Standortnachteil Deutschland Videospiele boomen, doch Deutschland wird abgehängt

Besucher der Gamescom 2018 probieren an einem Stand das Videospiel Battlefield 5 aus. Quelle: dpa

Die Videospielbranche boomt, 2018 wird der Umsatz voraussichtlich auf ein Allzeithoch klettern. Deutsche Produktionen profitieren jedoch kaum von dem Trend. Warum Deutschland ein Update braucht.

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Thomas Graff hatte sich das alles deutlich einfacher vorgestellt. Als er 2014 sein Studium in Game Development beendete, war ihm klar: Er wollte Videospiele programmieren. Seit Monaten arbeitete er damals bereits mit drei Kommilitonen an einem Computerspiel. In Hamburg gründeten sie schließlich das Entwicklerstudio „Mooneye Studios“, um sich ganz ihrem Spiel zu widmen. Doch eine Reihe an Problemen sorgten dafür, dass sie ihr Spiel „Lost Ember“ erst jetzt fertigstellen konnten.

Videospiele boomen, das zeigen nicht nur die Menschenmengen auf der Gamescom. Weltweit wird die Branche 2018 voraussichtlich rund 119 Milliarden Euro umsetzen, auch in Deutschland wächst der Markt konstant: allein im ersten Halbjahr 2018 um 17 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Doch gerade einmal fünf Prozent des deutschen Gesamtumsatzes erwirtschaften deutsche Entwicklungen und Studios. Das ist ein Prozent weniger als im Vorjahr. Offenbar gelingt es deutschen Entwicklern kaum, von dem Trend zu profitieren. Das liegt vor allem an einem Standortproblem der Bundesrepublik.

Gerade für Indieentwickler wie Graff ist es schwierig, sich auf dem Markt zu etablieren. Der Start seines Unternehmens war hart, wie er erzählt: „Wir haben den Großteil unserer Zeit für Auftragsarbeiten verwenden, damit wir überhaupt Geld zum Weitermachen hatten.“ Diese Arbeiten bekamen sie größtenteils über Kontakte vermittelt, „Networking-Veranstaltungen sind gerade für unabhängige Entwickler sehr wichtig.“ Ohne diese ursprünglich nicht geplanten Arbeiten hätte sein Studio „Mooneye“ nicht lange überlebt.

Tausende Videospiele kommen jedes Jahr auf den Markt. Um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten, brauchen Indieentwickler ohne bekannten Publisher im Rücken ein großes Marketingbudget. Auf 500.000 Euro schätzt Geschäftsführer Graff die Kosten für sein Spiel „Lost Ember“, ein Fünftel davon gibt er für Marketing aus. Seit fast fünf Jahren arbeiten sie an dem Spiel, jeder finanzielle Fehltritt könnte fatal sein. Dennoch stellte Graff vor einem Jahr eine neue Produzentin in Vollzeit ein. Die hatte in ihrem vorherigen Job mehr Geld verdient als bei ihm. „Mit einem guten Gehalt können die meisten Start-ups nicht locken“, sagt er. Daher sei es besonders schwierig, die richtigen Fachkräfte für seine Idee zu begeistern.

Zudem gebe es ein grundsätzliches Problem bei der Finanzierung von Videospielen, sagt Graff: "Wenn wir ein Spiel auf den Markt bringen, machen wir in den ersten Wochen ganz viel Umsatz und ein, zwei Monate nach Veröffentlichung dann so gut wie keinen mehr." Da meist unklar ist, wie lange man tatsächlich für ein neues Spiel brauche, sei langfristiges Planen schwer. Um sich voll auf sein Spiel zu konzentrieren, startete Graff deshalb Ende 2016 eine Crowdfundingkampagne. 100.000 Euro wollte der Hamburger einsammeln, mehr als 300.000 kamen am Ende zusammen.

Bei Graff hat dieser Schritt geklappt, doch Crowdfunding ist mit hohen Risiken verbunden. „Wenn eine solche Kampagne scheitert, kann man das Spiel, auch wenn es noch im sehr frühen Stadium ist, vergessen", warnt Graff. "Keinen der großen Publisher wird es mehr interessieren.“ Unabhängige Entwickler, die nicht so viel Risiko eingehen wollen, versuchen daher meist, durch die Programme der Länder Unterstützung zu bekommen.

Einer der Fonds, die Gaming-Projekte unterstützen, ist der Bayerische FilmFernsehFonds (FFF). Zwei Millionen investiert der FFF jährlich in Videospielprojekte. Michaela Haberlander, Förderreferentin für Games, kennt die Probleme von neuen Studios: „Gamesentwickler konkurrieren mit dem ersten Tag an international und sind dabei häufig von Unternehmen wie Google, Apple und Valve abhängig. Das mit David gegen Goliath zu vergleichen, wäre untertrieben.“ Für Entwickler sei eine prominente Platzierung in den Appstores der Unternehmen wichtig, denn mit ihnen kämen mehrere tausend potenzielle Käufer. Auch deutsche Start-ups seien so von amerikanischen Großkonzernen abhängig.

Jugendliche gingen nur noch sporadisch ins Kino, hunderttausende von ihnen hingegen spielen täglich Titel wie „Fortnite“ oder „Call of Duty“, meint Haberlander. Eigentlich könnte das eine großartige Chance sein, europäische Werte zu vermitteln, sagt Haberlander. "Doch wir haben es verpasst, eine europäische Plattform zu etablieren - dadurch können wir nur begrenzt Einfluss auf die Shops nehmen."

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