Benjamin Günther und Sebastian Schuon waren 2016 buchstäblich über Nacht zu Millionären geworden. 80 Millionen Euro hatte der Medienkonzern ProSiebenSat.1 damals für die Modesuchmaschine Stylight gezahlt. Plötzlich lag ihre Zukunft wie ein leeres Blatt vor ihnen und die Fülle an Möglichkeiten schien unendlich. Nach ein paar Wochen Auszeit, stand fest, wie es weitergehen sollte: „Wir haben erst jeder für sich und dann gemeinsam überlegt, wofür wir wirklich brennen“, erinnert sich Benjamin Günther.
Er und sein Co-Gründer Schuon beschlossen, ihr Geld in etwas zu stecken, mit dem sie sich auskennen: in Start-ups. Aber nicht in ihre eigenen, sondern in die von anderen. Aus den beiden Gründern wurden Business Angels – also Geldgeber, die ihre Schützlinge gleichzeitig mit Ratschlägen und guten Kontakten unterstützen. Ein Glücksfall für viele Neulinge in der Szene.
Was Wagniskapitalgeber nicht leisten können
„Gerade am Anfang einer Gründung sind ehemalige Gründer als Business Angels Gold wert“, sagt Klaus Diepold, der an der TU München für die Entrepreneurship-Ausbildung der Studierenden verantwortlich ist. „Sie geben nicht nur Geld, sondern bringen auch ihr gesamtes Knowhow ein.“ Das können kleine Frage nach dem Aufsetzen eines Arbeitsvertrages sein, aber auch Hilfe bei großen Schritten wie einer geplanten Internationalisierung. Und, was vielleicht noch viel wichtiger sei: „Sie haben das Gespür, um eine gute Geschäftsidee zu erkennen, etwas, das Wagniskapitalgebern meiner Meinung nach häufig fehlt.“
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Auch Günther und Schuon gefallen sich in ihrer neuen Rolle und sehen sich als eine Art Sidekick der Gründer: „Wir können uns gut in die Gegebenheiten reindenken. Wir wissen, welche Ängste und Sorgen einen in den ersten Monaten und Jahren umtreiben.“
Die beiden Münchner sind nicht die einzigen ehemaligen Gründer, die nach einem erfolgreichen Exit die Seiten gewechselt haben. 2011 initiierten Unternehmer aus dem Umfeld von Rocket Internet unter dem Namen Saarbrücker21 – der Adresse der ehemaligen Zentrale des Company Builders – ein Businessangel-Netzwerk mit dem Ziel „hammer Gründer und tolle Ideen“ zu unterstützen. Und diese davor zu schützen, die gleichen Fehler zu machen, wie sie selbst, so schreiben sie es auf ihrer Homepage. Unter ihnen sind Home24-Gründer Philipp Kreibohm, Nebenan.de-Macher Christian Vollmann und Ladenzeile-Gründer Robert Maier.
Die Samwer-Brüder selbst, die Rocket Internet 2007 an den Start brachten, investierten unter anderem eine Millionensumme in die Schlafcoaching-Plattform Shleep. Einer der bekanntesten Investoren der Welt ist Paypal-Gründer Peter Thiel, der nicht nur Geld an die Macher von Airbnb gab, sondern auch an deutsche Firmen wie die Online-Bank N26 und den Online-Broker Trade Republic.
Profitabler Kreislauf
Christian Miele, Vorstandsvorsitzender des Start-up-Verbands, sieht diese Entwicklung positiv: „Für das Start-ups-Ökosystem ist es ein großer Gewinn, wenn ehemalige Gründer zu Investoren werden.“ Von diesem Kreislauf profitiere der gesamte Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig gäbe es als Neu-Investor einiges zu beachten, betont Experte Diepold von der TU München: „Ein kluger Businessangel steht immer bereit, mischt sich aber nicht ein. Die Verantwortung muss immer bei den eigentlichen Gründern verbleiben – auch wenn es einem in den Fingern juckt, sich einzumischen.“
Diesen Ratschlag versuchen auch die ehemaligen Stylight-Gründer zu beherzigen. „Wir haben uns fest vorgenommen, niemals ungefragt einen Kommentar abzugeben. Wir warten, bis die Gründer auf uns zukommen“, so Sebastian Schuon.
Dabei sei es aber auch wichtig zu akzeptieren, wenn die Gründer sich gegen einen Ratschlag entscheiden. „Natürlich kann man eine Warnung aussprechen, wenn man sicher ist, dass sich jemand in eine vermeintlich falsche Entscheidung verrennt. Letztendlich ist es aber gut und wichtig, dass jeder Gründer seine eigenen Fehler macht, denn nur so kann er sich entwickeln“, sagt Diepold. Auch wenn das im schlimmsten Fall einen Rückschlag für das Start-up bedeute.
„Eine Gründung ist eine persönliche Herausforderung, die nicht immer nur Spaß macht“, sagt Schuon. Sie würden die Höhen und Tiefen der Gründerwelt kennen und könnten dementsprechend auch emotionale Unterstützung leisten. „Etwas, das Wagniskapitalgeber in der Regel nicht machen.“ Nicht zuletzt deshalb sind Benjamin Günther und Sebastian Schuon davon überzeugt, dass gerade in frühen Phasen ehemalige Gründer als Geldgeber die beste Wahl sind. Wer selbst gegründet habe, erkenne wertvolles Potenzial auf den ersten Blick, sei mutiger, wenn es darum gehe, eine Idee zu unterstützen – auch, wenn diese noch ganz am Anfang stehe.
So sehr Benjamin Günther und Sebastian Schuon ihre neue Rolle verinnerlicht haben, so ganz können sie es dann doch nicht lassen. Mittlerweile haben die beiden wieder ein eigenes Start-up gegründet. Als Geldgeber sind bei ihrem Software-Unternehmen Alasco ebenfalls Gründer anderer Start-ups mit an Bord.
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