Start-ups jenseits der Metropolen „Gründer auf dem Land sind privat zufriedener“

Eine gute Gegend für Start-ups? Die Schwäbische Alb. Quelle: imago images

Provinz statt Großstadttrubel? Eine Studie der Hochschule Landshut zeigt: Gründer außerhalb von Metropolen haben ähnliche Erfolgschancen – aber häufig ein anderes Profil und ein paar ganz eigene Probleme.

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Schwäbische Alb statt Prenzlauer Berg? Ostwestfalen statt Münchener Werksviertel? Start-ups jenseits der großen Metropolen in Deutschland werden häufig belächelt. Eine Umfrage unter knapp über 100 Gründern zeigt nun: Ob ein junges Unternehmen Erfolg hat, hängt nur zu einem äußerst geringen Maße vom Standort ab. In gerade einmal sieben von 105 Kategorien fanden die Forscher um Michael Bürker von der Hochschule Landshut signifikante Unterschiede über die Erfolgschancen von Start-ups in Städten mit deutlich unter 100.000 Einwohnern.

WirtschaftsWoche: Herr Bürker, wer lässt sich auf das Abenteuer „Gründen auf dem Land“ ein?
Michael Bürker: Unsere Umfrage zeigt: Auf dem Land sind die Gründer jünger und noch männlicher als in den großen Städten. Und es gibt einen deutlich höheren Anteil von Nicht-Akademikern. Etwa jeder Fünfte hat einen Abschluss wie Mittlere Reife oder Fachabitur. Das passt gut zu einer anderen Erkenntnis: Die Gründer auf dem Land sind zwar jünger, aber bringen häufig deutlich mehr Berufserfahrung mit. Das sind Führungskräfte in der Industrie, die mit ihren Ideen in den Unternehmen nicht mehr weiterkommen – und sich dann entscheiden, etwas Eigenes zu machen.

Von Ausnahmen wie Teamviewer in Göppingen oder Powercloud in Achern abgesehen: In den Regionen finden sich vielleicht hochspezialisierte, aber kleine Start-ups. Ist das typisch?
Ja, die Start-ups auf dem Land sind tendenziell jünger und kleiner. Sie fühlen sich aber deutlich stärker ihrem Standort verbunden. Wer in einer Großstadt ist, kann auch in eine andere gehen. Aber wer auf dem Land gründet, tut es bewusst genau dort. Und die Gründer und Führungskräfte sind deutlich stärker intrinsisch motiviert. Die Idee steht im Vordergrund, weniger das schnelle Geld.

Eine Hauptsorge von Start-ups ist häufig der Zugang zu fähigem Personal. Ist diese Suche auf dem Land nicht erst recht hoffnungslos?
Überraschenderweise nein. Auf den zweiten Blick sieht man: In Berlin mag es zwar ein riesiges Reservoir an qualifizierten Mitarbeitern geben, aber dafür ist auch die Konkurrenz der Start-ups viel größer. Die Start-ups auf dem Land empfinden die Konkurrenzsituation um Mitarbeiter und auch Investoren entspannter.

Michael Bürker von der Hochschule Landshut. Quelle: Privat

Wie kommt das Geld für die Gründung in die Provinz?
Viele Gründer setzen vor allem eigenes Kapital ein und sehen die Finanzierungssituation nicht als besonders dramatisch an. Das passt zu ihrer Verankerung vor Ort, und es passt zur größeren Berufserfahrung – man konnte bereits Reserven aufbauen. Allerdings muss man auch sagen: Viele der Start-ups in unserer Umfrage sind noch recht jung. Viele sind noch nicht in der Phase, in der sie für den nächsten großen Sprung auf Risikokapital angewiesen sind.

Also alles eitel Sonnenschein bei Gründern auf dem Land?
Drei Herausforderungen bleiben in der Provinz bestehen. Es fehlt der Austausch mit anderen Gründern, auch weil Räume wie Coworking-Spaces für diesen Austausch fehlen. Und die Logistik sowie technische Infrastruktur sehen die Gründer häufig als Problem. Zusätzlich müssen deutlich größere Distanzen überwunden werden, sei es zum nächsten Kunden oder zum nächsten Investor.

Hilft das nicht dabei, sich auf sein eigenes Produkt zu konzentrieren?
Wenn es um Kooperationen geht, um das Erschließen neuer Märkte und Kundengruppen, sind die Start-ups in Großstädten deutlich zufriedener. Wir sehen, dass Gründer auf dem Land weniger Kooperationen mit etablierten Unternehmen suchen und pflegen. Es gibt meist weniger Partner in der unmittelbaren Umgebung.

Was können Staat, Länder oder Kreise machen, um mehr Vernetzung im ländlichen Raum zu ermöglichen?
Die Infrastruktur ist ein grundlegendes Thema – eine Breitband-Anbindung ist für Start-ups zentral. Auch ein dichteres Netz an Gründerzentren könnte helfen, wenn dort passende Formate und Austauschmöglichkeiten geschaffen werden. Dort, wo Start-ups etwa an Business-Plan-Wettbewerben teilnehmen, ist die Zufriedenheit mit ihrem Unternehmen spürbar höher. Wer da erfolgreich ist, macht Kooperationspartner und Investoren auf sich aufmerksam. Es gibt bereits viele solcher Zentren, aber die räumlichen Abstände sind häufig noch zu groß. Aktuell fließen viele Start-up-Fördergelder in deutsche Großstädte. Dort gibt es aber bereits eine gute Infrastruktur, jeder zusätzliche Euro ist also weniger produktiv.

Wäre es nicht effizienter, die Gründer zum Umzug in Richtung der heutigen Start-up-Zentren zu motivieren? Dann sind die Wege zu neuen Kontakten kürzer.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass die familiäre Situation für viele Gründer auf dem Land eine deutlich höhere Priorität hat. Sie sind auch zufriedener mit ihrer Work-Life-Balance und der Distanz zu ihrem Wohnort. Die Bereitschaft, mit der ganzen Familie umzuziehen, ist gering. Zwar denkt etwa jedes zweite Start-up auf dem Land darüber nach, seinen Standort zu verlegen. Aber deutlich weniger als die Hälfte will in eine Großstadt wechseln. Im Fokus steht für sie eher, näher an ein regionales Gründerzentrum oder einen Kooperationspartner zu kommen.

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