Standortnachteil Deutschland Videospiele boomen, doch Deutschland wird abgehängt

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Teure Produktion, keine einheitliche Förderreglungen

Selbst mit Fonds wie dem FFF liegt Deutschland noch weit hinter anderen Ländern zurück. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Games-Branche (Game), Felix Falk, bemängelt: "In Deutschland kostet die Produktion eines Computerspiels bis zu 30 Prozent mehr als im europäischen Umland." Dies liege unter anderem daran, dass Deutschland den Trend der Videospiele jahrelang verschlafen habe. Länder wie Frankreich, Italien und Polen seien viel weiter und hätten bereits die nötige Infrastruktur und Fördergelder. Dadurch könnten sich besonders junge Unternehmer, die ihr Studio häufig direkt nach dem Studium gründen, langfristig entwickeln.

Auch Spieleentwickler Graff findet, dass Deutschland als Unternehmensstandort für Indieentwickler unattraktiv sei. So seien die bürokratische Hürden bei Einstellung von kurzfristig gebrauchten Arbeitskräften hoch, über staatliche Förderungen werde zu lange entschieden und hohe Steuern minderten die Gewinne, sodass man nicht wachsen könne. Gerade im Vergleich zu den Nachbarländern Frankreich und Großbritannien habe Deutschland das Nachsehen. "Ich kann verstehen, wenn Studios, die sich es leisten können, lieber nach Frankreich gehen und dort die besseren Rahmenbedingungen nutzen", sagt Graff.

Philipp Döschl ist einer von drei geschäftsführenden Gesellschaftern bei FDG Entertainment, einem global agierenden Publisher und Entwickler mit Sitz in München. FDG wirbt damit, Kooperationen mit den besten Indieentwicklern zu suchen und mit ihnen Spiele für Smartphones und Konsolen zu publizieren. Fünf Projekte bearbeitetet Döschl mit seinen Mitarbeitern zurzeit, keines davon mit deutscher Entwicklerbeteiligung. "Was wir brauchen", sagt Döschl, "ist ein deutsches Unternehmen mit riesigem Erfolg - eines, das über die Grenzen hin bekannt wird". Das würde auch weitere Entwickler anlocken.

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Doch dazu muss es erst einmal kommen. Döschl kritisiert die Rahmenbedingungen der Förderung: Gerade bei den wichtigen Förderungen das Landes dauere es oftmals lange, bis sie beim Unternehmen ankämen. Bei den meisten deutschen Ländersystemen entscheidet zur Zeit ein Gremium, welcher Entwickler in welchem Umfang gefördert wird. Döschl plädiert für eine automatisierte Förderung nach französischem Vorbild: Sobald Unternehmen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, qualifizieren sie sich automatisch für Fördergelder.

Vier Millionen Euro investieren die Länder bundesweit in deutsche Entwickler. Deutlich zu wenig, meint Game-Geschäftsführer Falk, gerade wenn man bedenke, dass zum Beispiel Großbritanniens Budget für Förderung 60 Millionen Euro umfasse. "Die Rahmenbedingungen für die deutsche Games-Branche sind aktuell international gesehen nicht konkurrenzfähig", resümiert Falk. Er schlägt einen bundesweiten Investitionsfonds vor, der mehr Geld umfasst und automatisiert fördert. Damit könnten Unternehmen langfristig planen und wären nicht von dem Wohlwollen einer Jury abhängig.

Eine solche Investition würde sich für beide Seiten lohnen. In Frankreich kommen laut einer Studie des Branchenverbands auf jeden Förder-Euro 1,80 Euro an Steuern sowie acht Euro an weiteren Investitionen zurück. Ein 50 Millionen Euro großer deutscher Games-Fonds könnte 90 Millionen Euro an Steuern und 400 Millionen Euro an zusätzlichen Investitionen generieren, rechnet Game vor.

Die Politik will handeln. So versprach NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auf der Eröffnung der Gamescom: "Wir kümmern uns darum, die Arbeitsbedingungen für die Spieleproduzenten zu erleichtern." Auf europäischer Ebene wolle er sich für bessere Rahmenbedingungen einsetzen. Auch der Digitalrat, der diese Woche seine Arbeit aufnimmt, ist Hoffnungsträger. Er könnte die Verfahren für Förderungen entschlacken und weitere Bürokratie abbauen. Die Branche dürstet nach bundeseinheitlichen Regelungen, die der deutschen Gameswirtschaft wieder frischen Wind geben können.

Game-Geschäftsführer Falk ist zuversichtlich: „Wir verlieren gerade den Anschluss - doch ich bin zuversichtlich, dass wir das Problem auf kurzfristige Sicht bewältigen können. Die Generalsekretäre von SPD und CDU haben auf der Gamescom zugesagt, dass sich noch in diesem Jahr das konkrete Förderbudget entscheidet und spätestens nächstes Jahr die Förderung gestartet ist, damit wir wirklich bald loslegen können.“

Ob Indieentwickler wie Tobias Graff bis dahin Zeit haben, ist noch unklar. "Ich habe schon mehrere solcher Vorschläge erlebt", sagt Graff, "viele davon haben am Ende nur marginale Effekte gehabt. Doch die Initiative finde ich gut, denn wir brauchen dringend Bewegung in Deutschland."

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