Minderjährige Gründer Über den aufwendigen Weg vom Minderjährigen zum Unternehmer

Davide Mercatali ist 15 Jahre alt, besucht die 9. Klasse eines Gymnasiums in Karlsruhe und möchte eine Marketingagentur gründen, die Unternehmen zu ihren Social-Media-Aktivitäten berät. Quelle: Privat

Der 15-jährige Davide Mercatali will eine Agentur gründen. Idee und Businessplan stehen. Was noch fehlt: Die Einwilligung des Familiengerichts. Ausgerechnet diese bürokratische Notwendigkeit wird zur riesigen Hürde.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Davide Mercatalis Woche ist vollgepackt. Der erste Termin, den der 15-Jährige für ein Videogespräch freischaufeln kann, fällt auf einen Freitagabend. Die vergangenen Tage waren anstrengend, berichtet er. Neben der Schule hat er täglich zwei bis drei Stunden in seine Geschäftsidee investiert und viele Telefonate geführt. Mercatali, der aktuell die 9. Klasse eines Gymnasiums in Karlsruhe besucht, will gründen. Und zwar eine Marketingagentur, die Unternehmen zu ihren Social-Media-Aktivitäten berät. Doch einfach ist das als Minderjähriger nicht.

WirtschaftsWoche: Sie verfolgen Ihre Geschäftsidee bereits seitdem sie 14 Jahre alt sind. Kann es jetzt endlich losgehen?
Davide Mercatali: Nein, das Unternehmen ist noch nicht angemeldet. Inzwischen habe ich zwar die Erlaubnis vom Familiengericht bekommen, dass ich das Unternehmen gründen darf. Aber bis der Beschluss rechtskräftig ist, müssen 14 Tage vergehen. Die Zeit ist inzwischen um. Ich warte nur noch auf das offizielle Dokument – das soll per Post kommen. Damit kann ich dann zum Gewerbeamt gehen. Das ist allerdings etwas schwierig.

Warum?
Weil die Behörde nur bis 12.30 Uhr geöffnet ist. Da bin ich noch in der Schule. Außer donnerstags. Da hat das Amt bis 17 Uhr geöffnet. Aber da habe ich bis 16 Uhr Unterricht. Das wird knapp.

Wenn Minderjährige ein Unternehmen gründen wollen, brauchen sie eine Erlaubnis des Familiengerichts. Warum?
Das liegt daran, dass Personen zwischen 7 und 18 Jahren in Deutschland als beschränkt geschäftsfähig gelten. Ich kann deshalb also eigentlich kein Gewerbe anmelden – das geht nur mit der Zustimmung meiner Eltern und des Gerichts. Nachdem meine Eltern einverstanden waren, musste ich beim Familiengericht einen formlosen Antrag stellen.

Was mussten Sie denn alles ans Familiengericht schicken?
Ich habe einen 21-seitigen Businessplan, einen Zeitaufwandsplan und einen Finanzplan an das Gericht geschickt. Dafür habe ich aufgelistet, wie viel Zeit ich für Schule, Unternehmen, Sport und andere Aktivitäten wöchentlich einplane. Außerdem habe ich ein Empfehlungsschreiben meiner Geografie- und Englischlehrerin eingereicht, was sehr ausführlich war und den Prozess vermutlich beschleunigt hat. Dann noch ein Empfehlungsschreiben eines befreundeten Gründers, die Einverständniserklärung meiner Eltern sowie ein schriftlichen Antrag von mir, dass ich das machen will und mein letztes Schulzeugnis.

Mussten Sie denn auch Fachwissen nachweisen?
Ja, dafür habe ich einige Zertifikate von Kursen hingeschickt, die ich absolviert habe. Ein Kurs zu Online-Marketinggrundlagen von der Google Zukunftswerkstatt, dann ein IHK-Gründungsseminar-Zertifikat sowie mehrere Zertifikate von Blueprint, der E-Learning-Plattform von Facebook. Ich war außerdem für Gespräche sowohl bei der zuständigen Rechtspflegerin als auch beim Jugendamt.

Wie viel Zeit hat das alles in Anspruch genommen?
Insgesamt hat es drei Monate gedauert. Das ist noch relativ schnell. Ich habe von anderen minderjährigen Gründern gehört, die dafür mehr als ein Jahr gebraucht haben.

Wie haben denn Ihre Eltern auf Ihre Pläne reagiert?
Meine Eltern unterstützen mich, sagen aber auch, dass ich meine Jugendzeit genießen und nicht zu viel Zeit für meine Geschäftsidee aufwenden soll. Man ist schließlich nur einmal 15.

Wie stellen sich Ihre Eltern das vor?
Ihr Wunsch wäre, dass ich nicht mehr als ein bis zwei Stunden am Tag arbeite und meine Jugend genieße. Mit unter 18 Jahren ein Unternehmen zu gründen, ist nicht normal. Und sie meinen, ich soll noch „normale“ Sachen machen, wie mich mit Freunden zu treffen und nicht meine ganze Zeit ins Unternehmen zu investieren.

Brauchen Sie denn Ihre Eltern künftig noch, um Verträge abzuschließen?
Nein, ich habe für mein Gewerbe jetzt die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit. Das heißt, ich kann Kunden- oder Kaufverträge allein unterschreiben und theoretisch sogar Mitarbeiter einstellen. Um Kredite aufzunehmen, würde ich eine weitere Genehmigung vom Gericht benötigen. Aber ich kann eigentlich alles, was ich brauche, selbst machen.

