Wahl des Unternehmensstandorts Das sind die besten Städte für Gründer

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München - Mit Bits und Brez'n aus dem Schatten Berlins

Das Schreiben war nicht länger als zwei Seiten, aber sein Inhalt brisant genug, um die Gründerszene aufzubringen: „Mehr als 30 Prozent aller Investorengelder wandern nach Berlin“, hieß es Anfang September in einer Pressemitteilung, „die Stadt an der Spree scheint förmlich ein Erfolgsgarant zu sein – oder doch nur eine Hype-Bühne?“ Für Zoltan Elek steht die Antwort längst fest. „In München entstehen Unternehmen“, erklärte der Co-Autor der umstrittenen Pressemitteilung, die in Berlin als Brandbrief verstanden wurde, „in Berlin Start-up-Projekte.“

Mit diesen Typen sollten Sie ein Unternehmen gründen
Gründer und Co-Founder„Nur weil sich zwei Menschen privat, beim Feiern und Kaffee trinken gut verstehen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch gut zusammenarbeiten können“, warnt Thorsten Reiter, dessen Buch „Start up – Jetzt! Endlich loslegen und es richtig machen“ gerade im Campus-Verlag erschienen ist. Er rät eher davon ab, im Freundeskreis nach potentiellen Mitgründern zu suchen und empfiehlt statt dessen sich im Kreis derer umzusehen, mit denen man bereits zusammengearbeitet hat. „Jeder Gründer muss den Geschäftspartner finden, der zu ihm passt und der die eigenen Fähigkeiten komplettiert.“ Reiter hat gewisse Charaktere ausgemacht, die in Kernteams vieler erfolgreicher Gründungen vertreten sind... Quelle: dpa
Visionäre, Leader und ProjektmanagerViele Gründer fallen in diese Kategorie, denn sie haben das große Ganze vor Augen und die Fähigkeit, andere für ihre eigenen Ziele zu begeistern. Sie rücken mit dem Holzhammer an, wenn es um die Umsetzung von Strategien geht und haben selten Zeit für Details. Die Teammitglieder bekommen immer wieder Sprüche wie: „Ich weiß nicht wie, aber ich weiß, dass!“ oder „Geht nicht, gibt’s nicht!“ zu hören. Reiter: „Sie sind beinahe idealistisch kompromisslos und profitieren von einem starken Team, das sie herausfordert und ergänzt.“ Quelle: dpa
Techies und EntwicklerWenn sie nicht gerade Minecraft spielen, sind das die Geeks im Team. Sie hacken scheinbar unzusammenhängende Zahlen- und Buchstabenkombinationen in die Matrix hinein und verstehen das Produkt wie niemand sonst. Das Problem ist nur: Sie halten die Vorteile für so eindeutig, dass sie sie nicht vermitteln können. „Ohne sie gäbe es kein Produkt – wären sie ohne Team“, sagt Reiter, „würde es sich nie verkaufen und letztlich als Open-Source-Lösung irgendwo im Netz landen Quelle: dpa
DesignerAuch dieser Charakter lässt sich häufig in Gründungsteams finden. Sie sind die Schöngeister, die Künstler des Teams. Egal ob in digitaler oder analoger Form, ihr Auge für Schönheit macht das Produkt für ein breites Publikum erst interessant und benutzbar. Reiter: „Eine Enge Zusammenarbeit zwischen ihnen und den Entwicklern ist essenziell für jede erfolgreiche Produktinnovation.“ Quelle: dpa
Marketer und Sales-People„Wenn der Preis stimmt, würden sie sogar ihre Großmutter verkaufen“, so das klare Urteil von Thomas Reiter über die Verkaufstalente im Team. Sie bringen das Produkt unter die Leute, verstehen den Markt und die Kundenwünsche. Für den Experten sind diese Kenntnisse in der Gründungsphase unerlässlich – Sales-Personal kann auch später angeheuert werden. Quelle: REUTERS
Buchhalter und Finance-PeopleFrüher oder später braucht jedes Gründungsteam Leute, die sich um die Zahlen kümmern. Auch wenn viele Start-ups diesen Part oft extern auslagern, ist jemand, der die Zahlungsströme versteht laut Reiter im Kernteam „sehr zu empfehlen.“ Manchmal wird die Rolle indirekt von Financiers wie dem Venture Capitalist übernommen, die darüber wachen, dass Einnahmen und Ausgaben ausbalanciert sind oder in der Wachstumsphase zumindest die prognostizierten Ziele erreicht werden. Quelle: dpa Picture-Alliance
Administrator und Office-ManagerDie Leute fürs Detail – sie dürfen in keinem Gründer-Team fehlen. Denn: „Während die Visionäre die langfristige Strategie im Auge haben und Techies sich um die Weiterentwicklung des Produkts kümmern, sollte es jemanden geben, der die täglich anstehenden Aufgaben im Blick hat“, rät Thomas Reiter. Er sagt es ist essentiell, das Tagesgeschäft nicht ständig selbst überwachen zu müssen, sondern sich auf das Wachstum des gesamten Unternehmens konzentrieren zu können. Quelle: AP

