




Vor allem aber: Wer verrechnet die Ersparnisse der körperlich ertüchtigten Selbstoptimierer mit den Kosten, die diese Vitalen der Allgemeinheit durch den Dauerbesuch beim Psychologen auferlegen? Denn eines ist doch wohl klar: Die Apps mahnen uns vor allem, an unseren Restmängeln zu arbeiten: Sie sind das, was Sigmund Freud das Über-Ich nannte, eine digitale Form des schlechten Gewissens, die uns an all das erinnern, was wir noch nicht geschafft haben: siebenmal wöchentlich Sport, dreimal täglich Zähneputzen (mit Zahnseide!), fünfmal Obst und Gemüse….
Und dann sollen wir uns noch eine App aufs Handy laden, die uns an die täglichen Alltagspflichten erinnert? Schauen Sie im Internet mal bei “Astrid” vorbei, dem “persönlichen Assistenten”, der sie in “lustiger” Weise daran erinnert, dass sie morgen Putzdienst haben und die Tochter vom Hort abholen müssen! Eine nützliche Organisationshilfe soll Astrid sein? Sie ist schlimmer als die sprichwörtliche Schwiegermutter!





Kutscher oder Esel?
Nun also: Was fangen wir mit dem dem neuen Jahr an? Wollen wir uns mit Apps optimieren? Uns dem Self-Nudging hingeben? Uns ständig steuern, verbessern - uns als Dompteure unserer selbst verstehen, als Kutscher unseres Lebens und als Esel zugleich, weil unsere Freiheit darin besteht, uns Möhren hinzuhalten, denen wir willenlos hinterherlaufen? Oder sollen wir vielleicht doch in 2013 eine Auszeit nehmen, die ausgenüchterte Moderne romantisieren durch eine Kündigung oder eine neue Geliebte, durch ein pralles Leben, ein Sabbatical, einen Klosterbesuch?
Trends
Ach was. Hören wir ganz einfach auf, uns so wichtig zu nehmen. Hören wir auf, unsere Normalität zu pathologisieren, unseren Arbeitsalltag als bloße Last zu empfinden, unsere Freizeit als Zufluchtsort zu verheiligen - und vor allem: unsere kleinen Schwächen immerzu ausmerzen zu wollen.
Hören wir auf, unseren Freunden und Kollegen ständig Erfolg, Kreativität und Vitalität anzudemonstrieren, gestehen wir uns unsere Schwächen zu, unsere kleinen Laster, unsere Niederlagen. Rüsten wir nicht jede Minute mit Effizienz zu, nehmen wir uns Zeit zu Langeweile und Faulheit. Denken wir daran, dass unser Leben 30.000 Tage zählt, 1.000 Monate - erstaunlich, so wenig. Üben wir also nicht Optimierung, Verzicht und quantifizierbares Self-Enrichment - üben wir unser Leben zu nehmen, wie es ist.