Trisor Wie ein Gründer mit digitalisierten Schließfächern das Banksterben kompensieren will

Julian Treidler. Quelle: Presse

Das Berliner Start-up Trisor will vom Sterben der Bankfilialen profitieren und baut Wertschließfächer in deutschen Großstädten – mit digitaler Verwaltung. Unterstützt wird das Unternehmen von drei prominenten Beiräten.

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Julian Treidler kann sich noch erinnern, wie er vor mehr als zehn Jahren einer Dienstleistung nachging, die kaum analoger sein könnte. Während seiner ersten Woche als Bankkaufmann bei der Deutschen Bank begleitete der Hamburger seine Kunden in den Keller einer Filiale, direkt im Nobelviertel Blankenese. Mit Schlüssel in der Hand stand er damals vor unzähligen kleinen grauen Türchen eines breiten Kolosses aus Stahl. Er öffnete ihnen ihre Wertschließfächer. Darin zu finden: meist Materielles wie Bargeld, Goldschmuck und Dokumente.

Im Jahr 2021 wittert Treidler hier nun eine Geschäftsidee. Er will die Verwahrung wichtiger und wertvoller Gegenstände digitalisieren. An verschiedenen Standorten in Deutschland will der Jungunternehmer mit seinem Start-up Trisor digital verwaltete Wertschließfächer anbieten. Damit will er nicht nur Alternativen zu Banken schaffen, die die Zahl ihrer Filialen und mit ihnen auch das Angebot gut erreichbarer Safes ausdünnen. Er will auch den Zugang erleichtern, etwa mit Öffnungszeiten rund um die Uhr.

Trisor eröffnet im Mai seinen ersten Standort in einem hohen Bürokomplex beim Großen Tiergarten im Berliner Westen. Auf 184 Quadratmetern baut das Startup mehr als 5000 Wertschließfächer ein. Investitionsvolumen: Zwei Millionen Euro. Der Zeitpunkt, meint Treidler, könnte kaum besser passen. Schließlich würden mehr und mehr Menschen auf physische Wertgegenstände setzen – oder auch ihre Zugangsdaten für die Bitcoin-Wallet verstecken wollen. 

Für sein Unternehmen konnte Treidler kürzlich ein Trio aus bekannten Gesichtern für den Beirat gewinnen: Der iranisch-deutsche Architekt und Designer Hadi Teherani hat in Hamburg die „Tanzenden Türme“ und in Köln die Kranhäuser entworfen. Werner Jantosch war Polizeipräsident in Hamburg, Herbert Walter Chef der Dresdner Bank.

Nach einer Analyse der Deutschen Bundesbank sank die Zahl der Bankfilialen zwischen dem Jahr 2009 und 2019 um mehr als 30 Prozent. Und der Trend setzt sich fort: Ende Januar verkündete die Commerzbank, die Hälfte ihrer Filialen bis 2023 zu schließen. In vielen Banken gibt es nur noch Wartelistenplätze für Schließfächer, viele schaffen das nebensächliche Geschäftsmodell ganz ab. Trisor will die Lücke füllen und bis 2024 20 weitere Standorte in Großstädten wie Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und München mit neuen Wertschließfächern eröffnen, noch in diesem Jahr sollen zwei Filialen aufmachen. „Auch das europaweite Wachstum steht auf unserer Agenda“, meint Treidler.

Automatisierte Sicherheit

Das Konzept für eine Trisor-Filiale klingt zunächst wie ein Selbst-Checkin-Hotel. An Standorten mit eigenem Wachpersonal sollen Kunden mit eigener Karte in das Gebäude eintreten können und dann, ebenfalls mit ihrer Karte, Zugriff auf ihr Schließfach bekommen. „Wir denken Bankschließfächer eben weiter“, sagt Treidler. „Es ist unser Hauptprodukt, nicht das Nebenprodukt eines Bankgeschäftes.“  Man müsse keine extra Termine vereinbaren, um sein Fach öffnen zu können und sei auch nicht an Öffnungszeiten gebunden.

Weil sie aber allein, ohne Vor-Ort-Personal sind, müssen Kunden einen mehrfachen Authentifizierungsprozess durchlaufen, bevor sie ihr Schließfach in den Händen halten. Mit Karte, Pin und Fingerabdruck. „Das Besondere an der Anlage, die wir verbauen, ist die Kombination aus dem Tresor, der Robotik und der Technologie für den 24-Stunden-Zugang“, erklärt Geschäftsführer Treidler. Soll heißen: Wenn die Kunden ihre Karte vor der Trisor-Maschine im Geschäft einscannen, holt ein Roboter das persönliche Schließfach zu einer Ausgabekabine.



