Wagnisfinanzierung Wie Konzerne neue Ideen kaufen

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"Wir wollen zwei bis drei Investitionen im Jahr tätigen und dabei während der Startphase zwischen 500 000 bis zwei Millionen Euro pro Firma investieren", steckt Christoph Hüls, Leiter des Wagniskapitalfonds, das Etappenziel ab.

Er spricht gern von "Rohdiamanten, die behutsam geschliffen werden müssen". In den Neunzigerjahren wurde "viel zu viel finanziert", kritisiert er das Finanzierungsspektakel während des Internet-Booms. "Wir sind jetzt auf einem anderen Level, in einer professionelleren Phase."

Nur ein halbes Jahr dauert es, bis Businessplan, Patente, Marktdaten, die ganze Palette von Risiken und Erfolgschancen abgeklopft sind. Stimmt die Konstellation, "geben wir grünes Licht und bringen Sie auf die Straße", umschreibt Hüls den "Merck-TÜV zur Verkehrstauglichkeit".

Einmal im Vierteljahr, in kritischen Fällen einmal im Monat, wird ausgelotet, ob die Zielvereinbarungen von den Jungunternehmern eingehalten werden oder abdriften. "Das kommt selten vor", beobachtet Hüls, doch wenn es zu Konflikten kommt, dann nur, weil sich die Youngster beratungsresistent zeigen.

Geldschatullen bereitwilliger öffnen

Auf Sonderrechte pochen die Darmstädter nicht. Weder Vorkaufsrechte noch Lizenzabkommen werden vertraglich fixiert. Dafür beansprucht das Unternehmen Sitze im Beirat oder Aufsichtsrat, "um von Anfang an die Entwicklung aus der Sicht des künftigen Partners oder Kunden positiv zu beeinflussen", sagt Hüls.

Als Gegenleistung bekommen die Start-ups neben der Kapitalspritze und der Reputation ihres Geldgebers Expertisen für Bereiche wie Forschung und Entwicklung, Marketing und Produktion.

Die Beteiligungen machen für die Konzerne Sinn, denn sie können mit relativ geringem Aufwand sehr früh tiefe Einblicke in neue Technologie gewinnen, wobei die jungen Pioniere ihnen als Frontkämpfer dienen.

Da sie als selbstständige Teileinheit im Markt agieren, können sich die Großunternehmen weiterhin auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und verlieren dadurch nicht den Anschluss an den technologischen Fortschritt.

Dabei darf auch über die Bande gespielt werden. So beteiligte sich Merck Serono als Co-Investor zusammen mit Versant Ventures, Apposite Capital, 5AM Ventures sowie dem CVC-Ableger des britischen Pharmakonzerns GlaxoSmithKline SR One am US-Pharmaunternehmen Anaphore aus San Diego.

Das Unternehmen passte ins Förderraster der Darmstädter, die ihre Geldschatullen bereitwilliger öffnen, wenn sich die Forschungsaktivitäten der Firmen vornehmlich auf Krebserkrankungen, Nervenkrankheiten oder Rheuma konzentrieren.

Es ist wieder Bewegung in die Wagnisfinanzierung gekommen, gerade weil sich das Interesse der Geldgeber nicht mehr allein um Rendite dreht. Das Wort "Partnerschaft" beherrscht mehr und mehr das Geschäftsvokabular, ohne dass der Profit zur Nebensächlichkeit wird.

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