NewSpace Die jungen Wilden im Weltall

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Europas Start-ups sind unterfinanziert

Die PTScientists und Bake In Space stechen aus der Raumfahrt-Start-up-Szene wegen ihrer ungewöhnlichen Produkte heraus. Doch auch zahlreiche weitere junge Unternehmen entwickeln in der Bundesrepublik ihre Angebote: Plug-and-play-Elektronik für Satelliten nach dem „Lego-Prinzip“ (SPIN aus München), eine Geodaten-Plattform (Cloudeo aus München), Logbücher für Satelliten (Innoflair aus Darmstadt), Leichtbaugehäuse für Raumfahrzeuge (Space Structures aus Berlin), Datenübertragung per Laserstrahlen (My-naric aus München).

Erfreulich für die deutsche Raumfahrt, dass sich hierzulande Entrepreneure finden, die bereit sind, alles auf eine Karte zu setzen. Klaus Brieß vom Institut für Luft- und Raumfahrt an der Technischen Universität Berlin erkennt eine Veränderung in der Mentalität seiner Studenten. „Es gab zwar immer welche, die ihre eigene Firma aufmachen wollten“, erzählt er. „Heute aber ist das verbreiteter. Die jungen Leute denken viel schneller daran, selber etwas zu machen, und überlegen sich, wo sie Geld herbekommen, wenn sie eine gute Idee haben.“

Doch im Vergleich zu den USA ist die Zahl der Start-ups und ihr Kapital noch immer vergleichsweise gering. 2017 erhielten sie laut Bryce-Studie drei Viertel aller eingesammelten Gelder und sogar 90 Prozent der Anschub-Finanzierungen. Das liegt teils an der kulturellen Heimat des Wagniskapitals. Fast drei Viertel der Raumfahrt-Investoren und -Venture-Capital-Unternehmen haben ihren Sitz in den USA, Großbritannien, Kanada und Australien. Der Rest kommt im Wesentlichen aus Japan, aus Deutschland kommen weniger als fünf.

Ein guter Teil der Investoren hat seinen Sitz im Silicon Valley und dort bleibt dann auch die Finanzierung. Viele der neuen Raumfahrt-Business-Cases haben einen digitalen Charakter und das ist vertrautes Terrain für die dortigen Geldgeber. Fließen Investitionen nach Europa, gehen sie nicht etwa an den vermeintlichen Hochtechnologie-Standort Deutschland, zeigt der Report. Sondern beispielsweise nach Spanien, wo das Start-up PLD Space nahe Alicante eine Rakete für kleine Nutzlasten entwickelt. Oder ins südfinnische Espoo, wo das Universitäts-Spin-Off Iceye Radar-Satelliten baut, um die Schifffahrt vor Eisbergen zu warnen.

Der gesetzliche Rahmen bremst die Wirtschaft

Daran sind auch die politischen Voraussetzungen in Deutschland schuld.  Die USA etwa haben die kommerzielle Raumfahrt seit den Achtzigerjahren mit einer Reihe von Weltraum-Gesetzen sukzessive reguliert und damit die nötigen legislativen Voraussetzungen geschaffen. So wurde etwa die Raumfahrtbehörde Nasa angewiesen, Raumtransport – also Raketenstarts – einzukaufen, statt sie selbst zu organisieren.

Das hat Konsequenzen. „Wenn ein Land kommerzielle Unternehmen Raumfahrt betreiben lässt, braucht es in Umsetzung des internationalen Weltraumvertrages ein nationales Weltraumgesetz, das die Grenzen für die Unternehmen absteckt“, erklärt Ingo Baumann, Partner der auf Weltraumrecht spezialisierten Anwaltskanzlei BHO Legal in Köln.Die Haftung der Unternehmen ist einer der wichtigsten Aspekte. Denn die Schäden, die beispielsweise ein in Berlin abstürzender Satellit anrichten würde, wären unbezahlbar – und entsprechend sind es die Versicherungspolicen. Eine unbegrenzte Haftung würde einen privaten Raumfahrtmarkt also von Anfang an abwürgen.

Die Politik bewegt sich daher stets zwischen dem Damoklesschwert der Haftung und der Aussicht auf einen neuen Wirtschaftszweig. „Wenn man zurückschaut, gab es nur eine Handvoll Staaten mit einem nationalen Weltraumgesetz“, sagt Baumann. Denn nur wenige Staaten besaßen eine private Raumfahrtindustrie. Doch in den vergangenen fünf Jahren sind zahlreiche neue hinzugekommen.

Während die Gesetze früher für die großen Kommunikationssatelliten definiert waren, sind heute mit Kleinsatelliten, Raketenbetreibern, Weltraumtourismus oder Weltraum-Bergbau völlig neue Aspekte hinzugekommen. „Die Kommerzialisierungswelle hat die staatliche Willensbildung in einigen Ländern stark verändert“, erklärt Baumann. Mittlerweile geht es um Jobs, Hochtechnologie und internationale Wettbewerbsfähigkeit. „Angesichts dieser Entwicklung setzen zahlreiche Länder die Haftungsobergrenzen sowie entsprechend die Versicherungspflichten herunter, beschleunigen die Genehmigungsprozesse und setzen Sicherheitsanforderungen zurück. Das sind Gesetze zur Wirtschaftsförderung.“

Die US-Regierung gewährt ihren Unternehmen eine quasi versicherungspolitische Narrenfreiheit, bei der der Staat für eventuelle Schäden aufkommt. Mittlerweile haben etwa 20 Staaten mit eigenen Weltraumgesetzen nachgezogen, darunter Raumfahrt-Exoten wie die Mongolei und Peru, und viele europäische Staaten, darunter die Skandinavier, Benelux sowie Frankreich und England.

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