NewSpace Die jungen Wilden im Weltall

Bei der Eroberung des Weltalls mischen auch Start-ups aus Deutschland mit. Quelle: iStock

Konkurrenz für das Silicon Valley? In Europa hat sich eine Raumfahrt-Start-up-Szene herausgebildet. Junge Weltraum-Pioniere bauen Raketen, Mini-Satelliten und forschen an Brot für Astronauten. Doch so recht kommt die neue kommerzielle Raumfahrt nicht in Schwung – und Deutschland droht, abgehängt zu werden.

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Eines der derzeit wohl aufregendsten Unternehmen Deutschlands befindet sich in Berlin-Marzahn. Die Nachbarn glauben vermutlich, auf eine Auto-Werkstatt zu schauen. Tatsächlich betrachten sie eine Fabrik für Raumschiffe und Mond-Rover. Hier werkeln 45 Mitarbeiter bei PTScientists, ein deutsches Start-up, das nicht weniger als zum Mond fliegen will.

Nun sind die Pläne von Raumfahrt-Unternehmen naturgemäß hochfliegend. Doch wenn PTScientists-Chef und Mitgründer Robert Böhme spricht, beginnt man zu glauben, dass in wenigen Jahren ein deutsches Raumschiff namens Alina auf einer Falcon-9-Rakete von SpaceX abhebt und einen kleinen Rover auf dem Mond absetzt, der dann Bilder zur Erde funkt.

In Böhmes Auftreten liegt eine Entschlossenheit, die nicht dem Klischee des scheuen Raumfahrt­Nerds entspricht. Der 31-Jährige ist ein Star der Szene und seine Ambitionen bleiben nicht unbemerkt. Vor Kurzem war er zur Verleihung des Axel-Springer-Awards eingeladen, der an Amazon-Gründer Jeff Bezos ging. Böhme wurde als Vertreter der neuen deutschen Raumfahrt ausgewählt, denn Bezos hat mit seinem Raumfahrt-Unternehmen Blue Origin ebenfalls den Mond ins Auge gefasst. „Bezos wusste sogar, wer wir sind“, erzählt Böhme stolz.

Schon bald Realität? Die PTScientists wollen einen kleinen Rover auf dem Mond absetzt. Quelle: PR

Die 2009 gegründeten PTScientists sind eines von vielen Unternehmen, die in der boomenden Raumfahrtbranche mitmischen. Nicht alle wollen zum Mond. Doch sie haben gemeinsam, dass sie sich als Teil der NewSpace-Community sehen, einer neuen kommerziellen Raumfahrt. Und Böhme steht stellvertretend für einen Typus junger Leute, die ihre technischen Fähigkeiten mit einer unternehmerischen Vision verbinden und Aufbruchstimmung verbreiten.

Anschwellender Geldstrom in die kommerzielle Raumfahrt

Raumfahrt, das ist geschichtlich betrachtet eine staatlich orchestrierte Wirtschaft, in der einige wenige Technologie-Riesen die Vorgaben staatlicher Auftraggeber erfüllten: Spionage-Satelliten, Forschungssonden und bemannte Raumschiffe. Zwar gab es immer wieder Versuche, eine eigenständige, kommerzielle Raumfahrt auf die Beine zu stellen, bislang jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Selbst die großen Kommunikationssatelliten blieben weitgehend die Domäne der Branchenriesen, despektierlich OldSpace genannt.

Dass sich seit der Jahrtausendwende etwas tut, hat mehrere Gründe:

  • Die fortgeschrittene Digitalisierung macht Raumfahrt technisch und finanziell auch für kleinere Unternehmen möglich und sorgt für zahlreiche neue Geschäftsmodelle.
  • Die US-Regierung hat beschlossen, kleineren Raketenbauern eine Chance zu geben. Sie sollen das Monopol der bisherigen Anbieter brechen und die Frachtpreise verringern. Elon Musks SpaceX ist der sichtbarste Teil dieser aktuellen NewSpace-Welle.
  • Seit dem Jahr 2000 sind laut dem Beratungsunternehmen Bryce fast 20 Milliarden US-Dollar in NewSpace-Unternehmen investiert worden, abseits der Investitionen etablierter Branchengrößen wie Boeing und Airbus. Seit einiger Zeit geht die Investitionskurve steil nach oben. Allein in den vergangenen drei Jahren wurden fast neun Milliarden Dollar an unterschiedlichstem Kapital in NewSpace investiert. Während laut der Bryce-Studie Anfang des Jahrtausends durchschnittlich etwa vier Unternehmen im Jahr Wagniskapital erhielten, sind es mittlerweile fünfmal so viele. Diese Geldströme bleiben auch in Europa und Deutschland nicht unbemerkt und versetzen die Gemeinde junger Raumfahrtingenieure in Wallung.

„Jetzt ist der beste Zeitpunkt, um ein Raumfahrt-Start-up zu gründen“, sagt Walter Ballheimer, CEO von German Orbital Systems. Die Berliner bieten Gesamtlösungen für Cube-Satelliten an, eines der Kerngeschäfte der neuen kommerziellen Raumfahrt. Die sogenannten Cubes, gerade einmal zehn mal zehn Zentimeter groß, kosten inklusive Start bisweilen nur wenige Hunderttausend Euro und sorgen im erdnahen Orbit für eine Revolution. Innerhalb weniger Jahre wurden Tausende von ihnen auf privater und kommerzieller Basis gestartet und beobachten jeden Punkt der Erdoberfläche nahezu in Echtzeit. Ihre Betreiber wie Planet oder Spire aus Kalifornien sind die Stars im NewSpace-Business.

Auch Bremen ist ein wichtiger Standort der etablierten deutschen Raumfahrt, hier findet man etwa Airbus und den Satellitenbauer OHB. Das Bremer Start-up Bake in Space versucht sich daran, den Astronauten ein Stück morgendliche Frühstücksroutine zurückzugeben: frisch gebackenes Brot. Der 43-jährige Chef Sebastian Marcu war seit Jahren im Umfeld der Raumfahrt tätig, bis er sich 2017 dazu entschloss, ein eigenes Start-up zu gründen.

Bake in Space will Astronauten ein Stück Frühstücksroutine zurückzugeben – mit frischem Brot. Quelle: Presse

Die Bedingungen im Weltraum sind so extrem, dass nichts dorthin fliegt, was nicht die Temperaturen und Strahlung aushält und vor allem den hohen Sicherheitsanforderungen genügt. Brot ist bisher tabu in der Raumfahrt, weil seine Krümel in der Schwerelosigkeit durch die gesamte Station fliegen könnten. Bake in Space experimentiert deswegen an einer Teigmischung für krümelloses Brot, die eines Tages auf der Internationalen Raumstation aufgehen soll.

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