Die Anlagen bestellt Trisor beim schwedischen Sicherheitstresor-Hersteller Gunnebo. Drei Stunden von Berlin entfernt, in Markersdorf, werden sie an einem deutschen Standort produziert. Die Anlagen die Trisor verwendet, würden aus mehreren Komponenten aus Stahlbeton bestehen. „Wir haben die vielen Schließfächer im Tresor drinnen und dazu die Roboter, die die Fächer in die Ausgabestelle transportieren.“

Sich registrieren, die Schließfächer an einem Standort mieten und ihr Konto verwalten, können Kunden rein über eine eigene App am Smartphone. Einen Handscanner gibt es zwar nicht, aber biometrische Daten wie Fingerabdrücke erfasst auch die App von Trisor. „Die Daten der Kunden sind dabei dezentral nur auf ihrer eigenen Zugangskarte gespeichert“, erklärt Treidler die Technologie. „Mit dem momentanen Stand der Technik würde man Jahrzehnte brauchen, um sich einzuhacken.“

Julian Treidler kombiniert also seine Erfahrung mit physischen Schließfächern mit seiner Erfahrung im Technologie-Bereich. Er studierte BWL an der Privaten Hochschule für Wirtschaft & Management (WHU) in Berlin und absolvierte dual seine Ausbildung zum Bankkaufmann. Fünf Jahre später schlug er einen anderen Weg ein und baute sein erstes digitalisiertes Unternehmen auf, das Online-Planungstool für Umzüge, Relocately. Die Erfahrung dafür sammelte er bereits davor im Umzugs-Startup Movinga in Berlin.

Hauptinvestor wurde das ebenfalls erst letztes Jahr gegründete Investmentunternehmen QCore. Einer der Inhaber aus Hamburg, Justus Westerburg, vermutet einen hohen Bedarf an Schließfächern nicht nur durch die Krise. „Man sieht es auch an den veränderten Wohngewohnheiten der Menschen“, sagt der Investor. Es gebe immer öfter immer kleinere Wohneinheiten oder auch geteilten Wohnraum. Somit sei auch die Aufbewahrung von Gegenständen zuhause schwieriger. Deshalb sei Westerburg und sein Partner in das Geschäft eingestiegen.

„Wir sind ja nicht Wettbewerber der Banken“, erklärt Justus Westerburg, „sondern setzen eben den Fokus auf den Nebengeschäftszweig der Geldhäuser, den die immer weniger anbieten.“ Durch einen der neuen Beiräte von Trisor, den Ex-Dresdner-Bank-Chef Walter, könnte das neue Unternehmen sich mit Banken über das Geschäft austauschen. Laut Westerburg gebe es mehr Überschneidungen, als es Wettbewerb bringe.

Beirat mit Expertise

Auch die zwei weiteren neuen Herren im Beirat sollen ihr unterschiedliches Wissen in das neue Unternehmen einbringen. Ein Trisor-Standort soll Ruhe und Sicherheit vermitteln, sagt Julian Treidler, und das müsse man eben auch architektonisch passend in Szene setzen. Hadi Teherani, der Architekt im Beirat, „kann uns vor allem Tipps geben, wie wir unsere Standorte ästhetisch gestalten.“

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Gleichzeitig soll ein Kunde auch das Sicherheitsgefühl wie in einer Bank bekommen. Der dritte Beirat im Bunde, der Ex-Polizeipräsident von Hamburg, runde somit die wichtigen Faktoren für Trisor ab. „Ich komme aus dem unternehmerischen Wesen, da hilft etwa die Perspektive von jemandem, der 40 Jahre im Polizeidienst war und mit Verbrechen und Überfällen zu tun hatte“, ergänzt Treidler.

Die kleinste Variante eines Schließfachs kostet 28 Euro im Monat. „Wir wollten einen Preis schaffen, der das reflektiert, was wir zur Verfügung stellen, auf der anderen Seite soll er auch bezahlbar sein.“ Das Konzept von Trisor mit 24-Stunden Sicherheitspersonal, gemieteten Standorten und Schließfächern finanzieren sich erst einmal nur über die Fächermieten der Kunden. Der Wert des Bitcoin steigt aber auch immer weiter, für  immer mehr Menschen ist er eine attraktive Anlage. Immer mehr Menschen benötigen also einen sicheren Ort für die Zugangsdaten ihrer Krypto-Wallet. Und die müssen ja irgendwo sicher verwahrt werden.

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