Start-ups gegen Corona-Hacker Sprint zu digitalen Identitäten

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Digitalisierungsschub über die Krise hinaus

Um den Ansturm in Corona-Zeiten zu bewältigen, haben sich die größten Anbieter, WebID aus Berlin und ID Now aus München, für den Betrieb aus dem Homeoffice zertifizieren lassen. So können die Mitarbeiter, die normalerweise von Callcentern aus die Personendaten und Ausweise am Bildschirm prüfen, von zu Hause aus arbeiten. Obwohl WebID auch den Umsatzeinbruch etwa bei Automobilfinanzierern zu spüren bekommen habe, wie Geschäftsführer Frank Jorga erzählt, war der April mit mehr als zwei Millionen Euro Umsatz der stärkste Monat seit Bestehen des Unternehmens. Die automatisierten Prüfungen hätten im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 71 Prozent zugelegt. Wovon der Identifizierungsdienst besonders profitiere: „Viel mehr Unternehmen gehen jetzt direkt in Projekte mit uns, um ihre Antrags- und Aufnahmestrecken zu digitalisieren“, sagt Jorga. „Die Kunden kamen alle auf einmal. Wir mussten überlegen, welches Projekt wir wann machen.“ Der Web-ID-Geschäftsführer erwartet, dass sich diese Entwicklung auch über die Corona-Krise hinweg fortsetzt.

Um das eigene Angebot zu erweitern, kooperieren die Berliner seit Kurzem mit dem Darmstädter Start-up Authada, das sich seit zwei Jahren auf den elektronischen Personalausweis spezialisiert und unter anderem den Main Incubator der Commerzbank zu seinen Investoren zählt. Authada macht es möglich, Smartphones mit einer Nahfunk-Schnittstelle (NFC) als Lesegerät für den elektronischen Personalausweis zu nutzen. Das soll der Identifizierungsmethode zehn Jahre nach Einführung endlich aus der Nische helfen. 

Mitten im Corona-Ausnahmezustand hat das Start-up Ende März einen Meilenstein erreicht: die Zertifizierung als sogenannter Identifizierungsdienstanbieter (IDA) beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. „Dadurch kann Authada zukünftig neben regulierten Märkten, wie der Finanzbranche, nun auch Märkte erschließen, die keiner Regulatorik unterworfen sind – etwa die E-Commerce-Branche“, gibt sich Geschäftsführer und Mitgründer Andreas Plies zuversichtlich. Zu den Neukunden, die in den kommenden Wochen dazukommen sollen, zählen auch Anbieter von Online-Sportwetten.

Neue Allianzen

Ausgerechnet WebID hat Authada die Tür zur Telekommunikationsbranche geöffnet: Vodafone lässt nun Sim-Karten mit Prepaid-Guthaben per elektronischem Personalausweis aktivieren. Aber auch mit ID Now kooperiert das 2015 gegründete Start-up bereits seit Dezember. „Unser Ansatz ist, unseren Kunden verschiedene Methoden an die Hand zu geben. Wer uns einmal integriert hat, soll alle Verfahren von uns bekommen“, sagt ID-Now-Technikchef Bauer. So macht sich Authada die langjährige Rivalität zwischen ID Now und WebID geschickt zunutze.

Seit Jahren ringen ID Now und sein zwei Jahre älterer und 600 Mitarbeiter starker Konkurrent WebID um Marktanteile – und beharken sich vor Gericht. ID Now hatte WebID vorgeworfen, Patente verletzt zu haben. Vor einigen Tagen urteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf zugunsten von WebID. Beide Unternehmen aber eint ihre Erfahrung bei der Betrugsprävention, aus der sie ein gewisses Selbstbewusstsein ableiten. Auch für die Fälle rund um Corona-Soforthilfen. Eigens für die Beobachtung der aktuellen Vorstöße von Kriminellen habe ID Now ein Team zusammengestellt, das auch im verborgenen Teil des Internets, dem sogenannten Darknet recherchiert, so Technikchef Bauer: „Das kann für neue Anbieter am Markt schwieriger sein, weil die Erfahrung fehlt.“


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