Auswahlverfahren der Universitäten Studenten in der Testmühle

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Das Herzstück vieler Verfahren ist ein Studierfähigkeitstest. Dessen Vater ist Günter Trost. Ende der Siebzigerjahre entwickelte er den Mediziner-Test. Heute entwirft Trosts Firma neue Verfahren. Zu seinen Kunden gehören Top-Unis wie die WHU in Koblenz oder die Uni St. Gallen.

Mit dem Abitur, sagt Trost, könne man nur teilweise voraussagen, wie gut jemand studiere – schließlich dokumentiere es vergangene Leistungen. Seine Aufgaben seien hingegen „wie ein Miniatur-Studium“. Sie prüften je nach Fach die in Zukunft benötigten Fähigkeiten. Etwa Konzentrationsfähigkeit, Sprachgefühl oder logisches Denken.

Studenten in spe müssen sich deshalb ganz neue Fragen stellen: Was erwartet mich bei der Bewerbung? Wie kann ich mich vorbereiten? Und vor allem: Wo passe ich überhaupt hin?

Aufnahmetests für die Uni lassen sich üben

Gerade daran hapert es. „Die Erwartungen an das Studium sind häufig falsch“, sagt Hermann Ebner, Prorektor für Studium und Lehre an der Uni Mannheim. Wer aber keine präzisen Vorstellungen vom Studieren hat, verpatzt gleich die erste Stufe der richtigen Vorbereitung. Das traurige Ergebnis: Bislang beenden in Deutschland durchschnittlich 21 von 100 Studenten nie das Studium, für das sie sich ursprünglich entschieden haben.

Der Ausweg aus dieser selbstverschuldeten Unkenntnis heißt Self-Assessment. Viele Unis bieten solche Selbsttests als Ergänzung zur Auswahloffensive an. So bekommen Interessierte einen verlässlichen Eindruck von den Anforderungen des Studiums. Gleichzeitig prüfen sie, ob ihre Fähigkeiten dem vermeintlichen Fachinteresse überhaupt entsprechen.

So wie an der Uni Bochum. Das Onlineangebot „Borakel“ analysiert anhand der Interessen von Bewerbern zuerst passende Berufsmöglichkeiten, dann die dazugehörigen Studiengänge. Alles dank eines ausführlichen Online-Fragebogens, der schon wenige Minuten später ausgewertet wird. Hinzu kommen Info-Videos von Studenten. Ein Angebot, das Schule macht: Für fast alle Fächerinteressen gibt es heute passende Infos und Tests. Im besten Fall stehen nach einer solchen Analyse Wunschfach und -Uni fest. Erst dann sollte die eigentliche Bewerbung beginnen.

Einziger Haken:  Die Tests à la Trost fragen eben kein paukbares Schulwissen ab. Vorbereiten kann man sich trotzdem. Der Entwickler rät selbst, sich mit den Aufgabentypen vertraut zu machen. Wer sich erst vor Ort und zu lange mit Verständnisfragen aufhält, verliert. Dafür ist die Zeit zu knapp.

Wem das noch nicht genügend Sicherheit gibt, für den sind Fachschaften der ideale Ansprechpartner. Häufig bieten sie Material zur Vorbereitung, von alten Tests über Erfahrungsberichte bis hin zu Tipps zu Prüfern oder Essays, die in Vorjahren überzeugten. Gerade bei den Texten kommt es weniger auf das Was, sondern auf das Wie an: eine klare These zu Beginn, geordnete Pro-und-contra-Argumentation und ein begründetes Urteil. Das lässt sich üben.

Bei aller Vorbereitung können am Ende allerdings auch Spontanität und Mut nicht schaden. In Oxford wurde einst ein Bewerber zum traditionellen College-Interview gebeten. Der Professor empfing den Schüler mit einer ausgebreiteten Zeitung vorm Gesicht, sagte „Überraschen Sie mich“ und las dann einfach weiter. Der Schüler zündete kurzerhand mit einem Feuerzeug die Zeitung an. Den Studienplatz hat er bekommen.

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