
Einmal im Jahr stellen die Start-up-Gründer der Republik den Politikern des Landes ein Zeugnis aus. In diesem Jahr ist es fast so niederschmetternd wie im vergangenen: Drei von vier Jungunternehmern sind nach wie vor überzeugt, dass die Politik die speziellen Belange von Start-ups bestenfalls "ausreichend" verstehe. Fast jeder zweite hält das Verständnis gar für "mangelhaft" oder "ungenügend". Das zeigt der gerade erschienene Deutsche Startup Monitor, für den die Lobbyorganisation Bundesverband Deutsche Startups zusammen mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin rund 1000 Start-up-Unternehmer befragt hat. Auch die Förderung des Gründerstandorts durch die Bundesregierung bewerten die Unternehmer darin nur als "ausreichend".
Das ist bemerkenswert, denn ansonsten sind die Gründer recht guter Dinge: Der Studie zufolge sind sie zufriedener als Arbeitnehmer, schätzen ihre Geschäftsaussichten mehrheitlich als günstig ein, wollen in den kommenden zwölf Monaten durchschnittlich acht Stellen pro Firma schaffen und arbeiten mit etablierten Unternehmen heute besser zusammen als noch vor einem Jahr. Die schlechten Noten für die Politik sind aber auch deswegen erstaunlich, weil Vertreter aller Parteien in den vergangenen Jahren die Nähe zu Start-ups gesucht haben – auf Konferenzen, auf Start-up-Rundfahrten und bei Ausflügen ins kalifornische Silicon Valley genauso wie bei Gesprächen in Hinterzimmern.





Mitten in der Flüchtlingskrise etwa nahm sich Kanzlerin Angela Merkel neulich Zeit, um die Gründerinitiative UnternehmerTUM der TU München und der BMW-Großaktionärin Susanne Klatten zu besuchen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat diese Woche die Berliner Gründerszene zu einem Gespräch mit dem Elektroauto-Pionier Elon Musk geladen; im Grußwort zur Studie schwärmt er von Gründungen als dem "Lebenselixier für unsere Wirtschaft". Und wenn am Sonntag in München Bits and Pretzels eröffnet wird, das größte Gründerfestival der Republik, dann lädt Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Empfang.
Sich mit innovativen, jungen Unternehmen zu umgeben gehört für Politiker in Berlin und anderswo zum guten Ton. Es zahlt aufs Image ein und ist zumeist ein dankbares Unterfangen: Man schüttelt Hände, macht Selfies und lässt sich innovative Erfindungen erklären. Deutschlands Gründer wiederum schätzen es, wenn Politiker auf ihren Konferenzen Reden halten, selbst wenn sie dabei manchmal Mühe haben, ihre eigenen Förderprogramme richtig zu benennen. Die jungen Unternehmen mögen das Lebenselixier der Wirtschaft sein – die Zutaten dafür liefert die Politik bisher noch zu selten.
Die größten Hemmnisse für Unternehmensgründungen
Fragestellung: Was glauben Sie sind die größten Hemmnisse für Unternehmensgründer in Deutschland bzw. den USA?
Quelle: Axa Studie "Innovation und Unternehmensgründungen in Deutschland und den USA", Oktober 2014.
Repräsentative Befragung im YouGov Panel Deutschland (1.034 Personen) und im YouGov Panel USA (1.145 Personen).
Zu starke zeitliche Beanspruchung
USA: 16%
Deutschland: 17%
Fehlende oder zu wenig Netzwerke
Deutschland: 19%
USA: 16%
Zu große Verantwortung
Deutschland: 20%
USA: 9%
Eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten
Deutschland: 20%
USA: 19%
Fehlende oder zu wenig Beratungsangebote
Deutschland: 24%
USA: 11%
Furcht, weniger als im Angestelltenverhältnis zu verdienen
Deutschland: 29%
USA: 32%
Fehlende Sicherheiten
Deutschland: 52%
USA: 17%
Angst zu scheitern
Deutschland: 54%
USA: 40%
Bürokratischer Aufwand
Deutschland: 70%
USA: 45%
Fehlendes Kapital
Deutschland: 72%
USA: 58%
Im Gegenteil: Manchmal versuchen die Entscheider eher, Bitterstoffe in das Elixier zu mischen. Diesen Eindruck jedenfalls dürften die Gründer in den vergangenen Monaten mehrfach gewonnen haben. Jedes zweite Start-up leidet nach eigenen Bekunden unter dem zu Jahresbeginn eingeführten Mindestlohn, vor allem weil dieser die Beschäftigung von Praktikanten erschwert. Denn heute sind nur noch Pflichtpraktika und Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten vom Mindestlohn ausgenommen – andernfalls werden 8,50 Euro pro Stunde fällig, die sich viele junge Firmen offenbar noch nicht leisten können. Jede fünfte beschäftigt deswegen nach eigenen Worten inzwischen weniger Praktikanten oder gar keine mehr. Da hilft auch nicht der hinter vorgehaltener Hand geäußerte Vorschlag einer Politikerin, doch einfach die offizielle Stundenzahl in länger laufenden Praktikumsverträgen zu reduzieren, um den Mindestlohn leichter ertragen zu können.
Am meisten beklagen die Gründer aber bürokratische Hemmnisse im Land, außerdem wünschen sie sich eine bessere Förderung und Hilfe bei der Suche nach Risikokapital. Das ist in Deutschland deutlich spärlicher vorhanden als in den USA, wo Geldgeber gemessen am Bruttoinlandsprodukt fast zehnmal so viel Kapital bereitstellen. Und es ist ein Thema, bei dem Gründer und Politiker im Moment häufig aneinandergeraten.