Das Angebot ihres Investors klang verlockend: günstige Räume in Berlin-Mitte – genau da, wo der Geldgeber selbst seine Büros hat, wo die Start-up-Szene am sichtbarsten ist und wo Woche für Woche Events für Gründer und Geldgeber stattfinden. Viele Jungunternehmer würden sich vermutlich die Finger danach lecken.
Doch Hauke Windmüller, Michael Asshauer und David Nellessen lehnten ab, blieben mit ihrem Start-up Familonet lieber in Hamburg – dort, wo sie ihre App entwickelt haben. Eine App, die Familien vernetzt: Wer sie nutzt, kann mit Verwandten kommunizieren, sie über seinen Standort informieren, im Notfall um Hilfe rufen oder automatisch benachrichtigen, wenn er an einem bestimmten Ort angekommen ist – etwa in der Schule oder zu Hause. Zwei Jahre nach dem Start sind mehr als 100.000 Nutzer bei Familonet angemeldet. Den Erfolg verdankt das Start-up auch der Stadt: Für den Start hatte es einen Zuschuss der Hamburgischen Förderbank von fast 150.000 Euro eingesammelt. „Eine vergleichbare Förderung“, sagt Gründer Windmüller, „hätten wir an keinem anderen Standort bekommen.“
Das Förderprogramm der Bank funktioniert wie Köder und Anker gleichzeitig: In die Stadt locken soll er Gründer, die noch nicht wissen, wo sie ihre Firma aufbauen sollen. Und Unternehmen wie Familonet, die in Hamburg gestartet sind, an den Standort binden. Denn wer die Hansestadt während des Förderzeitraums oder in den fünf Jahren danach verlässt, kann zur Rückzahlung verpflichtet werden.
Trotz des Angebots bewerten Hamburger Gründer den Zugang zu Förderprogrammen im Deutschen Startup Monitor schlechter als Gründer aus Berlin, München oder der Metropolregion Rhein-Ruhr. Carsten Brosda, Leiter des Medien-Amts der Hansestadt und Kenner der Start-up-Szene, will die Angebote deswegen bekannter machen. Außerdem wolle die Stadt „weitere, vor allem private Finanzierungsmöglichkeiten noch transparenter und damit effektiver zu machen“.
Hamburg sichtbar machen
Brosda betont außerdem, dass in der Stadt viele Initiativen entstanden sind, die die Gründerszene sichtbarer machen sollen – „und zwar ganz von selbst und deswegen nachhaltig“. Ein Beispiel: Die Unternehmer Sanja Stankovic, Sina Gritzuhn und Tim Jaudzims haben das Netzwerk Hamburg Startups gegründet – aus Frust darüber, dass die Hamburger Start-ups oft unterschätzt werden, und mit dem Ziel, die „versteckte, lebendige und wachsende Gründerszene“ sichtbarer zu machen.
Verstecken muss sich Hamburg nicht: Schon jetzt arbeiten mehr als 50.000 Beschäftigte in fast 10.000 IT-Unternehmen. Als Leuchttürme an der Elbe gelten die Online-Spielehersteller Bigpoint und GoodGame Studios und der Serverhersteller Protonet. Die Regierung des Stadtstaats will dafür sorgen, dass weitere Erfolgsbeispiele folgen: Über ihre Standortinitiative nextMedia.Hamburg will sie neue Start-ups im Digitalsektor unterstützen.
Manche Gründer verleitet der Erfolg dazu, gegen die Hauptstadt im Osten zu wettern. „Berlin ist für Start-ups, Hamburg für Grown-ups“, stichelt etwa Facelift-Gründer Benjamin Schröter. In der Verwaltung der Hansestadt setzt man aber auf Kooperation statt Konfrontation: „Berlin und Hamburg sind so unterschiedlich, dass sie sich eher ergänzen, als miteinander zu konkurrieren“, betont Carsten Brosda. Aus Sicht des Stadtmarketing-Forschers Zenker ist das sinnvoll: „Hamburg kann sich im internationalen Wettbewerb besserstellen, wenn es sich als Metropolregion positioniert. Auch Hamburg und Berlin lassen sich räumlich gut zusammen denken.“
Hauke Windmüller kann das bestätigen: Er pendelt oft in die Hauptstadt – zu Investoren oder zu Veranstaltungen. „Für uns“, sagt der Gründer, „war die Nähe zu Berlin ein wichtiges Argument für Hamburg.“