Öko-Plastik Alle reden von Öko-Verpackungen – und trotzdem fällt den Vorreitern der Durchbruch schwer

Die letzten ihrer Art: Einwegbecher, zumindest Modelle aus Styropor, sind ab Anfang Juli in der EU verboten. Quelle: imago images

Ab Anfang Juli sind in der EU viele Einwegverpackungen aus Plastik verboten. Das eröffnet Start-ups, die ökologische Verpackungen anbieten, einen großen Markt. Doch die meisten Alternativen scheitern schon früh.

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Ein Kaffee am Bahnhof, Abendessen per Lieferdienst: To-Go-Angebote sind verlockend – und für das Start-up Traceless sollen sie zur Basis des Markterfolgs werden. Das Hamburger Start-up arbeitet nämlich an einem pflanzlichen Kunststoff-Ersatz – und könnte bald von einer neuen EU-Regelung profitieren. Schon ab Anfang Juli ist der Vertrieb vieler Einwegverpackungen in der Union verboten, darunter Kunststoffgeschirr sowie Einmalbecher und Boxen aus Styropor.

Stärken will die EU damit vor allem Mehrwegsysteme, auf die etwa die Start-ups Recup und Vytal setzen. Doch der Bedarf an Einmal-Verpackungen werde nicht ganz verschwinden, sagt Traceless-Mitgründerin Johanna Baare: „Pfandsysteme sind meist örtlich begrenzt. Das hilft mir wenig, wenn ich zum Beispiel auf der Durchreise bin.“ Zusammen mit ihrer Mitgründerin Anne Lamp entwickelt sie deshalb ein Material, das schon kurz nach der Verwendung mit ökologisch reinem Gewissen weggeworfen werden kann, weil es CO₂-arm hergestellt wird aus Reststoffen der Agrarindustrie – und kompostierbar ist.

Nachwachsende Rohstoffe als Ersatz für den Plastikrohstoff Erdöl: Das ist keine neue Idee, deren Durchbruch jedoch noch auf sich warten lässt. Biobasierte Polymere kamen nach Erhebungen des auf die Entwicklungen im Bereich der Biochemie spezialisierten Nova-Instituts 2019 nur auf einen Marktanteil von einem Prozent.

Impulse aus der Politik

Dennoch herrscht in der Branche gerade Aufbruchstimmung, was vor allem an den Umwelt- und Klimazielen der EU liegt, zu denen auch das Verbot von Einwegverpackungen aus Plastik gehört. „Die Dynamik in dem Sektor nimmt stark zu“, sagt Ann-Kathrin Kaufmann vom Biocampus Straubing. „Auch die politischen Rahmenbedingungen werden besser.“

Dort versucht die Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die niederbayerische Stadt als Zentrum für nachwachsende Rohstoffe zu positionieren. Das Kalkül: Zur eher margenschwachen Forst- und Landwirtschaft in der Region sollen sich Hightech-Unternehmen gesellen. Ein Technologie- und Gründerzentrum hilft Start-ups auf die Beine. Spin-offs entstehen etwa aus dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik, das in Straubing einen Standort hat. Ebenfalls dort vertreten ist der Campus für Biotechnologie der TU München. Zu den Vorzeige-Ausgründungen gehört Cascat – ein Start-up, das die Herstellung von Chemikalien aus pflanzlichen Ausgangsstoffen voranbringen will.

Investoren belohnen große Visionen

Ein ähnliches Ziel verfolgt Origin.bio aus Pullach bei München. Die große Vision: Petrochemikalien sollen auch über den Verpackungsbereich hinaus in vielen Branchen überflüssig werden. Geschmacks- und Geruchsstoffe, Fettsäuren und spezielle Materialien etwa für den 3D-Druck sollen aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

Obgleich die Gründung erst ein halbes Jahr zurückliegt, wird das Unternehmen bereits hoch gehandelt. 15 Millionen Dollar Wagniskapital pumpten Geldgeber jüngst in das Start-up. Angeführt hat die Finanzierungsrunde EQT Ventures. In Europa herrsche das richtige politische Klima, um einen globalen Champion der Biowirtschaft aufzubauen, teilte der schwedische Risikokapitalgeber mit. „Die technischen Universitäten sind weltweit führend, und die Bedingungen für Start-up-Unternehmen verbessern sich ständig“, so EQT-Manager Gregory Bernstein.

Konkrete Produkte kann Origin.bio zwar noch nicht vorweisen – mit Jens Klein aber einen erfahrenen Gründer mit Branchen-Know-how. Der ehemalige Evonik-Manager war zuvor Chef vom Amsilk. Die Firma nutzt Biotechnologie, um Spinnenseide in industriellem Maßstab herzustellen. „Konsumgüterkonzerne wie Unilever oder Procter & Gamble suchen nach Wegen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, sagt Klein. „Aber auch das Interesse von Konsumenten an umweltfreundlichen Produkten steigt stark.“ Bisher, so der Gründer, sei die Verfügbarkeit passender Rohstoffe aber der Flaschenhals. Origin.bio wolle diese Lücke schließen.

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