Startup-Verkauf So versilbern Gründer ihre Unternehmen

Manche Gründer macht der Verkauf ihrer Firma zu Millionären, manche rettet er vor dem Ruin. Um einen guten Schnitt zu machen, sollten Jungunternehmer schon früh die Weichen stellen: Vernetzte Geldgeber sind dabei genauso wichtig wie wasserdichte Verträge.

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Daniel Kollmann und Christoph Jung Quelle: Götz Schleser für WirtschaftsWoche

Wochenlang hatten sich die Verkaufsgespräche hingezogen, zum Schluss folgte eine achtstündige Sitzung beim Notar. Als der Vertrag Ende April schließlich unterschrieben war, fühlte Daniel Kollmann vor allem eins: Erschöpfung. Er trank zwei Bier und legte sich schlafen. Dabei hätte es Grund zum Feiern gegeben: Kollmann und sein Mitgründer Christoph Jung hatten gerade ihr Startup verkauft. Und waren mit ihrer Unterschrift Millionäre geworden – zumindest auf dem Papier. Mit Anfang 30.

Im Oktober 2010 hatten die Schulfreunde ihre Ersparnisse zusammengekratzt und Massivkonzept gegründet – einen Online-Shop, der Möbel übers Internet vertreibt. Sie fanden einen Investor, der nicht nur Kapital bereitstellte, sondern auch mit Kontakten weiterhalf – zum US-Unternehmen Fab.com, das als der am schnellsten wachsende Online-Händler weltweit gilt und Massivkonzept prompt übernahm. Für ihr Startup, das 45 Mitarbeiter und rund 7000 Kunden hatte, erhielten die Gründer Anteile an Fab im Wert von rund 20 Millionen Euro. Jetzt stehen sie als Manager bei Fab unter Vertrag. "Wir haben eigentlich gegründet, um ein solides Unternehmen aufzubauen", sagt Kollmann, "aber mit Fab können wir mehr erreichen."

Schlucken lassen. Wie Gründer und Investoren ihre Anteile versilbern

Das eigene Unternehmen verkaufen: ein Szenario, das für die meisten Gründer früher oder später zum Thema wird – aus unterschiedlichsten Gründen: Etwa wenn ihr Startup erfolgreich wächst und Wettbewerber anlockt – wie im Fall des deutschen Gutschein-Unternehmens Citydeal, das 2010 vom US-Vorbild Groupon für mehr als 120 Millionen Dollar übernommen wurde. Oder wenn Konzerne neue Märkte erobern wollen – so wie Google, das den Groupon-Konkurrenten Dailydeal im Jahr 2011 für einen dreistelligen Millionenbetrag schluckte.

Verkäufe sind an der Tagesordnung

Aber es kann auch zum Verkauf kommen, wenn sich ein Startup schlechter entwickelt als erwartet. So jüngst geschehen beim Berliner Jungunternehmen Amen, das im Frühjahr 2011 für viel Furore sorgte, als es bei Hollywood-Promi Ashton Kutcher Startkapital einsammelte, dann aber kläglich scheiterte und im August vom Berliner Musikvideoanbieter tape.tv geschluckt wurde. Ähnlich übrigens wie zuvor die Eventplattform Gidsy, die inzwischen Teil der Buchungsplattform Getyourguide ist. Mitunter lässt sich auch ein sogenanntes Acqui-Hiring beobachten: Das Kunstwort beschreibt die Akquisition eines Unternehmens, mit der der Käufer vor allem ein Ziel verfolgt: die Übernahme der Mitarbeiter.

Verkäufe sind in der Gründerszene an der Tagesordnung und sorgen vor allem unter Geldgebern für Stimmung. Während das lahmende Gründungsgeschehen derzeit eher auf ihre Laune drückt, bewerten sie die Exit-Möglichkeiten positiv, wie das aktuelle German Private Equity Barometer zeigt. Vor allem sogenannte Trade Sales – also Verkäufe an andere Unternehmen – locken der Studie zufolge die Investoren.

Das spiegelt sich in Zahlen: Allein im ersten Halbjahr 2013 beobachtete der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) 43 dieser Trade Sales im Wert von rund 460 Millionen Euro – fast annähernd so viele wie im gesamten Jahr 2012 und damit derzeit neben der Rückzahlung stiller Beteiligungen der wichtigste Exit-Kanal. Börsengänge dagegen sind die Ausnahme.

