
Eigentlich ist Karin Makowski froh, dass sie keinen Traumjob hat. Denn darunter verstehen ihre Kommilitonen aus dem Fahrzeugtechnikstudium üblicherweise, in der Entwicklungsabteilung eines großen deutschen Autokonzerns anzufangen. Ingenieure wie Makowski optimieren dort Chassis, tüfteln an der Aerodynamik. Und: Sie konzipieren Motoren.
So wichtig ist die Autoindustrie für Deutschland
Erst der Skandal um manipulierte Abgaswerte, dann der Kartellverdacht gegen BMW, Daimler, Volkswagen und Co. Es drohen Strafzahlungen und Schadenersatz - und das in einer Zeit, in der die deutschen Autobauer durch neue Konkurrenten wie den Elektroauto-Hersteller Tesla oder Trends wie dem autonomen Fahren ohnehin vor großen Herausforderungen steht. Ein Überblick, wie wichtig die Autobranche für Deutschland ist.
Quelle: Reuters
Gemessen am Umsatz ist die Autobranche der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland: Die Unternehmen erwirtschafteten 2016 einen Umsatz von mehr als 405 Milliarden Euro. Das entspricht rund 23 Prozent des gesamten Industrieumsatzes. Mittelständisch geprägte Zulieferer sind für den Großteil der Wertschöpfung - etwa 70 Prozent - verantwortlich. Insgesamt werden mehr als 1300 Unternehmen der Branche zugerechnet.
Die Autounternehmen zählen in Deutschland direkt mehr als 800.000 Mitarbeiter. Indirekt sind es viel mehr, da für die Fahrzeugfertigung viele Teile, Komponenten und Rohstoffe zugekauft werden - etwa in der chemischen Industrie, der Textilindustrie, bei Maschinenbauern sowie in der Elektro-, Stahl- und Aluminiumindustrie. Auch Autohändler, Werkstätten und Tankstellen sowie weitere Dienstleister - etwa Versicherer - sind von der Autokonjunktur abhängig.
Fahrzeuge sind der größte deutsche Exportschlager. Mehr als drei Viertel der in Deutschland hergestellten Pkw werden exportiert: 2016 waren es gut 4,4 Millionen. Die Ausfuhren von Kraftwagen und Kraftwagenteilen summierten sich 2016 auf mehr als 228 Milliarden Euro. Das entspricht fast einem Fünftel der gesamten deutschen Exporten. Ein Großteil des Auslandsumsatzes wird in den EU-Ländern erwirtschaftet.
Weltweit investierte die deutsche Autoindustrie zuletzt fast 39 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (FuE). Im Deutschland sind es knapp 22 Milliarden Euro, was mehr als ein Drittel der gesamten Ausgaben der heimischen Wirtschaft für Forschung und Entwicklung entspricht. Mehr als 110.000 Mitarbeiter sind in den Entwicklungsabteilungen beschäftigt. Von den weltweit 3000 Patenten zum autonomen Fahren entfallen etwa 58 Prozent auf deutsche Firmen.
Dabei wäre die 27-Jährige dafür prädestiniert. Sie hat vor wenigen Wochen an der RWTH Aachen den Master in Fahrzeugtechnik mit Schwerpunkt auf Verbrennungsmotoren abgeschlossen. In ihrer Masterarbeit erforschte sie Dieselmotoren.
Beim Berufseinstieg hat sie sich dann aber gegen ihre Spezialisierung entschieden. Heute arbeitet sie beim skandinavischen Lkw-Bauer Scania - als Design Engineer ist sie dort für die Spezialwünsche der Kunden zuständig, nicht alleine für das dieselbetriebene Herz der Maschine.
Dass sie nicht bei Audi, BMW, Daimler, Volkswagen oder Porsche an Selbstzündern tüftelt, darüber klingt sie fast erleichtert nach den Nachrichten der vergangenen Wochen. Zuletzt flog auf, dass sich die fünf großen Hersteller über viele Jahre hinweg möglicherweise wettbewerbsschädigend abgesprochen haben.
Schon davor war das Image der deutschesten aller Branchen angekratzt. Erst kamen die Abgasmanipulationen von Volkswagen ans Licht, auch über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wird leidenschaftlich diskutiert. Darüber kam Diesel-Expertin Makowski ins Grübeln. “Ich dachte, bevor ich mich jetzt endgültig auf etwas spezialisiere, was in fünf Jahren keiner mehr braucht, wechsle ich lieber”, sagt die Ingenieurin.
Mit ihrer Skepsis ist sie nicht alleine. Volkswagen verlor innerhalb von drei Jahren die Hälfte seiner Bewerber, so das Ergebnis des Trendence Graduate Barometers 2017, einer Befragung von mehr als 50.000 Studierenden. “Es hat in den vergangenen fünf Jahren noch nie eine Branche so geschlossen so viele potenzielle Bewerber verloren wie die Automobilhersteller im Jahr 2016 Ingenieure", sagte Trendence-Geschäftsführer Holger Koch schon im vergangenen Jahr.
So können sich die Zeiten ändern. Es ist noch nicht lange her, da wurde man als angehender Ingenieur dafür beneidet, einen der großen Namen auch nur als Praktikumsstation im Lebenslauf stehen zu haben. Ein paar Monate bei Audi, BMW oder Daimler konnten die Eintrittskarte für eine aussichtsreiche Karriere in der Autobranche sein. Die jüngsten Umfragen belegen sogar, dass die großen Autobauer immer noch zu den beliebtesten Arbeitgebern Deutschlands gehören.