Start-up-Finanzierung Warum Gründerinnen immer noch weniger Risikokapital erhalten

Gründerinnen erhalten deutlich seltener Risikokapital als Gründer. Quelle: imago images

Hinter den wertvollsten Start-ups stecken in der Regel männliche Gründer. Auch weil Gründerinnen weniger Wert auf Risikokapital legen und es viel seltener erhalten als Gründer. Wie lässt sich das ändern?

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Celonis, N26, Personio, Trade Republic, Gorillas, Flink und viele mehr: Die Liste der deutschen Start-ups, die mehr als eine Milliarde US-Dollar wert sind, ist inzwischen lang. Eine gute Nachricht für die deutsche Start-up-Landschaft - mit einem bedeutsamen Makel: Die Avantgarde unter den deutschen Start-up-Gründern ist fast ausschließlich männlich, hinter den deutschen Milliarden-Gründungen stehen Unternehmer, die auf Vornamen wie Christian, Johannes, Maximilian, Oliver und Hanno hören.

Zwar treten mittlerweile immer mehr erfolgreiche Gründerinnen als Vorbilder für junge Frauen auf. Doch an den Zahlen ändert das bisher wenig: Der Anteil von Frauen unter allen Gründern stieg zuletzt nur noch marginal an, 2020 lag er bei Start-ups bei gut zwölf Prozent. Da hilft es auch nur bedingt, dass die größten Start-ups mittlerweile Frauen im Management haben, nach der heißen Anfangsphase holen sie fast alle Managerinnen in die Chefetage - ohne jedoch auch nur in die Nähe eines Geschlechtergleichgewichts im Top-Management zu kommen.

Die Gründe dafür sind vielfältig, einer davon ist die Finanzierung mit Risikokapital. Wer schnell und in großem Stil wachsen will, kommt nicht ohne mutige Geldgeber aus. Und genau hier sind die Unterschiede zwischen Gründerinnen und Gründern besonders eklatant, Vorstellung und Realität klaffen weit auseinander: Rund 15 Prozent der Gründerinnen suchen nach Risikokapital, doch nur 1,6 Prozent von ihnen erhalten es dann tatsächlich auch, zeigen Zahlen des Bundesverbands Deutsche Startups. Bei den Männern sind 44,5 Prozent auf der Suche nach Risikokapitalgebern (VCs) und fast 18 Prozent finden solche dann auch.

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Amanda Birkenholz kümmert sich beim Münchner Wagniskapitalgeber UVC Partners um Themen wie Quantencomputer und Robotik. Quelle: PR

Um große frauengeführte Start-ups heranzuzüchten, ist dieser Zustand fatal, weiß Amanda Birkenholz, die beide Perspektiven kennt, die der Gründerinnen und die der Investorinnen. Für Birkenholz liegt die klamme Finanzierung der Gründerinnen auch daran, dass Frauen in der „VC-Branche bis heute stark unterrepräsentiert sind“, wie sie sagt. „Ich habe vor ein paar Wochen mit einer Gründerin gesprochen, die erzählte, dass sie bislang mit 150 Investorinnen und Investoren gesprochen hat, und da waren nur zwei Frauen dabei“, sagt Birkenholz, die heute für den Wagniskapitalgeber UVC Partners, den Investmentarm des Münchner Gründernetzwerks UnternehmerTUM, arbeitet. Für Gründerinnen sei das ein großes Problem: „Häufig haben Gründerinnen zu Investorinnen ein viel engeres Verhältnis, als zu den männlichen Geldgebern, daher ist es wichtig, dass es auch mehr Frauen auf Investorenseite gibt.“ Die Zusammenarbeit mit Investoren ist meist auf mehrere Jahre ausgelegt, der Verhältnis im besten Fall eng und vertrauensvoll, der Kontakt regelmäßig. „Die Entscheidung für einen Fonds und für die handelnden Personen ist von enormer Tragweite“, sagt auch Birkenholz.