Es muss Bilanz gezogen werden

Fabian Heilemann gründete mit seinem Bruder Ferry 2009 das Gutscheinprotal Dailydeal. Im September 2011 verkauften sie an Google. 2011 machte Dailydeal 10 Millionen Euro Umsatz. Preis des Unternehmens: 80 Millionen Euro Quelle: PR

Egal, welche Form des Ausstiegs Gründer wählen: Vor dem Verkauf müssen sie Bilanz ziehen – und das beschränkt sich nicht darauf, den Wert des Unternehmens festzustellen. Sie müssen sich auch fragen: Hat sich die Arbeit gelohnt? Haben wir unsere Ziele erreicht?

Nicolas Boldt und Peter Haag beantworten die Frage mit Ja – auch wenn ihr Startup schneller den Besitzer wechselte als gedacht. Mit ihrem 2011 gegründeten Unternehmen Purmeo vertrieben sie individualisierte Vitaminpräparate und Mineralstoffe übers Netz – von Anfang an mit dem Ziel, das Unternehmen eines Tages zu verkaufen. Im vergangenen Juli war es so weit: Ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln übernahm das junge Unternehmen – für den Käufer stellte Purmeo eine sinnvolle Ergänzung des eigenen Geschäftsmodells dar. Reich wurden Boldt und Haag damit zwar nicht, aber der Erlös reichte immerhin, um die Investoren auszuzahlen. "Wenn man merkt, dass man Schweiß und Blut reinsteckt, ohne dass das Ding nennenswert wächst", sagt Nicolas Boldt, "dann ist ein Verkauf der bessere Schritt."

Wer Kapital und Kontakte mitbringt, kann leichter verkaufen

Unerfahrenen Gründern fällt dieser Schritt schwerer als Seriengründern, wie eine aktuelle Studie der London School of Economics belegt. Aber auch die Expertise der Investoren ist entscheidend: Wer Geldgeber findet, die neben Kapital auch Kontakte zu potenziellen Käufern mitbringen, dem gelingt der Exit besser.

So wie im Fall von Massivkonzept. Daniel Kollmann und Christoph Jung konnten Florian Schweitzer vom Investorennetzwerk b-to-v Partners überzeugen, einen Partner des WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerbs. Das Unternehmen investierte einen nicht genannten Betrag. Außerdem brachte Schweitzer einen Bekannten zu einem der ersten Treffen mit: Lars Hinrichs.

Hinrichs hat einst das Business-Netzwerk Xing aufgebaut hat und an die Börse gebracht. Aktuell sorgt er für Schlagzeilen, weil er HackFwd schließt – mit dem Inkubator hat er rund acht Millionen Euro in 16 Internet-Startups gesteckt. "Wir wissen, dass wir nur an einer Größe gemessen werden: dem Exit", erklärt er, "und bisher ist uns mit HackFwd noch keiner gelungen."

"Gute Investoren denken einen Schritt weiter"

Allerdings hält Hinrichs zahlreiche weitere Beteiligungen – so auch an Fab, dessen Gründer Jason Goldberg er seit Jahren kennt. Als Hinrichs mit Kollmann und Jung am Tisch saß, fiel ihm prompt Goldberg ein. Er rief ihn an, und ein paar Tage später stand Goldberg bei den Massivkonzept-Gründern vor der Tür. Die studierten andere Verkäufe, um ihr Unternehmen bewerten zu können, sprachen mit Steuerberatern und Anwälten – und nahmen die Kaufofferte schließlich an.

"Gute Investoren geben nicht einfach nur dummes Geld wie Banken, sie denken einen Schritt weiter", sagt Investor Lars Hinrichs. "Wenn ich einen guten Exit sehe, beschleunige ich den Prozess wie ein Katalysator."

Mitunter beschleunigen Gründer aber auch zu schnell und entscheiden sich zu früh für den Verkauf. Das sagt zumindest Tobias Kollmann. Der 43-Jährige, nicht verwandt mit dem Massivkonzept-Gründer, ist BWL-Professor an der Universität Duisburg-Essen und Vorsitzender des Beirats Junge Digitale Wirtschaft beim Bundeswirtschaftsministerium. "Weil vielen Gründern das Geld fürs Wachstum fehlt, geben sie oft zu schnell ihre Eigenständigkeit auf", sagt Kollmann, "Deswegen können in Deutschland aus Neugründungen nur schwer große internationale Unternehmen entstehen."

