren hofften auf einen Technologietransfer, anderen gehe es vor allem um die Rendite, sagt Brandkamp: „Es schließt sich nicht mehr aus, in Nachhaltigkeit zu investieren und Geld zu verdienen.“

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Die Industrie soll unabhängiger von Erdöl werden

Die sogenannte Bioökonomie meint eine Wirtschaft, die Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen statt aus fossilen Ressourcen herstellt. Im Idealfall werden dazu Rest- und Abfallstoffe genutzt – und nicht der Lebensmittelbranche Flächen streitig gemacht. Die Industrie soll so klimafreundlicher und unabhängiger von Erdölimporten werden. Beteiligen will sich der Fonds vorwiegend an Start-ups, die sich mit Agrartechnik, nachhaltigen Verpackungen sowie Baumaterialien oder mit biochemischen Prozessen etwa für das Textilrecycling oder die Kosmetikherstellung befassen. „Ich bin überzeugt, dass es neben der Digitalisierung nun eine Welle der Biologisierung geben wird“, sagt Brandkamp.

Dass es dem neuen Fonds gelungen ist, nach dem coronabedingten Stotterstart so viel Kapital einzusammeln, liegt nicht nur am Glauben an eine grüne Transformation der Wirtschaft. Es ist auch ein Vertrauensbeweis für Brandkamp und seine Mitgründer Michael Nettersheim und Dirk Saßmannshausen, die beide ebenfalls mehrere Jahre beim HTGF tätig waren. Der halbstaatliche Frühphasenfonds, den die rot-grüne Bundesregierung 2005 auf den Weg gebracht hat, gilt als Erfolgsmodell: Mehr als 650 Start-ups hat der HTGF finanziert, von denen 150 erfolgreich verkauft oder an die Börse gebracht wurden.

Öffentliche Auftritte absolvierte für den HTGF meist Mit-Geschäftsführer Alex von Frankenberg. Doch Brandkamp gilt als Architekt der Gesellschaft. Bereits Ende der Neunzigerjahre hatte er bei der Deutschen Ausgleichsbank, die später Teil der Förderbank KfW wurde, einen Start-up-Investor aufgebaut.

Das Erfolgsrezept des HTGF: Obgleich mit öffentlichen Geldern gestartet, haben Brandkamp und von Frankenberg ihn wie eine private Risikokapitalgesellschaft organisiert. „Wir mussten kompatibel mit den Logiken der Start-up-Welt werden“, sagt Brandkamp. Dazu gehört etwa das Denken in Finanzierungsrunden wie „Seed“, „Series A“, „Series B“ und „Series C“. Dem HTGF gelang es zudem, Unternehmen als Co-Investoren an Bord zu holen – und sich mit anderen Fonds zu vernetzen, die in späteren Phasen bei den geförderten Start-ups einsteigen.

Anschub von der Europäischen Investitionsbank

Auch die ECBF-Gründung ist von staatlichen Akteuren angestoßen worden – nämlich von der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB). Doch verwalten sollte den Fonds ein privates Unternehmen. Europaweit wurden passende Kandidaten für den Aufbau des Fonds gesucht. Brandkamp setzte sich durch. Die EIB sagte schon vor der Gründung zu, bis zu 100 Millionen Euro in den Topf zu werfen – solange genügend private Geldgeber zusammenkommen. Auch die NRW Bank ist mit 7,5 Millionen Euro beteiligt.

Ihn habe die „unternehmerische Herausforderung“ gereizt, sagt Brandkamp. Schließlich sei er jahrelang von engagierten Gründern umgeben gewesen. Der Markt sei dynamisch und mit manchen Unsicherheiten behaftet – etwa hinsichtlich der Regulierung. „In einem solchen Umfeld können Start-ups ihre Stärken ausspielen“, sagt Brandkamp.

Doch Start-ups, die beispielsweise in Bioreaktoren neue Basischemikalien oder Ersatzstoffe für Kunststoff herstellen wollen, tun sich bisher schwer. Fördergelder sind nach Beobachtung von Branchenexperten zwar relativ gut zu bekommen. Und zunehmend formieren sich auf Nachhaltigkeit bedachte Frühphasenfonds, die Bioökomie-Start-ups mit Anschubfinanzierungen ausstatten. Doch: Nur wenige Geldgeber können Summen für den Aufbau großer Biofabriken zur Verfügung zu stellen. Das aber wäre nötig, um die Produkte preislich konkurrenzfähig zu machen.

Wumms für die Wachstumsphase

Der ECBF soll nach dem Willen der EU-Kommission dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Konkret heißt das: Der Fonds beteiligt sich explizit nicht in Früh-, sondern in Wachstumsphasen – dann aber mit Millionenbeträgen. „Anders als bei einem Software-Start-up geht es nicht nur darum, in einer Wachstumsphase den Vertrieb hochzufahren“, sagt Brandkamp. „Bei Unternehmen der Bioökonomie geht es auch um Verfahrenstechnik, Materialströme und Logistik – das ist deutlich komplexer.“

Unter Beweis stellen muss Brandkamp nun nicht nur, dass er Start-ups in Wachstumsphasen begleiten kann – sondern auch, dass er von Bonn aus nicht allein die deutsche Szene im Blick hat. Der Münsterländer hebt deswegen gerne hervor, dass seine Teammitglieder aus 13 verschiedenen Nationen stammen. Schlüsselfiguren in der Führungsriege sind der ehemalige Akzonobel-Manager Peter Nieuwenhuizen, Stéphane Roussel – vormals beim belgischen Spezialchemiekonzern Solvay für Wagniskapitalbeteiligungen zuständig – und die Ex-HTGF-Managerin Marie Asano.

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Tatsächlich ist unter den bisherigen Investments des neuen Fonds erst ein deutsches Start-up: Prolupin aus Grimmen bei Stralsund stellt aus den Samen von Süßlupinen proteinreiche Lebensmittelzutaten her. Insgesamt hat sich der ECBF seit dem Herbst 2020 an sieben Start-ups beteiligt. Darunter ist etwa das niederländische Unternehmen Protix, das in großem Stil Insektenlarven heranzüchtet und diese zu proteinreichen Tierfutter verarbeitet. Weitere Beispiele sind das Agrartechnik-Start-up Elicit Plant, das den Wasserbedarf von Pflanzen reduzieren will, und In Ovo aus den Niederlanden: Die Ausgründung aus einer Uni will mit seinen Maschinen frühzeitig das Geschlecht von Hühnereiern feststellen.

An Start-ups, die für den Fonds in Frage kommen, mangelt es nicht, sagt Brandkamp: „Die Bioökonomie zieht immer mehr erfahrene Gründer und exzellente Manager an“, lobt er. „Die Zahl und Qualität der Gründungen steigt.“ Der ECBF selbst legt ein hohes Tempo vor, seit klar ist, dass der Fonds sein Zielvolumen erreicht: Drei der sieben Investments sind zwischen Anfang Februar und Anfang März bekanntgegeben worden.

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