„Für mich war sehr früh klar, dass ich keinem normalen Angestelltenjob nachgehe“

Wäre nicht ein Nebenjob der einfachere Weg ins Arbeitsleben gewesen?
Für mich war sehr früh klar, dass ich keinem normalen Angestelltenjob nachgehen, sondern etwas Kreativeres, vielleicht auch etwas Schwierigeres machen möchte. Viele kleine bis mittelständische Unternehmen investieren weder Zeit noch Geld in einen professionellen Social-Media-Auftritt. Die sind dort gar nicht präsent oder sie stellen fünf, sechs Bilder online und das war es dann für die nächsten Jahre. Darunter leidet aber deren professionelle Wahrnehmung. Außerdem suchen viele Unternehmen händeringend Mitarbeiter wie beispielsweise Azubis. Und wo suchen sie die? Offline. Aber es bringt nichts, in Zeitungs- oder Plakatwerbung zu investieren, wenn alle auf ihre Smartphones schauen. Da kann ich sowohl bei der Kunden- als auch bei der Mitarbeiter- und Azubigewinnung helfen.

Wie haben Sie denn selbst gelernt, was Sie jetzt anderen anbieten wollen?
Ich war schon als Kind sehr technikaffin. In der Grundschule habe ich Powerpoint-Präsentationen erstellt oder am Handy gespielt. Damals haben mich die Elektrogroßhandel bei uns in der Nähe unglaublich fasziniert: die knalligen Farben, die große Technik-Auswahl. Mit sieben Jahren wollte ich ein Geschäft wie Saturn gründen. Ab dem Zeitpunkt habe ich Fernsehwerbung anders wahrgenommen und versucht, das Kreative im Marketing zu verstehen. Aber es war nicht so, dass ich als Siebenjähriger diese Werbung gesehen und schon überlegt hätte, welche psychologische Tricks ich entdecke. Mit zehn Jahren habe ich begonnen, mir ab und zu auf Youtube fünf- bis sechsminütige Videos zum Thema Verkaufspsychologie anzuschauen. Richtig gestartet bin ich aber erst Anfang 2020. Damals habe ich begonnen, Bücher zu lesen, regelmäßig Youtube-Videos zu schauen, Online-Kurse zu machen und Podcasts zu hören. Durch den Lockdown hatte ich dann auch mehr Zeit dafür.

Und aus diesen Büchern kommt Ihr Wissen zum Beispiel darüber, wie man einen Businessplan aufstellt?
Ja, wir haben zwar Wirtschaft auch als Unterrichtsfach an der Schule, aber es geht eher um Grundlagen- und Theoriewissen. Ich erinnere mich noch, dass wir beispielsweise das Modell des Homo oeconomicus besprochen haben. Marketing musste ich mir nach der Schule selbst beibringen.

Noch nicht volljährig, aber schon kräftig steuerpflichtig: Unter-18-Jährige zahlen in Deutschland schon ordentlich Steuern – und längst nicht alle sind Kinder reicher Eltern.
von Christian Ramthun

Immer wieder wird gefordert, dass solche Themen auch in den Lehrplan aufgenommen werden. Was sagen Sie dazu?
Nein, dafür sind Themen wie Gründen und Social-Media-Marketing zu speziell und betreffen zu wenige. Aber ich würde mir wünschen, dass neben der Möglichkeit nach der Schule eine Berufsausbildung zu machen oder zu studieren auch einmal die Selbstständigkeit angesprochen würde. Das sollte dann aber nicht von einem Lehrer, sondern von einem Unternehmer, der schon einen Betrieb aufgebaut hat, erklärt werden. Vielleicht auch von einem jungen Gründer.

Wie wollen Sie Schulpflicht und Unternehmertum eigentlich ganz praktisch kombinieren? Während der Unterrichtszeit sind Sie ja wahrscheinlich nicht erreichbar.
Es stimmt, ich kann in der Schule keine Kunden betreuen. Aber danach bin ich eigentlich die ganze Zeit erreichbar. Das ist ja etwas, das mir auch Spaß macht. Selbst wenn ich mit meinen Freunden an einem Samstag um 16 Uhr mal draußen bin, kann mich ein Kunde anrufen. Dann redet man halt kurz. Das wäre kein Problem.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Wie soll es denn für Sie in den kommenden Jahren weitergehen?
An meinem 18. Geburtstag möchte ich mein Unternehmen in eine GmbH umwandeln. Bis dahin will ich ein gewisses Niveau an Einnahmen und einen guten Kundenstamm haben. Vielleicht stelle ich auch Mitarbeiter ein, wenn ich sie brauche und mir leisten kann. Ich kann mir auch vorstellen, deutschlandweit für Kunden zu arbeiten und die Inhalte, also die Fotos und Videos, von anderen erstellen zu lassen. Aber für den Anfang liegt die Priorität lokal, damit ich die Kunden auch persönlich betreuen kann.

Mehr zum Thema: „Warum soll ein 30-jähriger Gründer mehr drauf haben als wir?“: Die beiden Hamburger Gründer Davis Zöllner und Berkay Cankiran (18 und 19) überraschten nicht nur mit ihrem Alter. Auch ihre Geschäftsidee kam bei der Höhle der Löwen an.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%