Paradebeispiel Trivago

Die besten Standorte für Startups
Platz 17: Berlin Quelle: dpa
Platz 10: Moskau Quelle: dpa
Platz 9: Bangalore Quelle: Reuters
Platz 8: Sao Paulo Quelle: Reuters
Platz 7: Singapur
Platz 6: Los Angeles Quelle: AP
Platz 5: Tel Aviv Quelle: Reuters

Auch deshalb sprechen sich der Beirat des Ministeriums sowie der Bundesverband Deutsche Startups für ein neues Börsensegment aus, in dem junge Technologieunternehmen Kapital einsammeln könnten. "Wichtig ist, dass dieses Segment besser funktioniert als der Neue Markt zur Jahrtausendwende", sagt Kollmann. Dann könnte es, so die Hoffnung, für Risikokapitalgeber einen neuen Exit-Kanal darstellen und damit ein Anreiz sein, schon in der Früh- und Wachstumsphase von Startups mehr zu investieren.

Dass so ein Ausstieg aus dem Unternehmen bei richtigem Timing auch ohne Börsengang gelingen kann, lässt sich am Bennigsen-Platz in Düsseldorf besichtigen. Im elften Stock des Bürogebäudes B1 thront Trivago. Von der Dachterrasse können die rund 400 Mitarbeiter über den Rhein blicken. Ihre Besprechungen halten sie in Strandkörben ab, in den Pausen spielen sie schon mal eine Partie Billard. Es gibt Obst, Müsli, Getränke, sogar kühles Bier – kostenlos. Alles sieht genauso hip aus, wie man sich ein erfolgreiches Internet-Startup von innen vorstellt.

Erfolg ist anfangs nicht absehbar

Malte Siewert trägt Poloshirt und Kapuzenpulli und macht erst mal Kaffee, vom Kickertisch nebenan dröhnt Jubel herüber. Siewert ist einer der drei Gründer, die Trivago 2005 aus der Taufe gehoben haben – damals noch im Keller unter einer Garage. Die Geschäftsidee: eine Suchmaschine für Hotels. Wer Trivago heute im Netz ansteuert, kann mit ein paar Klicks Domizile in aller Welt finden und vergleichen, die Angebote werden permanent aktualisiert. Trivago verdient nicht über Zimmer-Buchungen, sondern indem es seine Nutzer an Buchungsplattformen wie Booking.com weiterleitet. Allein im Jahr 2012 spielten diese Provisionen einen Umsatz von schätzungsweise 100 Millionen Euro ein.

Schnell Schluss. Wie Startups drei Jahre nach der Gründung dastehen

Dieser Erfolg war anfangs nicht absehbar. Zunächst mussten Siewert und seine Mitgründer Peter Vinnemeier und Rolf Schrömgens nach Investoren suchen, bevor sie 2006 eine erste Finanzierungsrunde abschlossen. Als sich das Unternehmen immer besser entwickelte, kehrten sich die Kräfteverhältnisse um: Die Investoren standen Schlange, und Unternehmen bekundeten reihenweise Interesse, Trivago zu kaufen. Aber die Gründer lehnten ab: "Wir wollten das Unternehmen nicht an einem Käufer ausrichten und haben das auch nicht getan", sagt Siewert, "alle sollten wissen: Wir suchen keinen Käufer."

Wie auf einem türkischen Basar

Die Gründer pokerten hoch – und knackten so den Jackpot. Im Jahr 2010 verkauften sie ein Viertel des Unternehmens an einen US-Finanzinvestor – "um etwas Risiko vom Tisch zu nehmen", wie Siewert sagt. Ende 2012 trennten sich die Gründer dann von weiteren Anteilen: Der US-Konzern Expedia sicherte sich rund 60 Prozent an Trivago und die Option, in den nächsten Jahren den Rest zu übernehmen. Die Verhandlungen seien abgelaufen wie auf einem türkischen Basar, sagt Siewert. Anfangs habe man etwa 100 Prozent auseinandergelegen und sich am Ende etwa in der Mitte getroffen – bei 434 Millionen Euro in bar und 43 Millionen Euro in Aktien.

Die Gründer machte das zu Millionären – sie führen zwar weiterhin die Geschäfte, investieren ihr Geld aber auch in andere vielversprechende Startups. Und für die Investoren war der Deal das, was in der Gründerszene als sogenannter "Tenbagger" bezeichnet wird: Sie erhielten mehr als das Zehnfache ihres Einsatzes.