Die studiere Wirtschaftsingenieurin und Maschinenbauerin gründete einst mit einer Mitstreiterin ein eigenes Start-up. Als diese das Unternehmen dann allerdings verließ, wechselte Birkenholz die Seiten. Bei UVC Partners verantwortet sie heute Themen, die Investmentfirmen sonst allzu häufig Männern überlassen: Quantencomputer, E-Mobilität, Robotik und Energie.

„Unser Geschäft basiert auf viel Erfahrung“, sagt Birkenholz. Investorinnen und Investoren hätten häufig eine lange Lernkurve hinter sich. „Der Frauenanteil im Partnerkreis lässt sich deshalb nicht von heute auf morgen steigern“, sagt sie. Auch bei UVC sind auf der Ebene der Gesellschafter noch keine Frauen an Bord, eine Ebene darunter, im Investment-Team, liege der Frauenanteil immerhin bei rund 50 Prozent, sagt Birkenholz.

Aber: Die Unternehmen müssten auch viel breiter nach jungen Talenten suchen, sagt Birkenholz, mit Headhuntern etwa. „Das Argument, 'es hat sich halt keine Frau beworben und deshalb stellen wir einen Mann ein', zieht heute nicht mehr.“

Investorinnen profitieren nicht von ihren Kollegen

Damit wären allerdings noch längst nicht alle Probleme der Risikokapitalbranche gelöst: In einer Studie fanden vier US-amerikanische Forscher, unter anderem von der Harvard Business School, zuletzt heraus, dass die Investments von Risikokapitalgeberinnen im Schnitt 15 Prozent schlechter laufen als die von Männern. Dafür werteten die Forscher Zahlen mehrerer Datenbanken für Start-up-Investments aus. Diese Lücke in der Performance führen sie nicht auf mangelnde Kompetenz der Investorinnen zurück. Viel mehr liege es daran, dass eine Investorin weniger von den Erfahrungen ihrer Kollegen bei den Risikokapitalgebern profitiert. Während Männer im Gespräch mit ihren Kollegen nützliche Tipps erhalten oder über Sinn und Unsinn eines Investments debattieren, zeigt sich dieser Effekt bei Geldgeberinnen nicht. „In anderen Worten: Risikokapitalgeberinnen profitieren im Durchschnitt nicht davon, gute Kollegen in der Investmentfirma zu haben“, fassen es die Studienautoren zusammen.

In einem Business, in dem es maßgeblich um die Rendite und den lukrativen Exit geht, stellt das für die Investorinnen eine Herausforderung dar. „VCs tauschen sich viel untereinander aus und oft findet Networking dabei auch eher unter Männern statt, beim Feierabendbier zum Beispiel“, sagt Birkenholz. Aber es tut sich auch bei den Investorinnen einiges: Regemäßig veranstalte sie mit anderen Investorinnen Netzwerktreffen. „Erst hier habe ich so wirklich festgestellt, dass es viel mehr Frauen in meinem Beruf gibt als ich dachte.“ Der Austausch sei in der Branche unabdingbar, um die besten Investmententscheidungen zu treffen, sagt Birkenholz.



Und mittlerweile setzen Investorinnen sogar Fonds auf, die nur in Teams investieren, die mindestens eine Gründerin an Bord haben. Wenn sich das Problem schon nicht von selbst löst, müssen eben solche Lösungsansätze her. „Ich finde es großartig, dass es solche Fonds gibt, sie fördern Gründerinnen gezielt“, sagt Birkenholz, die sich vorstellen kann, dass Gründerinnen sich von einem solchen Fonds besser angesprochen fühlen. Das Ziel des gesamtem Start-up-Systems sollte allerdings sein, dass die klassischen Fonds diverser werden, meint sie und sagt mit vorsichtigem Optimismus: „Wir sind da mittlerweile auf einem recht guten Weg.“

Mehr zum Thema: Die Lebensumstände beeinflussen die Entscheidung für oder gegen ein eigenes Start-up – und erklären, warum es so wenige Gründerinnen gibt.

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