Service statt Vermittlung Warum immer mehr Start-ups eigene Handwerker anstellen

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Investoren denken um

Der Schritt, Handwerker selbst auf die Gehaltsliste zu nehmen, steht der Start-up-Logik erst einmal entgegen. Typischerweise wollen die jungen Unternehmen möglichst schlank bleiben – und etablierte Anbieter vor allem technologisch angreifen. Denn mit Software lassen sich Skaleneffekte schneller erreichen: Neue Kunden verursachen kaum Kosten, verbessern aber die Profitabilität. Mit jedem operativ tätigen Mitarbeiter wachsen dagegen die Betriebskosten – und die Verpflichtungen, die Start-ups als Arbeitgeber erfüllen müssen. Investoren hat das lange vor allzu personalintensiven Geschäftsmodellen zurückschrecken lassen.

Doch der Wind hat sich gedreht. Enpal etwa hat sich zuletzt im November ein Millionen-Investment gesichert – neben den Zalando-Gründern kam auch Hollywoodstar Leonardo di Caprio an Bord. Installion steht gerade kurz vor dem Abschluss einer millionenschweren Finanzierungsrunde. Und bei Thermondo hat kürzlich der kanadische Infrastrukturfonds Brookfield die Mehrheit übernommen. Zuvor hatte das Berliner Start-up unter anderem von Eon, HV Capital, Vorwerk Ventures und Rocket Internet Geld bekommen.

Werben um frustrierte Angestellte

Die große Herausforderung für Start-ups wie Thermondo oder Installion: Sie müssen plötzlich starke Arbeitgebermarken in einer Welt aufbauen, die weit weg scheint vom Digital-Geschäft. Pausder sieht darin auch Chancen: „Es gibt viele junge Handwerker, die keine Lust auf administrative Tätigkeiten haben und softwaregestützt arbeiten wollen.“ Installateure schickt Thermondo immer in Zweier-Teams los. Zur Standardausrüstung gehören Tablets, über die die Vor-Ort-Einsätze gesteuert und dokumentiert werden.

Die Start-ups werben mit höheren Freiheitsgraden als bei hierarchisch organisierten Kleinbetrieben. „Wir konnten schon viele Leute für uns gewinnen, die unter cholerischen Chefs gelitten haben“, sagt Installion-Mitgründer Florian Meyer-Delpho. Auf sich aufmerksam machen die Kölner unter anderem bei Instagram. Personal beziehe man außer aus Deutschland auch aus Osteuropa. Offen ist Installion zudem für Quereinsteiger – etwa aus dem durch die Corona-Krise stark gebeutelten Messebau. Ähnlich geht Enpal vor.

Hilfe bei Online-Verzeichnissen

Thermondo betreibt bereits seit zwei Jahren eine unternehmenseigene Akademie, die stark auf E-Learning setzt. So sollen Installateure beispielsweise für Führungsaufgaben fit gemacht werden und ihr Fachwissen vertiefen. Das Start-up bildet zudem seit mehreren Jahren selbst aus. Die Heizungswelt werde immer komplexer, sagt Pausder. Zu etablierten Systemen kommen solarthermische Anlagen und Wärmepumpen. „Spezialisten für diese Technologien findet man auf dem Markt kaum.“

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Um all das brauchen sich klassische Vermittlungsportale nicht zu kümmern – und spüren doch den Engpass. Die Blauarbeit.de-Mutter Portal United versucht nun, die Handwerksbetriebe stärker an sich zu binden. Anders als Myhammer lebt Blauarbeit.de nicht von Provisionen, sondern von monatlichen Gebühren. „Wir wollen unseren Kundeninnen und Kunden helfen, die Digitalisierung insgesamt voranzutreiben“, sagt Firmenchef Oberst. Künftig werde man den Betrieben etwa bei der Erstellung professioneller Internetseiten unter die Arme greifen. Bereits angeboten wird ein Service, der die Unternehmen in Online-Verzeichnisse vom Telefonbuch bis zu Google Maps einträgt.

Zudem gibt es Planspiele, Handwerker auch selbst anzuheuern. Denn Portal United will mit Hilfe der Homebell-Technologie Marken für einzelne Gewerke entwickeln, die gegenüber dem Kunden als Komplettanbieter auftreten. So könnten neue Online-Dachdecker, Badsanierer oder auch Gärtnereien entstehen. „Wir müssen ausprobieren, ob das alleine mit Partnerbetrieben funktioniert“, sagt Oberst. Er sei aber davon überzeugt, dass auch das Maklergeschäft im Handwerk eine Zukunft hat. „Für etablierte Betriebe ist das vor allem attraktiv, um Auftragslücken zu füllen“, sagt Oberst. Für Newcomer wiederum biete sich die Chance, überhaupt erste Kunden und Referenzen einzusammeln.

Mehr zum Thema: Selten ging es dem Handwerk so gut wie heute. Trotzdem sinkt die Zahl derer, die ein neues Unternehmen aufbauen. Dahinter steckt eine Entwicklung, welche die Handwerkerwelt ganz grundlegend verändern dürfte.

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