Nur ein paar Kilometer vom Kölner Innatura-Büro entfernt beugt sich Harald Elster über einen Steuer-Kommentar und versucht die Finessen von Spenden- und Umsatzsteuerrecht in einfache Worte zu fassen. Das ist nicht leicht, handelt es sich doch um ein „hochkomplexes“ Thema, wie Elster sagt. Und um ein „echtes Dilemma“.
Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Elster als Steuerberater, ist Präsident des Steuerberater-Verbandes Köln und des Deutschen Steuerberaterverbandes und fast schon qua Amt ein Mann, den eigentlich nichts aus der Ruhe bringt. Aber beim Thema Sachspenden gerät selbst Elster in Wallung. Die Finanzbehörden bewerten Sachspenden wie einen Umsatz, auf den das Unternehmen eben Umsatzsteuer zahlen muss. Denn die Ware, so das Argument, wurde auch mit Vorsteuerabzug eingekauft. Wird ein Produkt dagegen vernichtet, gilt es als wertlos, es fällt keine Umsatzsteuer an.
Für Unternehmer läuft das auf eine einfache Rechnung hinaus. „Ist die Entsorgung billiger als der Steueraufwand, werden die Produkte weggeworfen“, sagt Elster. Für Menschen, die von den Spenden profitieren würden, sei das „kaum nachvollziehbar“ und aus Umweltsicht „im Grunde eine Sauerei“. Doch Aufgabe des deutschen Steuerrechts, so Elster, sei es eben auch zu verhindern, dass Spenden den Wettbewerb verzerren, weil palettenweise Produkte unversteuert weitergereicht werden.
Auf das „Dilemma“ reagierten Politik und Finanzbehörden bislang nur im medialen Notfall. 2012 etwa, als Online-Portale und Zeitungen über den „Brötchen-Blödsinn“ schrieben, der einen sächsischen Bäcker ereilte. Der sollte mehr als 5000 Euro Steuern nachzahlen, nachdem er Brot und Brötchen vom Vortag an die örtlichen Tafeln gespendet hatte. Die Behörden lenkten ein und legten fest, dass Lebensmittel kurz vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit keinen Wert mehr haben, weshalb beim Spenden keine Umsatzsteuer anfällt.
Nach und nach wurde die Entscheidung zwar ausgeweitet. „Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen hat inzwischen klargestellt, dass nicht nur Lebensmittel, sondern auch Artikel im Non-Food-Bereich verkaufsunfähig sein können, etwa aufgrund von Verpackungsfehlern oder falschen Etiketten“, sagt Birgit Weitemeyer, Steuerprofessorin an der Bucerius Law School und Direktorin des Instituts für Stiftungsrecht. „Der Marktpreis liegt dann nahe Null und das Steuerthema hat sich damit de facto erledigt.“
Doch das gilt nur für einen kleinen Teil der Warenflut. „Sobald sich bei einem Verkauf ein Preis erzielen lässt, bleibt es bei der Steuerpflicht, auch wenn gespendet wird“, sagt Elster. Die Grenzen seien dabei fließend. Was ist zum Beispiel mit Fernsehern, die der Hersteller loswerden will, um die nächste Gerätegeneration zu verkaufen? Was gilt für Kleidung aus der Vorsaison, Möbel mit kleinen Macken oder ältere Smartphones?
„Für Unternehmer besteht das Risiko, bei einer späteren Betriebsprüfung mit Nachforderungen nebst Zinsen konfrontiert zu werden“ sagt Elster. Das halte viele von Sachspenden ab.
Juliane Kronen wirbt deshalb nicht mehr nur bei Unternehmen für mehr Spenden. Sie wendet sich auch an die Politik. Nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Gesetze müssen sich ändern, sagt sie. Bis dahin will sie weiterkämpfen.