Researchgate 53-Millionen-Nachschub für das Forscher-Facebook

Ijad Madisch baut ein Facebook für Forscher. Bill Gates, Peter Thiel stecken noch einmal mehr als 50 Millionen Dollar in Researchgate. Hat der Gründer des Forscher-Netzwerks das Zeug zum deutschen Zuckerberg?

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Ijad Madisch, der Gründer des Forscher-Netzwerks Researchgate. Quelle: Presse

Ijad Madisch ist schon lange ein Star unter den deutschen Gründern, nun stellt er den Status offensiv zur Schau. Ein knallblaues Superman-Basecap sitzt auf dem Kopf des 36-Jährigen. Das Käppi hat die Wollmütze ersetzt, die lange sein optisches Markenzeichen war. Und nicht bloß das. „Ich wollte als Kind immer Superheld werden“, sagt er lachend und knöpft sein Hemd auf. Darunter zeigt sich ein rotes Shirt mit dem gelben Blitz des Comic-Helden Flash.

Eines, wie es Sheldon Cooper trägt, der geniale Wissenschaftlers aus der TV-Kultserie „The Big Bang Theory“. Das passt, denn Madisch ist so etwas wie die coole Variante des TV-Obernerds, gekreuzt mit Mark Zuckerberg: Der promovierte Virologe ist zugleich Informatiker, vor allem aber Chef des Berliner Wissenschafts-Netzwerks Researchgate, einer Art Facebook für Forscher.

Doch ist der aus Wolfsburg stammende Arzt wirklich der Überflieger, den er so gerne mimt? Lange blieb er den Beweis schuldig, dass sich mit seiner Idee überhaupt Geld verdienen lässt.

Die wertvollsten Start-up-Branchen Europas

Immerhin, Researchgate ist schon jetzt das internationalste Start-up hierzulande. Gerade einmal vier Prozent der Nutzer kommen aus Deutschland. Kein anderer hat zudem so illustre Investoren, zu denen Microsoft-Gründer Bill Gates, Facebook-Finanzier und Trump-Berater Peter Thiel und Valley-Investor Matt Cohler zählen. Jetzt gab das Netzwerk bekannt, dass die Geldgeber schon 2015 noch einmal fast 53 Millionen Dollar investiert haben. Auch Goldman Sachs und Schauspieler Ashton Kutcher sind mit eingestiegen. Insgesamt hat Researchgate damit mehr als 100 Millionen Dollar eingesammelt.

„Ich mache nicht gern Tamtam um Finanzierungsrunden“, sagt Madisch. Auch um Gewinne schert er sich bislang nicht. Für seine Valley-Finanziers kein Problem: „Vergiss erst mal das Geldverdienen“, hat Cohler, der LinkedIn mit aufgebaut hat, Madisch eingetrichtert. Wenn man den Netzwerk-Effekt hinbekomme, folge der Rest von allein.

Und zumindest dieser Teil der Mission läuft. Researchgate wächst schnell. Die Zahl der Mitglieder stieg im Vorjahr um fast 40 Prozent, auf nun zwölf Millionen. Beeindruckender noch sind deren Aktivitäten. Die Nutzer veröffentlichen jeden Monat 2,5 Millionen Publikationen auf der Plattform, mehr als 100 Millionen sind es bis heute.

Schon lange ein Star unter den deutschen Gründern: Ijad Madisch baut ein Facebook für Forscher. Quelle: Martin Miseré

Es war Cohler, Partner beim Risikokapitalgeber Benchmark Capital, der Madisch bisher als wichtigster Ratgeber zur Seite stand. Er kennt sich so gut mit Netzwerken aus wie wenige sonst. Cohler war einer der ersten fünf Facebook-Mitarbeiter und finanzierte schließlich mit Snapchat und Instagram die nächste Netzwerk-Generation.

Kann sich Researchgate dort einreihen? In Sachen Selbstbewusstsein hält Madisch mit den Valley-Größen locker mit: Als Researchgate vor zweieinhalb Jahren begann, auf seinem Portal Stellenanzeigen zu veröffentlichen, zog er Parallelen zu LinkedIn, die mit Stellenangeboten damals schon Milliarden umsetzten.

Noch wachsen Umsätze und Verluste

Davon sind die Berliner noch weit entfernt. Die Umsätze haben sich laut Madisch jedes Jahr verzwei- oder verdreifacht, doch auf überschaubarem Niveau. Aber es gelingt ihm, die Einnahmen deutlich schneller zu steigern, als die Ausgaben. 2015 konnte er die Erlöse auf knapp drei Millionen Euro mehr als verdreifachen. Der Vorsteuerverlust stieg dagegen nur leicht von 5,4 auf 6,2 Millionen Euro.

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Madisch will das Minus nun durch Werbung ausgleichen. 22 der 25 größten Hersteller medizinischer Instrumente zählen bereits zu seinen Kunden. „Wir verdienen mit Werbung schon mehr, als mit Recruiting“, sagt Madisch. Mehr verrät er nicht. Kündigt aber an: „In den nächsten zwei Jahren wollen wir die Gewinnschwelle erreichen“.

Totale Transparenz im Forschungsprozess

Für ihn spricht: Researchgate ist weit mehr als eine Datenbank von Wissenschaftsartikeln mit verknüpften Profilen. Seit dem vergangenem Jahr ermöglicht es die neue Funktion „Projects“, „Forschungsergebnisse in Echtzeit zu publizieren“, sagt Madisch. Seine Vision ist es, dass Wissenschaftler von der Idee über erste Rohdaten bis zu den fertigen Ergebnissen den kompletten Forschungsprozess öffentlich machen. Und er will dafür die Infrastruktur liefern.

Besteht nicht die Gefahr, dass andere Forscher früh veröffentlichte Ansätze kopieren? „Im Gegenteil“, sagt Madisch. Bisher durchliefen Studien vor der Publikation in Wissenschaftsjournalen Prüfverfahren, bei denen Kollegen anonym eingereichte Artikel bewerten. Da komme es vor, dass ein Gutachter die Veröffentlichung verzögere, wenn er an Ähnlichem forsche. „Wird in Echtzeit publiziert, können Ideen nicht mehr geklaut werden“, sagt der Netzwerkgründer. Es sei ja erkennbar, wer etwas als erster veröffentlicht habe.

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Das scheinen auch viele Wissenschaftler so zu sehen. Sie haben bereits mehr als eine halbe Million Forschungsprojekte bei Researchgate angelegt. „Wir versuchen die herkömmlichen Strukturen der Wissenschaftswelt aufzubrechen“, sagt Madisch.

Da klingt er wieder durch, der Superheld. Geschenkt, dass er ein Hero im Wartestand ist.

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