Start-ups Gründen ist was für Erwachsene

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Ideen aus Erfahrung

Vivek Wadhwa hat es weit gebracht. Zur Welt kam er in Indien, von dort wanderte er mit seinen Eltern in die USA aus. Dort gründete er mehrere Softwarefirmen, heute hat er Lehraufträge an den amerikanischen Universitäten Carnegie Mellon und Duke. Dort beschäftigt er sich unter anderem mit der Frage, was Gründer erfolgreich macht. Für eine Studie im Jahr 2009 befragte er 549 US-Entrepreneure aus zwölf verschiedenen Branchen: 75 Prozent hatten zuvor mindestens sechs Jahre Berufserfahrung als Angestellte gesammelt, jeder zehnte sogar mehr als 20.

Erfahrung kommt nun mal mit dem Alter

Wadhwa hat aus seiner Umfrage eine Formel abgeleitet, die den Erfolg des Alters erklären könnte: „Ideen entstehen aus Bedürfnissen. Um Bedürfnisse zu verstehen, braucht man Erfahrung – und die kommt im Alter.“ Auch Parstream-Gründer Jörg Bienert fühlte sich erst durch seine Lebens- und Führungsverantwortung bereit für ein eigenes Unternehmen: „Eine Gründung direkt nach dem Studium hätte ich mir nicht vorstellen können.“

Ein solches Maß an Reflexion ist nicht nur sympathisch, sondern auch nützlich. Tatsächlich lassen einige Studien vermuten: Je älter jemand ist, desto selbstbewusster schätzt er die eigenen Fähigkeiten ein. Beispielsweise gaben in einer Befragung der HypoVereinsbank unter 248 Gründerinnen mehr als die Hälfte der über 40-Jährigen an, gut verhandeln und überzeugen zu können. Unter den Jüngeren war es nur jede Dritte.

So denkt die Welt über Selbstständigkeit

Faktor Netzwerk

Andere Untersuchungen lassen vermuten, dass Unternehmen von älteren Gründern tatsächlich erfolgreicher sind. Ein Forscherteam um den Portugiesen Rui Baptista resümierte im Jahr 2013, dass Gründer, die zu Beginn älter als 50 waren, sich eher am Markt halten als die unter 30-Jährigen – und zwar unabhängig von vorheriger Arbeits-, Branchen- und Führungserfahrung. Experten vermuten, dass das persönliche Netzwerk ein entscheidender Faktor ist – denn jenes ist im Alter tendenziell größer.

Davon profitiert derzeit auch Christine Deger. Die 54-jährige Stuttgarterin baut gerade eine Beratung für Cybersicherheit auf. Zuvor arbeitete die Kauffrau in verschiedenen Branchen. Zunächst in der Verwaltung einer Diakonie, dann in einem Unternehmen für Versicherungsinformatik, danach bei einem Softwarehersteller, wo sie zuletzt die Entwicklungsabteilung leitete. In dieser Zeit hat sie viele Kontakte aufgebaut, was ihr nun zugutekommt: „Meine ersten Aufträge kamen aus diesem Netzwerk.“

Auch die Kundenakquise fällt Unternehmern mit Berufs- und Lebenserfahrung leichter – vor allem, wenn sie sich ebenfalls an Unternehmen richten und nicht an Privatpersonen. Das bestätigt auch eine Umfrage des RKW Kompetenzzentrums aus dem vergangenen September unter 175 kleinen und mittleren Unternehmen: Mehr als die Hälfte sagte, nur mit solchen Start-ups zu kooperieren, deren Führungspersonal sie persönlich kennen – und jedes vierte legte Wert darauf, dass die Gründer älter als 25 Jahre waren und langjährige Branchenerfahrung hatten.

In Deutschland gilt die Angst vor dem Scheitern traditionell als eines der größten Hemmnisse für Unternehmergeist. Doch diese Sorge haben ältere Gründer offenbar nicht. Vielleicht auch, weil sie erkennen, dass die Zeit immer knapper wird und man endlich das tun sollte, was einem wirklich wichtig ist. „Viele Gründer setzen in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens eine Idee um, die sie schon seit Jahren vor sich hergeschoben haben“, sagt Florian Nöll, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Startups.

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