Investoren wollen Rendite

Peter Ambrozy hat 2006 mit Tassilo Bestler die Shopping-Plattform Edelight aufgebaut. 2012 verkaufte er für einen zweistelligen Millionenbetrag an Burda. Der Umsatz betrug 2012 50 Millionen Euro Quelle: Angelika Zinzow für WirtschaftsWoche

Aber auch wer keine Aussicht auf einen dreistelligen Millionenreibach hat, sollte sich frühzeitig Gedanken um einen wohlvorbereiteten Exit machen – spätestens dann, wenn die ersten Investoren an Bord gehen. Denn die wollen ihren Einsatz naturgemäß nach ein paar Jahren zurück, versehen mit einer ordentlichen Rendite.

Peter Ambrozy, Steffen Belitz und Tassilo Bestler war das von Anfang an klar. Die drei gründeten 2006 das Startup Edelight – eine sogenannte Social-Shopping-Plattform, auf der sich Produkte aus mehr als 8000 Online-Shops entdecken lassen. Die Provision der Shops teilt sich das junge Unternehmen mit seinen Nutzern, die Produkte Freunden empfehlen oder selbst kaufen.

Erstmal skeptisch

Um wachsen zu können, suchte sich das Trio 2007 einen Investor und wurde bei Burda Digital Ventures fündig. Schon bei der ersten Finanzierungsrunde achteten die Gründer auf wasserdichte Vereinbarungen mit dem neuen Partner – unter anderem eine einfache Liquidations-Präferenz. Das bedeutet: Kommt es zum Verkauf, erhalten zwar zunächst die Investoren ihren Einsatz zurück, danach werden alle Gesellschafter aber entsprechend ihrer Anteile bedient. Als unseriös gilt, wenn die Investoren zunächst das Zweifache oder Dreifache ihres Investments erhalten, bevor die Gründer am Erlös beteiligt werden. Und auch bei sogenannten Drag-Along-Klauseln müssen Gründer aufpassen. Damit sichern sich manche Geldgeber die Möglichkeit, die Gründer zum Verkauf zu zwingen, ohne eine Mehrheit an dem Unternehmen zu besitzen.

Den Edelight-Gründern passierte das nicht. Als Burda Ende 2012 Interesse anmeldete, Edelight komplett zu übernehmen, waren die Gründer erst mal skeptisch. "Eigentlich wollten wir nicht verkaufen, sondern Wachstumskapital einsammeln, um zu internationalisieren", erzählt Ambrozy. "Das Unternehmen war schließlich unser Baby, das wollten wir nicht so einfach hergeben."

Angestellt und Millionär

Folgerichtig riskierten die Gründer einen sogenannten Dealbreaker: Sie verlangten so viel Geld, dass die Verhandlungen zu platzen drohten. Doch Burda blieb am Ball – und nach einem halben Jahr einigten sich die Gründer mit dem Medienhaus auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Der Deal machte die Gründer zwar wieder zu Angestellten, aber auch zu Millionären. An die Mitarbeiter schüttete Edelight eine sechsstellige Summe aus. "Die Entscheidung zu verkaufen war trotzdem nicht leicht", sagt Ambrozy, "und ob sie wirklich richtig war, können wir erst in ein paar Jahren mit Gewissheit sagen."

Nicht immer geht die Rechnung auf – das gilt auch für die Käuferseite. Prominentes Beispiel ist Dailydeal, das übers Netz Rabattgutscheine vermarktet. Fabian und Ferry Heilemann gründeten das junge Unternehmen Ende 2009, fanden schnell namhafte Investoren und wuchsen rasant auf mehrere Hundert Mitarbeiter. 2011 schließlich, kurz vor dem Börsengang des Konkurrenten Groupon und als die Euphorie im Gutscheingeschäft am größten war, schnappte sich der Internet-Konzern Google das junge Unternehmen – für mehr als 100 Millionen Dollar. "Unser bisher bester Deal", jubelten die Gründer damals.

Sie sollten recht behalten. Zu Beginn dieses Jahres trennte Google sich wieder von Dailydeal – das Geschäft mit den Gutscheinen hatte sich als Flop entpuppt. Ausgerechnet Fabian und Ferry Heilemann kauften ihr Baby zurück – Insidern zufolge für einen Schnäppchenpreis. Das Hin und Her dürfte sich für die beiden gelohnt haben: Googles Geld investieren sie jetzt in neue Startups.

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