Es gibt eine schöne Anekdote über den Künstler Damien Hirst. Der hatte mal die Idee, Tierkadaver in Formaldehyd einzulegen und in Museen auszustellen. Eines Tages murrte ein Besucher, auf die Idee hätte ja jeder kommen können. Darauf Hirst: „But I did.“ Drei Wörter, die den Geist des Erfindertums perfekt versinnbildlichen. Denn dazu gehört nicht nur die Kreativität, eine Idee zu haben – sondern auch der Mut, sie umzusetzen. Zehn Menschen, die es anders machten.
1. Der Verkäufer
Christopher Bailey pfeift auf Regeln. Als Chef des Modehauses Burberry gelang es dem 46-jährigen Designer nicht nur, die angestaubte britische Marke zu modernisieren, sondern gleichzeitig mit vermeintlichen Dogmen der Branche zu brechen. Bailey entschied, Männer- und Frauenmode in einer gemeinsamen Modeshow zu zeigen und via Livestream zu übertragen – und die dort präsentierten Kollektionen nicht erst Monate später, sondern sofort zu verkaufen. Andere Labels wie Tommy Hilfiger und Tom Ford machten es ihm nach. Nach 17 Jahren wird Bailey das Unternehmen im März verlassen.
2. Die Herzforscherin
Svenja Hinderer will Organe im Labor züchten. Die Chemikerin entwickelte am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik eine künstliche Herzklappe, die im Körper der Patienten mitwächst. Diese Innovation würde vor allem Kindern helfen, deren Herzklappen bisher regelmäßig ausgetauscht werden müssen. Die Redaktion des Magazins „Technology Review“ vom Massachusetts Institute of Technology zählt Hinderer zu den 35 wichtigsten Nachwuchs-Erfindern (unter 35 Jahre alt).
3. Der Süße
René Frank war es leid. Sechs Jahre lang war er als Chef-Pâtissier im Osnabrücker Drei-Sterne-Restaurant La Vie zuständig für die Süßigkeiten. Aber warum serviert man die Desserts immer zum Abschluss eines Menüs, wenn die Mägen schon voll sind? Und wer sagt eigentlich, dass es immer Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch geben muss? Franks Berliner Restaurant Coda ist seit Spätsommer 2016 Deutschlands erste Dessert-Bar. Die Gäste können zwischen vier oder sechs Gängen wählen – und auf den Teller kommt ausschließlich Süßes.
4. Der Exzentriker
Teodor Currentzis macht seit einigen Jahren als Enfant terrible des Klassikbetriebs Furore. Der exzentrische griechische Dirigent hat mit seinem MusicAeterna Ensemble aus dem sibirischen Nowosibirsk fulminant flotte Deutungen von Mozarts Da-Ponte-Opern (Don Giovanni, Hochzeit des Figaro, Così fan tutte) vorgelegt. Mit seinem Neuen Sibirischen Sänger-Kammerchor verwandelt er Konzertsäle in sakrale Gebäude, taucht sie in Kerzenschein und feuert das Ensemble mit höchster Emotionalität zu spirituellen Sternstunden an – ein Priester im Dienst des überzeitlich Schönen in der Musik. In einigen Monaten wird Currentzis Chefdirigent des SWR Symphonieorchesters.
Künstler, Programmierer, Journalisten
5. Der Weitwerfer
Stephen Curry sucht sein Glück in der Ferne – notgedrungen. Weil er für einen Basketballspieler der amerikanischen Profiliga NBA eigentlich zu klein und zu schmächtig ist, hat er sich auf Weitwürfe spezialisiert. Für die gibt es drei statt zwei Punkte – und keiner sammelt so erfolgreich „Dreier“ wie Curry. Sein Team, die Golden State Warriors, gewann in den vergangenen drei Jahren zweimal die Meisterschaft – und Curry wurde dabei zweimal zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt. Eine hübsche Erinnerung daran, dass kleine Dinge den großen Unterschied machen können.
6. Die Kupplerin
Whitney Wolfe möchte die Partnersuche verändern. Die 28-Jährige ist Gründerin der App Bumble. Das Prinzip der Kuppel-Plattform gleicht dem von Tinder: Die Nutzer sehen Profilfotos; wischen zwei auf ihrem Smartphone nach rechts, können sie sich gegenseitig kontaktieren. Bei Bumble allerdings geht nur von Frauen die Initiative aus. Die App hat mehr als 20 Millionen Nutzer – und Wolfe macht ihrem ehemaligen Arbeitgeber Tinder damit ganz schön zu schaffen.
7. Der Einzel-Händler
Der Wu-Tang Clan hat ein vermeintliches Gesetz der Musikbranche ignoriert: Ein Album ist erfolgreich, wenn es sich gut verkauft. Die Hip-Hopper pressten ihr Album Once Upon a Time in Shaolin nur einmal auf CD. Im Jahr 2015 wurde es bei einer Auktion für zwei Millionen Dollar versteigert. Den Zuschlag bekam der umstrittene Pharmamanager Martin Shkreli.
8. Die Medienmogulin
Jessica Lessin beweist, dass man mit seriösem Internetjournalismus Geld verdienen kann – ganz ohne Katzenbildchen und Klickstrecken. 2013 hat die damalige „Wall Street Journal“-Redakteurin „The Information“ gegründet. Das Portal analysiert die Techbranche und finanziert sich vor allem über Abonnements und Konferenzen. Lessin beschäftigt rund 30 Angestellte.
9. Die Sprachlehrerin
Anne Kjær Riechert findet Computercodes wichtiger als Grammatik. Deshalb gründete sie im August 2015 in Berlin die gemeinnützige ReDI School of Digital Integration. Immigranten, findet Riechert, sollten nicht nur Deutsch lernen, sondern auch eine Programmiersprache wie Java oder Python – das mache fit für den Arbeitsmarkt. Deshalb erhalten Flüchtlinge an der gemeinnützigen Einrichtung kostenlose Kurse.
10. Der Zerstörer
Nicola Samorì attackiert seine eigenen Werke. Der italienische Künstler malt zunächst in dunklen Farben gehaltene Bilder, die an Barockgemälde erinnern: Heiligendarstellungen, Märtyrerporträts und Kreuzigungsszenen. Danach bricht er seine virtuosen Werke mit dem Messer oder verätzt sie durch Laugen. Zum Vorschein kommen geschundene, halb zerstörte Bildflächen, Körper, die ihr Inneres offenlegen: die darunter liegende Leinwand oder das Holz. Eine Kunst, der ihre vergängliche, zerbrechliche Schönheit buchstäblich eingebrannt ist.