Hirnforschung Drei Tipps für gedankliche Höchstleistungen

Mentale Spitzenleistung ist der Traum jeder Führungskraft. Drei Tipps aus der Hirnforschung.

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Mentale Höchstleistungen fallen nicht vom Himmel - sie sind das Ergebnis langfristigen Trainings. Quelle: fotolia

Für mentale Spitzenleistung gilt zunächst das gleiche wie für körperliche Spitzenleistung: Sie ist kein Dauerzustand, sondern das situativ abrufbare Ergebnis eines langfristig ausgewogenen Dreiklangs – aus guter Ernährung, genügend Bewegung und ausreichend Schlaf.

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Niemand würde auf die Idee kommen, einen 100-Meter-Sprinter möglichst viele Läufe hintereinander in Höchstgeschwindigkeit absolvieren zu lassen, um ihn dadurch zu einer neuen Bestzeit zu bringen. Lustlosigkeit und Burnout wären die wahrscheinlichen Folgen.

Daher sollte das Ziel von Führungskräften auch nicht sein, möglichst pausenlos mentale Spitzenleistung zu erzeugen oder sie von ihren Mitarbeitern und Teams zu fordern. Sondern sie exakt dann abrufen zu können, wenn sie gebraucht wird. Genau dabei helfen uns die Erkenntnisse der Neurowissenschaften.

Für mentale Höchstleistung produziert unser Gehirn drei wichtige Substanzen - sogenannte Neurotransmitter - die jeweils unterschiedliche Funktionen haben und gewissermaßen als Team zusammenwirken: Dopamin, Noradrenalin, und Acetylcholin.

Wie in jedem guten Team kommt es dabei auf das richtige Zusammenspiel an. Wie muss man sich nun die einzelnen Wirkstoffe vorstellen, und was genau ist ihre Wirkung?

Dopamin kommt vor allem dann ins Spiel, wenn wir Spaß an etwas haben. Wenn wir uns über etwas freuen, Belohnungen erwarten oder etwas neu und in unserer Wahrnehmung positiv für uns ist.

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Dies funktioniert dann besonders gut, wenn wir bei der Beschäftigung unsere eigenen Stärken oder Präferenzen einbringen können. Es kann wie eine Droge wirken: kurz, intensiv, fast süchtig machend.

Tatsächlich brauchen wir in gleichbleibenden Situationen auch immer etwas mehr davon, um den gleichen Effekt zu erzielen: das Gehalt verändert sich nach oben, das neue Smartphone hat etwas mehr Leistung, das neue Auto einige Extras mehr. Dopamin bringt den Spaß in die DNA-Party.

Noradrenalin wird produziert, wenn uns etwas herausfordert. Etwas, das uns ein wenig aus unserer Komfortzone bringt. Das uns leicht irritiert und die Aufgabe für uns besonders spannend macht.

Experimente zeigen, dass optimale Leistung besonders dann möglich ist, wenn wir an unsere Grenzen gehen müssen - und sogar leicht überfordert sind.

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Aber Vorsicht: es ist ein sehr schmaler Grat zur Frustration. In dem Moment nämlich, in dem wir die Herausforderung als Bedrohung erleben, passiert der gegenteilige Effekt: wir erleben Angst, die zu einer deutlichen Verminderung der Leistung führt. Die Kunst besteht daher darin, sich selbst so gut zu kennen oder kennenzulernen, dass die situative Überforderung konstruktiv bleibt. Noradrenalin bringt die Spannung in die DNA-Party.

Acetylcholin sorgt schließlich dafür, dass wir nicht abgelenkt sind und den Fokus behalten. Haben Sie mal ein Baby beobachtet, das sich mit einem kleinen Spielzeug beschäftigt? Nichts und niemand kann es davon ablenken; es studiert dieses Spielzeug völlig fokussiert - wenn es sein muss, stundenlang - mit allen Sinnen. So lernt es, intensiv und nachhaltig.

