Start-Ups Copycats sind besser als ihr Ruf

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Nachahmen ist lukrativ

Oliver Samwer Quelle: Armin Brosch für WirtschaftsWoche

Nachahmen ist so lukrativ, dass kürzlich eine Gruppe von Managern Rocket Internet verließ und die Klonfabrik der Samwer-Brüder selbst klonte: Project A Ventures heißt der Inkubator, der ähnlich wie Rocket Internet Geschäftsmodelle importiert. Die Samwer-Brüder selbst gießen im Wochentakt weiter Öl ins Feuer: Im Februar kopierten die Klonkrieger das Portal Pinterest. Und kürzlich wurde bekannt, dass sie auch das US-Unternehmen Square imitieren, das ein neues Bezahlsystem für Kreditkarten etablieren will. Natürlich schickten sie auch eine Kopie von Fab.com ins Rennen. Die ähnelte dem US-Vorbild so sehr, das dessen Gründer nur zwei Worte fand: „Complete Rip-off“ – totale Abzocke.

Auch Christian Reber bereitet das Sorgen. Der Mitgründer des Unternehmens 6wunderkinder hat mit etwa 30 anderen Startups deswegen zur „Anti-Copycat-Revolution“ aufgerufen und fordert vor allem zu echter Innovation auf. „Klonen“, sagt Reber, „ist nicht nachhaltig.“

Bekannte Kopien erfolgreicher Firmen

Wissenschaftler sehen das anders. „Nachahmer werden gewaltig unterschätzt“, sagt Alexander Nicolai, Entrepreneurship-Professor an der Universität Oldenburg. Aktuell untersucht Nicolai, wie sich Geschäftsideen in 28 Ländern der Erde verbreiten. Dazu verfolgte er vier Geschäftsmodelle, die Hunderte Male nachgeahmt wurden. Dabei zeigte sich: Weder das soziale Netzwerk Facebook noch das Businessnetzwerk LinkedIn oder das Videoportal YouTube waren die Ersten ihrer Art – und dennoch sind sie heute Marktführer. Für Nicolai ist klar: „Frühe Nachahmer sind oft erfolgreicher als die Vorbilder.“

Zudem sind die Trittbrettfahrer weder ein neues noch ein deutsches Phänomen. Leica etwa brachte Mitte der Zwanzigerjahre die erste Kleinbildkamera auf den Markt und strich satte Pioniergewinne ein, bevor Nachahmer den Erfolg sogar noch übertrafen. Bayer vermarktete als Erstes Aspirin – heute gibt es zahllose ähnliche Medikamente. McDonald’s ahmte das Geschäftsmodell der Kette White Castle nach, und der Kreditkarten-Pionier Diners Club musste zusehen, wie er von Visa, Mastercard und Co. überholt wurde.

Ebenso wenig wie Deutschland das Land der Nachahmer ist, sind die USA das Land der Pioniere. Das erste soziale Netzwerk hörte auf den Namen 5460 und entstand Nicolais Studie zufolge in China. Die erste Video-Plattform hieß nicht YouTube, sondern Metacafe und erblickte in Israel das Licht der Welt. Selbst Apple, das sich mit Samsung derzeit heftige Patentstreitigkeiten liefert, sei ein großer Imitator, sagt Oded Shenkar, Professor am Fisher College of Business im Bundesstaat Ohio. Gründer zitieren den Apple-Erfinder Steve Jobs übrigens gerne mit einem Satz des Künstlers Pablo Picasso: „Gute Künstler kopieren, großartige Künstler klauen.“

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