Wer mit dem Unternehmer spricht, versteht schnell, was er an München schätzt. Elek hat Landwärme aufgebaut – sein Unternehmen erzeugt Biomethan aus Abfällen und nachwachsenden Rohstoffen, speist es ins Erdgasnetz ein, handelt damit und berät andere Erzeuger. Knapp sieben Jahre nach dem Start beschäftigt Elek 15 Mitarbeiter und erwirtschaftet nach eigenen Angaben rund 80 Millionen Euro Umsatz. Elek setzt damit auf den Trend zu regenerativen Energien: Allein von 2010 bis 2013 ist die Zahl der Biogasanlagen in Deutschland von 44 auf 144 gestiegen.

München ist für Elek der perfekte Standort – nicht nur, weil er hier selbst studiert und in einem Kombinationsstudiengang der beiden Münchner Universitäten TU und LMU seine Begeisterung fürs Unternehmertum entdeckt hat. An den Universitäten der bayrischen Landeshauptstadt hat er auch seine Mitarbeiter rekrutiert. „Die Nähe zu den Hochschulen ist ein Riesenvorteil“, sagt Elek, „und viele Absolventen möchten langfristig in München bleiben.“

Studien belegen, wie wichtig die Hochschulen für die Gründerszene in München sind: Laut dem Gründungsradar des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft fördern die TU München und die Hochschule München von allen großen deutschen Hochschulen Gründungen am besten. Dazu passt, dass der Anteil der Start-ups, die von Gründern mit Hochschulabschluss aufgebaut werden, in München höher ist als etwa in Berlin und Hamburg. Das zeigt der Deutsche Startup Monitor, in dem Münchens Gründer außerdem den Zugang zu Business Angels und die Netzwerke der Stadt loben. Auch die Bemühungen der Landesregierung, Start-ups zu fördern, bewerten die Jungunternehmer vergleichsweise gut – genau wie die Vielfalt der Events für Start-ups. Im Januar etwa findet das zweite „Bits & Pretzels“ statt: Initiator Andreas Bruckschlögl erwartet dann rund 1500 Vertreter des Start-up-Ökosystems im Löwenbräukeller.

Start-ups überlegen länger

Verständlich, dass Münchens Gründer die Stadt aus dem Schatten Berlins hieven wollen. Dazu haben sie kürzlich die Initiative „Best of Munich“ ins Leben gerufen. Laut den Initiatoren ist die Stadt an der Isar nicht nur „führender Standort der digitalen Wirtschaft in Deutschland und im europäischen Vergleich vor London und Paris“. Sondern auch jene Stadt in Deutschland, in der mit 62 Prozent mehr Start-ups die ersten fünf Jahre überleben als im Rest der Republik. Gemessen an der Zahl der Einwohner, werden nirgendwo sonst so viele IT-Unternehmen gegründet wie in München, errechnete der Branchenverband Bitkom in einer Studie Ende 2012.

Zoltan Elek pendelt mittlerweile oft in die Hauptstadt. Dort sucht er den Dialog mit Verbänden und Politikern, um für Biogas zu werben – denn Energiepolitik ist zu großen Teilen Bundespolitik. Und er besucht Biogaserzeuger, denn rund um Berlin sitzen die meisten von ihnen. Bayern bleibt er trotzdem treu. „München“, sagt der Unternehmer, „zieht einfach die richtigen Leute an.“

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