Technologie für Frauengesundheit „Vor älteren Männern zur Menopause zu pitchen, ist schwierig“

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„Tabu-Investments“ in der Femtech-Branche

Einen systematischen Überblick über die Branche verschaffen sich vor allem Risikokapitalgeber in den USA und Großbritannien. So ist der kalifornische Investor Portfolia seit 2018 mit einem Fonds rein für Femtech-Start-ups unterwegs. Und Octopus Ventures mit Büros in London und New York will „Tabu-Investments“ stemmen. Von Amsterdam aus hat sich de Mol bislang 150 europäische Femtechs genauer angesehen. Noch liefen die Gespräche, sie plane aber drei bis vier Investments in den kommenden vier Jahren. Besonders ins Auge seien ihr Start-ups gefallen, die auf personalisierte Medizin hinarbeiten.

Als Vorbild nennt sie Feminade aus Los Angeles: Das Start-up sendet Kundinnen Urin- und Speicheltests nach Hause, um den Hormonhaushalt und vor allem die Funktion der Nebenniere zu prüfen. Ziel ist es, etwa die Ursachen für eine Gewichtszunahme oder Haarausfall besser zu verstehen. Auf Basis der Hormon-Analysen sollen schließlich auch Medikamente individuell auf die Patientin abgestimmt werden.

Um solche Deals konkurrieren nicht nur VCs wie Capital T, sondern zunehmend auch etablierte Unternehmen. Wie der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, der jüngst das New Yorker Start-up Billie übernehmen wollte – die US-Handelsbehörde FTC allerdings befürchtete zu große Marktmacht durch den Zukauf des Abo-Anbieters für Damenrasierer und vegane Pflegeprodukte und untersagte den Deal. Für ihr Geschäft mit Tampons und anderen Periodenprodukten registriert Ann-Sophie Claus von TFC ebenfalls vermehrt Kaufofferten, überwiegend aus Asien.

Unter den professionellen Investoren hierzulande sind es vor allem die Spezialisten für digitale Medizin, die sich der Femtech-Branche nähern. Darunter der Berliner Fonds der privaten Krankenversicherungen, Heal Capital. Dahinter stehen die Start-up-Schmieden Heartbeat Labs und Flying Health. In Hannover betreibt die Wirtschaftsförderung einen Female-Health-Inkubator, ausgestattet mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds. Speziell an Gründerinnen richtet sich die Berliner Beteiligungsgesellschaft Auxxo, hinter der die Business Angels und Unternehmerinnen Fabiola Hochkirchen, Gesa Miczaika und Bettine Schmitz stehen.

Expertinnen gefragt

Gerade die Investorinnen treiben Femtechs voran, ist sich de Mol sicher: „Dass mehr Frauen als Kapitalgeber auftreten, verbessert die Finanzierungsbedingungen.“ Denn: Sie hätten Vorurteile im positiven Sinne. „Die Leute investieren am liebsten in Dinge, die sie kennen. Vor fünf älteren Männern zur Menopause zu pitchen, ist schwierig.“ Mittlerweile hätten Femtechs laut der Investorin zwar einen deutlich besseren Zugang zu Kapital als noch vor fünf Jahren, so de Mol. „Aber es gibt immer noch eine Menge Investoren, die mit den Themen nichts anfangen können.“ 

Erste größere Verkäufe dürften das bald ändern. In zwei Jahren etwa rechnet die Investorin mit Exits, die für Aufmerksamkeit sorgen: „Dann steigen sicherlich noch deutlich mehr Investoren ein“, so de Mol. Die Kandidaten seien Vorreiter-Start-ups wie Clue aus Berlin, das den Zyklus analysiert und so helfen will, schneller schwanger zu werden. Oder auch das Londoner Start-up Chiaro Technology, das unter der Marke Elvie tragbare Milchpumpen entwickelt. Die Geräte passen in den Still-BH und lassen sich per App fernsteuern. Zudem vertreibt die Firma Kegel für das Beckenbodentraining, die sich mit dem Smartphone verbinden und per App Übungen anleiten. Das soll beispielsweise Inkontinenz vorbeugen. Fast 54 Millionen Dollar sammelte die Firma bereits von Investoren ein.

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Je mehr Geld in den Markt fließt, desto mehr Gründerinnen dürften als Vorbilder sichtbar werden – und neue Unternehmerinnen motivieren, erwartet IUBH-Professorin Wuttig: „Meine Hoffnung ist, dass Frauen auch infolge des Femtech-Trends als Unternehmerinnen anders wahrgenommen werden.“ Also beispielsweise nicht mehr gefragt werden, wie sie denn die Kinderbetreuung regeln. Gründerinnen nicht länger zu hinterfragen, fordert auch Ulrike Jäger, die 2019 mit Birgit Ehret digitale Geburtsvorbereitungskurse an den Start gebracht hat.

Vom bayerischen Herrsching aus haben die beiden Mütter für ihr Start-up Vimum erst die Frankfurter Investorinnen von Lebenswerk 2 für sich gewinnen können. Dann schlossen sich auch die Bayerische Beteiligungsgesellschaft BayBG und ein weiterer Privatinvestor an. Mit dem Millionenbetrag wollen die Gründerinnen und ihre 14 Mitarbeiterinnen weitere Kurse entwickeln – und mehr Krankenkassen dafür gewinnen, die Kosten zu übernehmen. Bis zum aktuellen Punkt brauchte es Durchhaltevermögen, sagt Jäger heute: „Bei ein paar potenziellen Investoren spürten wir das Klischee, dass wir als Mütter vom Land gesehen wurden, die das Unternehmen nur als Hobby nebenbei machen.“

Mehr zum Thema: Wer gründet, gewinnt, sagt Anna Alex – und sei es nur an Erfahrung. Eine der bekanntesten deutschen Gründerinnen erklärt, wie Geschäftsideen entstehen, warum der Name so wichtig ist und dass Frauen größer denken sollten.

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