Unternehmen Finanzierungen für deutsche Start-ups brechen ein

Die Start-Up-Halle auf der Digitalmesse OMR in Hamburg. Quelle: dpa

Deutsche Start-ups müssen sich nach einem Boom auf schwierigere Zeiten einstellen. Feierte die Branche noch 2021 ein Rekordjahr, hat sich die Lage gedreht. Angesichts steigender Zinsen sowie der Unsicherheit um Ukraine-Krieg und Konjunktur halten sich Geldgeber zurück und scheuen riskante Geschäftsmodelle.

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Im vergangenen Jahr sind die Finanzierungen für hiesige Start-ups eingebrochen, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Beratungsgesellschaft EY zeigt. Demnach warben Wachstumsfirmen rund 9,9 Milliarden Euro Risikokapital von Geldgebern ein – 43 Prozent weniger als 2021 mit 17,4 Milliarden Euro. Experten rechnen damit, dass der Stellenabbau in der Branche weitergeht.

Es fehlen vor allem große Deals

Start-ups sind auf Investoren angewiesen, da sie erst auf Wachstum setzen, bevor sie Gewinne schreiben. Große Fonds und Konzerne beteiligen sich mit Wagniskapital an jungen Firmen in der Hoffnung, dass sich deren Ideen durchsetzen. Kamen Start-ups 2021 sehr leicht an Geld, verlief 2022 gerade das zweite Halbjahr schwach.

Insgesamt sank 2022 die Zahl der Finanzierungsrunden den Angaben zufolge gemessen am Vorjahr um 13 Prozent auf 1008. Dabei fehlten vor allem große Deals: Laut Analyse wurden 37 Abschlüsse mit mehr als 50 Millionen Euro verzeichnet – rund halb so viele wie im Vorjahr.

Der Pandemie-Boom ist vorbei

Im Vorjahr waren es mit 10,5 Milliarden aber mehr als doppelt so viel. Es folgten Wachstumsfirmen aus Bayern, wo sich das eingeworbene Geld auf knapp 2,4 Milliarden Euro fast halbierte. Baden-Württemberg und Hamburg konnten dagegen auf weit niedrigerem Niveau leicht zulegen.

Start-ups hatten in der Pandemie einen Boom erlebt. Sie profitierten davon, dass Geld billig war und die Digitalisierung einen Schub bekam – etwa bei Finanzgeschäften, Online-Shopping oder Essenslieferungen. Doch auf den Boom folgte die Krise: Die Bewertungen von Start-ups brachen ein, viele wie der E-Roller-Anbieter Tier oder die Immobilienfirma McMakler strichen Jobs. Andere wie der Lieferdienst Gorillas wurden übernommen. Vor allem die Geldspritzen in angesagte Start-up-Bereiche wie Finanzen und Online-Handel brachen laut EY ein.

Experten erwarten, dass die Turbulenzen weitergehen. „Dieses Jahr dürfte es noch Überraschungen geben, da manche Start-ups nicht durchfinanziert sind”, sagt Christian Nagel, Mitgründer des Wagniskapitalgebers Earlybird. „Wahrscheinlich werden wir noch mehr Entlassungen, Umstrukturierungen und Insolvenzen sehen.” Unter Druck stünden vor allem die Corona-Gewinner wie Lieferdienste. „Sie müssen beweisen, dass ihre Geschäftsmodelle im harten Wettbewerb tragen.”

Start-ups müssten einen klaren Weg zur Profitabilität zeigen, meint EY. „Angesichts steigender Kapitalkosten und sinkender Bewertungen achten Investoren mehr auf Rentabilität als auf langfristige Wachstumsversprechen”, sagt Partner Thomas Prüver.

In den USA gibt es viel mehr Wagniskapital

Die Gründerbranche gilt als Innovationstreiber für die Wirtschaft. Jedoch liegt Deutschland bei der Finanzierung von Start-ups weit hinter Ländern wie den USA zurück. Dort gibt es fünf- bis siebenmal mehr Wagniskapital pro Kopf als in Deutschland, wie Nagel erklärt. Zwar sehe es in Deutschland in der frühen Phase der Finanzierung gut aus, später werde es aber oft eng. „Bei großen Finanzierungsrunden sind US-Investoren unverzichtbar.” Dazu kommt, dass es in Zeiten der Unsicherheit kaum noch Börsengänge gibt, die sonst eine lukrative Ausstiegsoption für Investoren sind.

Auch wenn sich die Aussichten für die Branche eingetrübt haben: Im schwierigen Jahr 2022 warben deutsche Start-ups immer noch fast doppelt so viel Geld ein wie 2020. „2021 war ein Ausreißer, nun erleben wir eine Korrektur”, sagt Nagel.

Zudem hat der Start-up-Standort Deutschland mit dem Leuchtturm Berlin in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Der Branche gelinge es zunehmend, ausländische Tech-Talente anzuziehen, sagte kürzlich Tom Wehmeier, Partner beim Londoner Risikokapitalgeber Atomico. Auch haben Investoren noch immer viel Geld zu verteilen. Erst im November legte die Beteiligungsgesellschaft EQT einen milliardenschweren Fonds für Start-ups in der Frühphase auf.

Wagniskapitalfonds hätten Investitionsdruck, sagt jüngst auch Carsten Rudolph, Chef der Förderagentur Baystartup, die unter anderem Flixbus unterstützt hatte. Doch die Ansprüche an junge Firmen stiegen. „Insbesondere für Start-ups, die noch keine Umsätze erzielen, werden die Erstgespräche mit Investoren deutlich schwieriger und mühsamer.”

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Ähnlich äußert sich Nagel von Earlybird. Geldgeber differenzierten derzeit stark zwischen Start-ups, die schnell wüchsen und denen, die sich mäßig entwickelten. „Firmen, die echte Innovationen versprechen, werden weiter Geld bekommen. Das Geld fließt, nur langsamer.”

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