Mehr Acetylcholin, bitte!

Führungskräfte leben dagegen in einer Welt der Ablenkung: klingelnde Telefone, vibrierende Handys, mit Glockenton eingehende E-Mails. Ständige Unterbrechungen durch neue und dringendere Themen, die rasch erledigt werden müssen. Mehr Acetylcholin würde uns helfen! Acetylcholin bringt die Konzentration mit zur DNA Party.

Mit diesen drei Mechanismen lässt sich die Leistung von Führungskräften, Mitarbeitern und Teams steigern: 

Der Fun-Faktor

Sorgen Sie für Spaß bei dem, was Sie tun. Erkennen Sie das Neue und das Belohnende in Ihrer Aufgabe. Wenn Ihnen das vielleicht zunächst schwerfällt, dann stellen Sie sich vor, Sie erklären diese Aufgabe so interessant wie möglich einem guten Freund (wahlweise Ihrem 10-jährigen Sohn, Ihrem neuen Lebenspartner) und möchten ihn dafür begeistern. Sie werden sich wundern, welche interessanten verdeckten Aspekte Sie an Ihrer Arbeit entdecken und welche neuartigen Dinge sich plötzlich auftun. Dies funktioniert besonders gut bei Routinen, die mit der Zeit langweilig geworden sind.

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Der Fear-Faktor

Gehen Sie an Ihre Grenzen. Spüren Sie den vollen Einsatz Ihres Wissens und Könnens. Setzen Sie sich bei Routineaufgaben selbst unter Zeitdruck, indem Sie sich vorstellen, bereits in einer Stunde stehe der Kunde in Ihrem Büro und wolle eine umfassende Information. Oder rechnen Sie gedanklich damit, dass Sie im Laufe des Tages plötzlich unvermittelt für ein anderes Projekt Zeit aufwenden müssen, die Ihnen am Abend fehlt. Oder dass von der Erledigung dieser Aufgabe ein Großteil Ihres Bonus oder die Gunst wichtigen Person abhängt. Je genauer Sie sich dies vorstellen, desto besser die Wirkung. Wagen Sie etwas: versuchen Sie, auf neuen Wegen zum Ziel zu kommen. Halten Sie ihre Standardpräsentation beim nächsten Mal nur mit zwei von fünf geplanten Folien, und ersetzen Sie dann beim übernächsten Mal noch die sowieso viel zu kleingedruckte Schrift durch Storytelling.

Der Fokus-Faktor

Reduzieren Sie die mögliche und tatsächliche Ablenkung bei Ihrer Beschäftigung auf ein Minimum. Schließen Sie die Zimmertür, schalten Sie das Handy ab (ja, abschalten, nicht nur stummschalten – das ist für das Gehirn ein großer Unterschied, da das Handy ja immer noch blinken oder vibrieren kann und neue Nachrichten noch immer eintreffen können). In Meetings wirkt es Wunder, wenn alle Teilnehmer die Handys abschalten. Sie werden die neue Qualität der Gespräche genießen, auf die sich die anwesenden Gehirne jetzt ganz anders konzentrieren. Sie werden feststellen, dass die Zeit für das Meeting sinkt und Produktivität und Zufriedenheit signifikant steigen.

Wenn Sie Familienbilder vor sich auf dem Schreibtisch stehen haben, dann stellen Sie diese lieber in das Regal hinter Ihnen. Leise Instrumentalmusik kann helfen, sich zu konzentrieren, das haben Experimente mehrfach gezeigt – probieren Sie es für sich aus. Schaffen Sie sich 20-Minuten-Blöcke voller Konzentration auf eine Aufgabe, indem Sie sich ganz bewusst und für niemanden erreichbar von der Hektik des Tagesgeschäftes zurückziehen: terminieren Sie ein Meeting mit sich selbst! Sie werden staunen, was Sie in 20 konzentrierten Minuten alles erledigen können!

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