NewSpace Die jungen Wilden im Weltall

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Bundesregierung nimmt neuen Anlauf für Weltraumgesetz

Nicht dabei: Deutschland. Hierzulande gibt bisher lediglich ein Satellitendatensicherheitsgesetz, das dafür sorgen soll, dass die Daten von durch Deutschland betriebene Satelliten nicht die Sicherheit der Bundesrepublik oder die ihrer Verbündeten gefährden. Es ist weltweit vergleichsweise einzigartig, ermuntert Satellitenbetreiber aber nicht gerade, in Deutschland aktiv zu werden. „Es gab in der vergangenen Legislaturperiode einen Entwurf für ein Weltraumgesetz“, sagt Baumann. Vor den Wahlen kam es aber nicht mehr durch.

Der Entwurf wäre wohl auch eher ein NewSpace-Verhinderungsgesetz gewesen. „Wäre das so umgesetzt worden, wäre kein Betreiber nach Deutschland gekommen.“

Union und SPD nehmen in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag einen neuen Anlauf, um Investitions- und Rechtssicherheit für nicht-staatliche Raumfahrtaktivitäten zu schaffen. Im Herbst könnte es wieder auf die Agenda kommen, glaubt Baumann. „Aus Sicht der Industrie aber hoffentlich nicht in der alten Fassung.“

Sollte das Gesetz unternehmerfeindlich ausfallen, könne es zu einer Art Forums-Hopping kommen, befürchtet Baumann. Bedeutet: Unternehmen gehen dorthin, wo sie die günstigsten Bedingungen vorfinden. Facebook ist so ein Beispiel. Es hat seinen europäischen Hauptsitz im steuerlich günstigen Irland, das sich in allen Belangen schützend vor den kalifornischen Datensammler stellt.

Für die Raumfahrt ist Luxemburg derzeit ein ähnlich günstiger Standort. Es ist seit Jahrzehnten Sitz großer Satellitenbetreiber und möchte auch NewSpace-Unternehmen anziehen. Ohnehin als Steuerparadies bekannt, hat es ein liberales Weltraumgesetz verabschiedet und angekündigt, 200 Millionen Dollar in Raumfahrt-Forschung und -Unternehmen zu investieren. Der Plan ist, nicht weniger als das „Silicon Valley for space resources” zu werden, so Luxemburgs stellvertretender Premierminister Etienne Schneider.

„Die Frage für den deutschen Gesetzgeber ist nun, ob er den Trend der wirtschaftsfreundlichen Gesetzgebung mitmachen will, beispielsweise mit noch niedrigeren Haftungsobergrenzen als andere Länder“, sagt Baumann. Wenn das Gesetz zu streng ausfällt, gründet die junge Technologie-Szene ihre Unternehmen in Luxemburg und nicht in Deutschland. Im schlimmsten Fall ziehen auch die wenigen bestehenden Betreiber weg.

Die niedrige Bereitschaft in Deutschland, Risikokapital bereitzustellen, bekam auch Bake in Space zu spüren. Eigentlich sollte der deutsche Astronaut Alexander Gerst während seiner nächsten Mission die ersten Brötchen mit einer krümelfreien Backmischung backen. Doch daraus wurde nichts. „Wir hätten etwa ein bis zwei Millionen Euro gebraucht, um das das Experiment auf die ISS zu bringen“, sagt Chef Sebastian Marcu. Zwar habe es „zwischenzeitlich gute Gespräche“ mit potenziellen Partnern aus der Lebensmittel- und Haushaltsgeräteindustrie gegeben. Doch auch eine Erwähnung in der amerikanischen Late-Night-Show von Jimmy Kimmel reichte nicht aus, um deutsche Investoren zu begeistern. „Ich denke, in den USA wären wir schon längst auf der Raumstation“, sinniert Marcu.

Mehr Glück hatte PTScientists, die nach jahrelangem Umwerben mit Audi und Vodafone zwei starke Partner gewinnen konnten – sie lockt die Aussicht auf spektakuläre Bilder vom Mond mit dem Unternehmenslogo. Der englische Mobilfunkkonzern wirbt damit, dass mutmaßlich erste extraterrestrische Mobilfunknetz der Welt zu installieren und schon jetzt besucht der „Audi lunar quattro“ in Animationen virtuell die angepeilte Landestelle der Mondmission Apollo 17. Die finanzstarken Partner machen den Start für das deutsche Raumschiff Alina daher wahrscheinlich.

Bake-in-Space-Chef Marcu hat mittlerweile in England eine Zweigstelle gegründet. „Das war nur ein Bruchteil des Aufwandes, den wir in Deutschland hatten“, erzählt er. Sollte er das benötigte Kapital dort auftreiben, wird vielleicht nicht Alexander Gerst in das erste frisch gebackene Brötchen im All beißen, sondern der englische Astronaut Tim Peake.

Peter M. Schneiders Buch „Goldrausch im All: Wie Elon Musk, Richard Branson und Jeff Bezos den Weltraum erobern – Das Silicon Valley, New Space und die Zukunft der Menschheit“ ist im Februar im FinanzBuch Verlag erschienen. Quelle: Presse

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